Von welchen Ängsten werden die Manager geplagt, die schliesslich als Burnout-Patienten zu Ihnen kommen?
Barbara Hochstrasser: Fast immer ist es die Angst, die geforderten Leistungen in einem veränderten Umfeld und in veränderter Position nicht mehr zu erbringen. Die Patienten schaffen es nicht mehr, den verschiedensten Bedürfnissen mehrerer Ansprechpartner, inklusive derjenigen von Familie und Partnerschaft, gerecht zu werden. Und sie haben grösste Angst vor Gesichtsverlust.
Wie sieht das Profil dieser Leute aus?
Hochstrasser Es sind zu gleichen Teilen Frauen und Männer, die meisten zwischen 50 und 60 in oberen oder mittleren Kaderpositionen. Wir behandeln aber auch regelmässig ganz junge Fach- und Führungskräfte.
In welchen Zustand sind die wohl meist männlichen Patienten?
Hochstrasser In sehr schlechtem. Sie leiden an einem Erschöpfungszustand, häufig gepaart mit einer Depression. Sie haben versucht, durch enorme Mehrleistung den veränderten Umständen zu begegnen und hatten de facto höchste Belastungen auszuhalten hinsichtlich Arbeitszeit und Komplexität der zu lösenden Probleme.
Was beinhaltet Ihre Therapie?
Hochstrasser Zunächst geht es um Entspannung, Regeneration und Wiederaufbau der körperlichen und psychischen Kräfte. Dazu dienen Körpertherapie, manchmal auch der Einsatz von schulmedizinischen Medikamenten und Methoden der chinesischen Medizin. Um das geistige, körperliche und seelische Gleichgewicht wieder zu erlangen, werden Meditationsübungen, Reittherapie und individuell zusammengestellte Sport- und Fitnessprogramme angeboten. Eminent wichtig sind die persönliche Psychotherapie sowie die in der Gruppentherapie erarbeitete Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeitssituation, dem Arbeits- und Kommunikationsverhalten und den eigenen Werten und Zielen. Nicht selten finden auch Paargespräche oder, falls angezeigt, Gespräche mit dem Arbeitgeber statt. Durchschnittlich bleiben die Patienten acht Wochen bei uns, wobei wir anschliessend ein weiterführendes Coaching und regelmässige Standortbestimmungen empfehlen.
Wie ist dem Problem präventiv zu begegnen?
Hochstrasser Es ist klar, dass es hilft, mit einer Vetrauensperson über die Ängste zu reden, sei das der Partner, ein Coach oder Managementkollegen. Wichtig ist aber auch, dass gegenüber den Auftraggebern realistische Ziele definiert und allfällige Probleme offen kommuniziert werden. Gewisse Ängste sind nicht nötig, mit anderen muss man lernen, umzugehen.
Wie das?
Hochstrasser Häufig werden durch ein Gespräch diffuse Ängste abgebaut und Schwierigkeiten in definierbare Probleme mit gangbaren Lösungsansätzen umformuliert. Mit entscheidend sind die Erwartungen, die man an sich selbst hat. Oft ist es nicht möglich, gleichzeitig überall Topleistungen zu erbringen. Man muss lernen, sich selektiv und sequentiell den wichtigsten Fragen zu widmen und in anderen Bereichen akzeptieren, dass zwischendurch auch mal etwas weniger gut genug ist.
Was können die Arbeitgeber tun?
Hochstrasser Die Angst zu enttabuisieren, muss Teil der Unternehmenskultur werden.
Wie kann das konkret aussehen?
Hochstrasser Ganz zentral ist die Kommunikation in Veränderungsprozessen. In diesen Situationen entstehen am häufigsten Probleme. Diese Prozesse müssen intensiver vorbereitet werden. Der eigentlichen Human Resource muss mehr Beachtung geschenkt werden. Es braucht schlicht wieder mehr Respekt vor dem einzelnen Individuum und dessen Bedürfnissen nach Kommunikation, Klarheit, Wertschätzung und Mitbestimmung.