Seit Jahren verschickt die Post nicht nur Briefe und Pakete, sondern auch Rezepte und Behandlungspläne. Der gelbe Riese baut Software für den digitalen Impfausweis, vernetzt Fachärzte mit Allgemeinmedizinern, liefert künstliche Gelenke und Instrumente in Operationssäle, holt sie wieder ab und lässt das gebrauchte Material sterilisieren. Das Engagement im Gesundheitsmarkt gehört zum Kerngeschäft des Bundesbetriebes. Und es gehört vor allem zu den Lieblingsprojekten von Post-Chefin Susanne Ruoff.

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Unter ihrer Ägide ist der Health-
Bereich zum grössten Projekt der internen Innovationsabteilung gewachsen. Grösser als der Versuch mit Drohnen und selbstfahrenden Autos oder die Bemühungen im E-Voting. Siebzig Personen kümmern sich darum, dass die Post den Digitalzug im Gesundheitswesen erwischt.

Verluste eingekauft

Die grossen Erfolge aber bleiben aus. Schlimmer noch: Der Bereich leckt. Die vor zwei Jahren zugekaufte Firma HCRI hat derart hohe Verluste angestaut, dass das Unternehmen kurzerhand in den Konzern integriert werden musste.

Die Unterlagen zum Fall sind beim Berner Handelsregister hinterlegt. Sie tragen unter anderem die Unterschriften von Alex Glanzmann, dem Finanzchef der Post, Guy Ehrler, dem Leiter des Rechtsdienstes, und Martin Fuchs, dem Leiter E-Health. Die Post hat HCRI im Herbst 2015 gekauft. Es sei eine Akquisition, die für beide Seiten «neue Erfolgspotenziale» biete, hiess es seinerzeit in einer Medienmitteilung. Die Firma sei «Marktführer im Qualitätsmanagement», so die Post vor zwei Jahren. Zu Kaufpreis, Gewinn oder Umsatz schwieg sich der Bundesbetrieb aus. Ein Sprecher sagte gegenüber der Zeitung «Der Bund» aber, dass das Unternehmen «profitabel» sei.

Falsche Aussage

Das ist nachweislich falsch. Als die Post die Firma kaufte, beliefen sich die Verluste bereits auf 450'000 Franken. Dazu kam ein Minus von 180'000 Franken im Jahr 2015 und ein weiteres Minus von 313'000 Franken im Jahr 2016. Die Erfolgsrechnung für 2016 weist steigende Aufwände und sinkende Erträge auf. Das Personal wurde reduziert. Kein
Ruhmesblatt für das erste Jahr unter Post-Führung.

Ende 2016 war die Finanzmisere perfekt. Die aufgestauten Verluste haben das Eigenkapital aufgefressen. Zwei Experten der Revisionsfirma KPMG haben die Bücher geprüft und erklärt, dass das Unternehmen überschuldet sei. Die Post war dazu gezwungen, die Schulden der Tochter auf die eigenen Bücher zu verteilen. Andernfalls hätte die Post-Tochter Konkurs anmelden müssen.

Chef von aussen räumt auf

Post-Sprecherin Léa Wertheimer relativiert die Notoperation: «Dass die Aufwände vorübergehend nach der Übernahme und der Integration ins E-Health-Team der Post gestiegen sind, ist nicht überraschend.» Es sei «von Anfang an» geplant gewesen, das Unternehmen vollständig zu integrieren. Die Akquisition sei «strategisch», so Wertheimer. HCRI habe «fundiertes Know-how zu Qualitätsbefragungen». Der Zukauf sei «ein logischer Schritt in der Strategie, durch Akquisitionen und Partnerschaften zu wachsen».

Doch HCRI ist nicht das einzige Problem in der Gesundheitsabteilung der Post. Kaum beachtet von der Öffentlichkeit, kam es vor einem Jahr zum Stabwechsel an der Spitze des E-Health-Bereichs. Im Juni 2016 löste Martin Fuchs den langjährigen Post-Manager Renato Gunc als Leiter E-Health ab. Fuchs kommt von aussen. Vor seinem Post-Engagement arbeitete er beim aargauischen Informatikdienstleister Hint. Davor stand er unter anderem im Sold von Siemens Schweiz, SAP und einem deutschen Gesundheitsinformatiker. Als eine der ersten Amtshandlungen begrub Fuchs die Marke Vivates, mit der die Post seit 2013 am Markt auftrat.

Konkurrenz von der Swisscom

Im Gesundheitsbereich hat die Post mit grundsätzlichen Problemen zu kämpfen. Die Swisscom macht der Post den Markt streitig. Der blaue Riese ist laut Wertheimer «der einflussreichste Konkurrent». Dazu kommt: Der Schweizer Gesundheitsmarkt steht erst am Anfang der Digitalisierung. Vieles läuft noch analog, handschriftlich, per Fax.

Die Einführung des elektronischen Patientendossiers soll die Dynamik erhöhen. Rezepte, Röntgenbilder oder der Austrittsbericht aus dem Spital sollen künftig von allen Ärzten und Apothekern elektronisch erfasst und ausgetauscht werden. In diesem Prozess will die Post eine führende Rolle spielen. Sie ist derzeit die einzige Anbieterin, deren Lösung allen geltenden Anforderungen des Gesetzgebers entspricht.

Das elektronische Patientendossier hat aber noch einen schweren Stand. Schweizer Praxisärzte sprechen sich dagegen aus, wie die jüngste Umfrage des Forschungsinstituts GFS.Bern zeigt. Eine Mehrheit der Bevölkerung sympathisiert zwar mit der elektronischen Speicherung der eigenen Medizinalgeschichte, äussert aber Datenschutzbedenken. Ausserdem will kaum jemand für diese Dienstleistung zahlen. «Potenziale werden heute bei weitem noch nicht ausgeschöpft», sagt Post-Sprecherin Wertheimer über den E-Health-Markt.

25 000 Patientendossiers

Was bedeutet das alles unterm Strich für die Post? «Zur Erfolgsrechnung einzelner Abteilungen gibt die Post keine Auskunft», sagt Wertheimer. Die Sparte entwickle sich aber «sehr erfreulich», sie schreibe «schwarze Zahlen». Die Post betreue rund 25 000 Patientendossiers, so Wertheimer. Der Bundesbetrieb arbeite mit den Kantonen Genf, Waadt, Neuenburg, Aargau, Bern, St. Gallen und Tessin zusammen. Jüngst kam ein Auftrag aus Graubünden dazu. Volumen: 871 000 Franken. Die Post-Sprecherin stellt in Aussicht: «Wir rechnen damit, noch 2017 weitere wichtige Verträge unterzeichnen zu können.»