Erinnern Sie sich an Philippe Bruggisser? Der Aviatik-Manager verpasste Mitte der Neunziger Jahre der Swissair eine Hunterstrategie. Der verpolitisierte Verwaltungsrat nickte den von McKinsey ausgeknobelten Plan ahnungslos ab.

Forsch kaufte der Luftfahrtkonzern fortan in ganz Europa kleine, wenig profitable Airlines zusammen. Wie es mit Swissair ausging, ist bekannt. Ein düsteres Kapitel der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgeschichte.

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Auch die Bernischen Kraftwerke BKW verfolgen eine Hunterstrategie, seit Suzanne Thoma vor sechs Jahren die Führung des Stromkonzern übernahm. Die Chemieingenieurin hat die Business-Mixtur der BKW nämlich komplett verändert. Nebst dem traditionellen Geschäft aus Stromproduktion, Handel und Verteilnetzen baute die 57-jährige Managerin praktisch aus dem Nichts ein umsatzmässig gewichtiges Dienstleistungsportfolio auf.

In wenigen Jahren zum internationalen Energiedienstleister diversifiziert

Die BKW hat seit 2013 die Zahl ihrer Mitarbeitenden mehr als verdoppelt. Dabei blieb der Personalbestand in den angestammten Sparten, Energie und Netze, praktisch konstant. Das Wachstum ging einzig und allein aufs Konto der Dienstleistungsparte, wo der Stromkonzern heute 5200 seiner ingesamt 7300 Mitarbeiter zählt.

Diese Personalexplosion ist einer agressiven Akquisitionsstrategie zu verdanken. Die BKW hat unter Thoma dutzendfach Firmen im In- und Ausland zugekauft und wurde 2017 vom M&A-Berater KPMG zur «aktivsten Schweizer Unternehmung» gekürt.

Das Beteiligungsverzeichnis des Stromkonzerns füllt mittlerweile fünf Seiten im Geschäftsbericht und zählt über 110 Dienstleistungstöchter. Deren Spannbreite ist immens: Vom Churer Ingenieurbüro über den Schweisstechniker in Rheinland-Pfalz bis hin zum Photovoltaik-Messdienstleister in Shanghai. Mit dem Segen des staatlichen Mehrheitseigners, dem Kanton Bern, hat sich die BKW in wenigen Jahren zum international agierenden Energiedienstleister diversifiziert.

Für Thoma zahlt sich das Dienstleistungsabenteuer aus

Ein ordnungspolitischer Sündenfall: Jenseits eines natürlichen Monopols und abseits des eigenen Versorgungsgebiets private Gewerbler in einem funktionierenden freien Markt zu konkurrenzieren, ist schlicht nicht Aufgabe eines Stromkonzerns im Mehrheitsbesitz der Berner Steuerzahler. Selbst wenn dies aus der betriebswirtschaftlichen Eigenlogik sogar noch gerechtfertigt wäre.

Allerdings sind hier Zweifel angebracht. Denn der Kaufrausch der BKW hat bislang vor allem die Topline befeuert. Der Dienstleistungsanteil am Gesamtumsatz hat sich in vier Jahren fast verdreifacht, von 12 auf 34 Prozent. Allerdings blieb vom Umsatz-Boost nicht viel in der Kasse: Die niedermargigen Dienstleistungen steuern bloss rund 15 Prozent zum operativen Betriebsergebnis bei. Ihr Geld verdient die BKW weiterhin klassisch mit Strom, und dort vor allem mit den Netzen. Das Monopolgeschäft ist mit einer Betriebsgewinn-Marge von 34 Prozent ein wahrer Goldesel und der wichtigste Ergebnispfeiler. Aus eben diesen Monopolgewinnen speisen die Berner ihre Feuerpower fürs Dienstleistungsabenteuer.

Mindestens für Thoma geht diese Hunterstrategie auf: Sie konnte ihr Salär im 2018 auf zwei Millionen Franken steigern. Ein Plus um 50 Prozent.