Es ist ein Job mit Prestige: Der Hüter der Kronjuwelen kümmert sich um die Heiligtümer der britischen Monarchie. Wenn die Diamanten auf Reisen sind, sorgt er für deren sichere Unterbringung. Und wenn die Queen Zepter und Krone trägt, liefert der Kronjuwelier diese persönlich an.

Mark Appleby ist sein Name. Sein Arbeitgeber Watches of Switzerland hat Ende Mai sein Debüt auf dem Londoner Börsenparkett gegeben. Mit dem daraus erzielten Geld soll die Verschuldung gesenkt und das Expansionstempo hoch gehalten werden. Das Ziel: 1 Milliarde Pfund Jahresumsatz bis Ende 2021. Das sind umgerechnet knapp 1,3 Milliarden Franken.

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Damit ist das Unternehmen der ambitionierteste Verfolger des Luzerner Traditionshauses Bucherer. Der Umsatz der Innerschweizer lag zuletzt bei geschätzten 1,6 Milliarden Franken.

Fast 400 Seiten stark ist der IPO-Prospekt von Watches of Switzerland. Er gibt detailliert Auskunft über die Expansionspläne des britischen Luxushauses. Eine Mischung aus Online und Offline-Aktivitäten soll zum Erfolg führen.

Offline-Business zieht noch

Heute werden knapp 90 Prozent des Umsatzes im klassischen Laden erzielt. In Zukunft sollen exklusive Online-Angebote die Kunden im Netz ansprechen. Gewisse limitierte Editionen wird es nur per Mausklick geben. Geliefert werden soll während sieben Tagen. Wer bis 22 Uhr bestellt, hat die Ware, die zuweilen mehrere zehntausend Franken kostet (siehe Box), bereits am nächsten Tag im Haus. Nicht der Kronjuwelier bringt den Luxus, aber ein Concierge.

Schweizer Luxus: So teuer sind Rolex, Patek Philippe und Co.

  • Die wichtigsten von Watches of Switzerland sind: Rolex, Patek Philippe, TAG Heuer, Omega, Cartier, Breitling, Audemars Piguet.
     
  • Im Schnitt am teuersten sind: Patek Philippe (47'684 Franken), Audemars Piguet (30'190 Franken), Rolex (11'123 Franken), Cartier (5227 Franken), Breitling (5040 Franken), Omega (4265 Franken), TAG Heuer (2058 Franken)
     
  • Die stärkste Luxusuhrenmarke weltweit ist Rolex. Der Wert aller Verkäufe wird auf fast 8 Milliarden Franken geschätzt. Omega soll bei 4 Milliarden Franken liegen.
     

Quelle: IPO-Prospekt Watches of Switzerland.

Das Gros des Wachstumssprungs von heute knapp 746 Millionen Pfund auf rund 1 Milliarde Pfund im Jahr muss aber das Geschäft aus Stein und Mörtel stemmen. Watches of Switzerland plant Dutzende Neueröffnungen und investiert jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag in Renovationen. Das Unternehmen operiert derzeit mit 127 Läden in Grossbritannien und 22 Vertretungen in den Vereinigten Staaten, mehrheitlich in Florida, Las Vegas und New York.

Die Verkaufsfläche summiert sich auf über 240'000 Quadratmeter. Das sind mehr als 33 Fussballfelder – voll mit edlen Zeitmessern der Marken Rolex, Patek Philippe, TAG Heuer, Omega, Cartier, Breitling, Audemars Piguet, IWC oder Longines.

«Golden Triangle» in London

Die meisten Läden sind profitabel, wie es im IPO-Prospekt heisst. Die wichtigsten Ableger im Königreich der Queen befinden sich im «Golden Triangle» – der Region zwischen Regent Street, Oxford Street und Brompton Road. Dort, wo sich auch alle anderen Luxusfirmen der Welt tummeln, erzielt Watches of Switzerland knapp einen Fünftel seines Umsatzes.

Auf über 100 Millionen Franken summieren sich überdies die Verkäufe in den sechs Läden am Flughafen Heathrow. Watches of Switzerland bezahlt eigens Touristenführer, um kauflustige Chinesen und andere Luxusinteressierte in seine Läden zu bringen. Wenn die Reisenden das grosse Portemonnaie öffnen, locken Kommissionen für die Gruppenführer.

19 Prozent des Umsatzes machte das Unternehmen in Grossbritannien mit Kunden von ausserhalb der EU. Davon sind 10 Prozent Chinesen. Die mit Abstand wichtigste Saison ist nicht etwa das Business vor Weihnachten, sondern die Reisemonate im Sommer. Dann klingeln die Kassen. Und weil das Business so einträglich ist, baut Watches of Switzerland die Präsenz im Londoner Luftraum sogar noch aus. Im August eröffnet der erste Ableger am Flughafen Gatwick.

Ausbau in den USA

Den wirklich grossen Wurf will Watches of Switzerland aber in den USA wagen. Die Briten, die auch nach dem IPO mehrheitlich im Besitz des amerikanischen Private-Equity-Unternehmens Apollo sind, streben die Marktführerschaft in den Vereinigten Staaten an.

Rolex spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Genfer Luxusmarke ist bei den Kunden am beliebtesten. In Grossbritannien stehen die Westschweizer für knapp über 40 Prozent aller Einnahmen. In den USA ist diese Zahl sogar noch deutlich höher. Die Marke sei in den letzten Jahren konstant gewachsen, heisst es. Nicht einmal die grösste wirtschaftliche Krise der Nachkriegszeit habe Spuren hinterlassen, konstatieren die Verantwortlichen von Watches of Switzerland mit grosser Anerkennung. Selbst im Krisenjahr 2008 habe Rolex in Grossbritannien fast zweistellig zulegen können.

Die Stärke der Genfer ist aber auch Fluch: Watches of Switzerland ist abhängig von den Schweizern, wie offen eingestanden wird. Sollte die 1919 begonnene Beziehung brüchig werden, schwinden die Wachstumsambitionen.

Bucherer vs. Watches of Switzerland: Schlachtfeld USA

Die Vereinigten Staaten sind auch auf der Agenda des Traditionshauses Bucherer. Die Firma, die am Luzerner Schwanenplatz ihren Ursprung hat, kaufte vor etwas über einem Jahr den US-Uhrenhändler Tourneau mit Sitz in New York City. Mit 28 Geschäften in zehn Bundesstaaten war er seinerzeit der grösste Händler in den USA. Im August 2018 folgte dann der Kauf von Baron & Leeds mit vier Ablegern auf Hawaii und einem in Kalifornien.

Insbesondere in New York steht Bucherer damit in direkter Konkurrenz zu Watches of Switzerland. Die noch junge Tochter Tourneau ist dabei eine Vorreiterin für die Innerschweizer. Bucherer plant den Einstieg ins Second-Hand-Geschäft. Im September will Bucherer im Laden in Genf seinen ersten Verkaufspunkt für sogenannte CPO-Uhren (certified pre-owned) eröffnen, wie Patron Jörg Bucherer unlängst sagte. Wie das Geschäft in den USA läuft, lesen Sie hier in unserer Reportage.