BILANZ: Stimmt es, dass Sie auch Dirigent sind?

HANS-ULRICH MEISTER: Ich habe mehrere Jahre einen Akkordeonverein dirigiert. Da hatten wir 30 bis 40 Mitglieder, die als Solisten sehr gut waren. Meine Aufgabe war es, sie ins Gesamte einzubinden – sonst tönte es einfach nicht gut.

Jetzt dirigieren Sie als Schweiz-Chef Investment Banker, Firmenkundenbetreuer oder Privatbankiers. Als harmoniebedürftig gelten die nicht.

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Sie brauchen für beides Durchsetzungskraft. Da gibt es viele Parallelen. Bis vor kurzem bestand unser Orchester vor allem auf dem Papier, jetzt bringen wir es wirklich zum Spielen. Dabei muss ich den einzelnen Stimmen viele Freiheiten geben, dabei das Ganze harmonisch zusammenführen – und Misstöne vermeiden.

Wie viel bringt dieses Zusammenspiel?

Sehr viel. In der Schweiz haben wir allein durch die Zusammenarbeit unserer drei Divisionen Wealth Management, Investment Banking und Asset Management im ersten Halbjahr eine Milliarde Franken an zusätzlichen Erträgen erwirtschaftet.

Das macht die Schweiz klar zur wichtigsten Region.

Ja, wir haben im ersten Halbjahr mit 1,8 Milliarden Franken ungefähr die Hälfte des Konzerngewinns geliefert. Diesen Anteil wollen wir auch für das Gesamtjahr schaffen.

Alt-Bundesrat Blocher will die Grossbanken aufspalten. Das wäre
das Ende dieser Zusatzgeschäfte.

Eine Aufspaltung halte ich für falsch, und zwar aus zwei Gründen: Sie ist juristisch nicht praktikabel, und, wichtiger noch, sie schadet der Schweizer Volkswirtschaft.

Warum?

Das Bundesgericht hat schon vor zwanzig Jahren festgehalten, dass eine faktische Beistandspflicht für den gesamten Konzern gilt. Wir können also nicht die englische oder amerikanische CS-Tochter in den Konkurs schicken, ohne zu riskieren, dafür auf der Stufe des Gesamtkonzerns einstehen zu müssen.

Haben Sie das Herrn Blocher erklärt?

Ja, das habe ich ausführlich getan. Es ist offensichtlich, dass diese Abspaltung so nicht möglich ist.

Und der volkswirtschaftliche Schaden?

Der Anteil unserer Exportwirtschaft am Bruttoinlandprodukt ist grösser als 50 Prozent, Schweizer Firmen beschäftigen 2,5 Millionen Menschen im Ausland. Die Banken müssen solche Firmen unterstützen können. Das erfordert vielfältige Kompetenzen – vom internationalen Zahlungsverkehr über Exportfinanzierungen bis zu Kapitalmarkttransaktionen.

Diese Leistungen könnte auch eine andere Bank übernehmen.

Die aktuelle Krise hat gezeigt, dass sich ausländische Banken im Krisenfall sehr schnell auf ihre Heimmärkte zurückziehen. Vor allem: Um die ungedeckten Bankkredite finanzieren zu können, ist ausländisches Kapital sehr wichtig, das praktisch einzig die Grossbanken auf dem Kapitalmarkt und bei vermögenden Privatkunden aus dem Ausland aufnehmen. Eine Abspaltung des Auslandgeschäfts würde die Kredite im Inland massiv verteuern, was eine Kreditknappheit provozieren würde. Die viel beschworene Kreditklemme, die wir bisher vermeiden konnten, wäre dann wirklich da.

Das war ja auch der Grund, weshalb der Schweizer Markt von der Leverage Ratio ausgenommen wurde, die den Banken eine Obergrenze bei den Ausleihungen vorschreibt.

Auch wenn unser Herz am klassischen Schweizer Kreditgeschäft hängt, so müssen wir doch festhalten, dass wir hier nicht die höchsten Margen erzielen. Würde die Leverage Ratio auch die in der Schweiz vergebenen Kredite einschliessen, müssten wir unser Kapital teilweise anders einsetzen. Dann könnten wir gewisse Kredite nicht mehr vergeben. Der Effekt wäre der gleiche wie bei einer Abspaltung des Auslandgeschäfts.

Herr Blocher ist nicht allein. Der zukünftige Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand hat bereits im Sommer eine weitere Verschärfung
der Regulierung gefordert.

Grundsätzlich sind neue Regeln für uns kein Problem. Sie müssen nur international aufeinander abgestimmt sein und für alle Konkurrenten gelten.

Wie erklären Sie sich das aggressive Vorgehen der Nationalbank?
Nach den Vorkomnissen im letzten Herbst ist das Vorgehen der Nationalbank nicht überraschend.

Die CS hat sich schon letzten Sommer erfolglos gegen eine Verschärfung
der Eigenkapitalvorgaben und gegen die Einführung einer Leverage Ratio gewehrt. Beides kam trotzdem.

Wollen Sie sich noch mal eine blutige Nase holen?

Die Schweiz hat bislang als einziges Land der Welt mit der Leverage Ratio und der Erhöhung der Eigenmittelvorschriften neue Richtlinien eingeführt. In allen anderen Ländern wird noch diskutiert. Bevor wir bereits eine zweite Runde starten, sollten wir abwarten, bis die anderen nachziehen. Sonst haben wir Wettbewerbsnachteile.

Aber das Argument lautet immer: Kein Land der Welt hat relativ gesehen einen so grossen Finanzsektor. Die Bilanzsummen der beiden Grossbanken betragen das Achtfache des Bruttoinlandprodukts. Ein Konkurs wäre nicht zu verkraften, deshalb der Sonderweg.

Diese Argumentation ist nicht stichhaltig.

Wieso?

Das Problem ist nicht die Grösse der Banken, sondern ihre Vernetzung mit dem Finanzsystem. Die deutsche Hypo Real Estate war keine grosse Bank. Doch ihr Zusammenbruch hätte wegen der Vernetzung mit anderen Banken das Finanzsystem gefährden können. Das Problem lautet also nicht: «Too big to fail», sondern «Too interconnected to fail». Zudem gibt es in der Frage, wie weit sich die Staaten tatsächlich engagieren müssen, völlig falsche Vorstellungen.

Inwiefern?

Der Internationale Währungsfonds hat untersucht, wie stark einzelne Staaten in der Finanzkrise ihre Banken stützen mussten. Die USA benötigten 81 Prozent des Bruttoinlandprodukts, in England waren es 82 Prozent, in Europa im Durchschnitt 36 Prozent und in der Schweiz gerade 8 Prozent. Wir sind also im internationalen Vergleich sehr gut durch diese Krise gekommen.

Was ist Ihre Lösung für das «Too interconnected to fail»-Problem?

Wir können es nur durch internationale Zusammenarbeit lösen. Niemand hat die Folgen der Lehman-Pleite vorhergesehen. Aber weil alle betroffen waren, wissen jetzt auch alle, dass sie dieses Problem gemeinsam lösen müssen. Es muss Möglichkeiten geben, dass grosse Institute geordnet in Konkurs gehen können und dass dabei kein Dominoeffekt kreiert wird. Welche Mechanismen lösen die Verbindungen mit der Finanzwelt aus? Lassen sie sich isolieren? Wie lassen sich diese systemrelevanten Faktoren abkoppeln, wenn eine Bank wieder in Schieflage gerät? Diese Fragen müssen wir beantworten.

Überschätzen Sie da nicht massiv den Reformwillen der grossen Finanzplätze London oder New York?

Ich bin deutlich zuversichtlicher als vor zwei oder drei Monaten, dass das Thema mit hoher Priorität angegangen wird. Wir haben schlicht keine Wahl. Kein Politiker will, dass die Liquidität schrumpft, und das wäre immer die Folge von Alleingängen. Jeder will eine Lösung, mit der man grosse Banken untergehen lassen kann, ohne dass dadurch die Dominosteine, welche die Verbindung zu anderen Marktteilnehmern herstellen, fallen. Jeder, der etwas davon versteht, weiss, dass sich dieses Problem nicht im Alleingang lösen lässt.

Dann versteht der designierte SNB-Präsident zu wenig?

Nein. Herr Hildebrand hat ja selbst darauf hingewiesen, dass wir international aufeinander abgestimmte Lösungen suchen müssen. Dass die Schweiz bisher auf sehr intelligente Weise eine Vorreiterrolle übernommen hat, war richtig. Doch die Frage muss jetzt lauten: Wie bringt man die Welt auf einen Standard, den die Schweiz schon eingeführt hat? Wir unterstützen die Nationalbank in ihren Bemühungen, aber daraus darf keine Schwächung für den Wirtschafts- und Industriestandort Schweiz entstehen.

Sie wollen zwar das Schweiz-Geschäft stärken, bisher kommt es in der Kommunikation jedoch kaum vor. Im aktuellen Geschäftsbericht wird es praktisch nicht erwähnt.

Das ist tatsächlich so, und das wollen wir ändern. Wir werden schon im nächsten Quartalsbericht einen besseren Überblick über die Schweizer Aktivitäten geben. Es muss klar werden, dass die Schweiz das Rückgrat unserer Bank ist. Das wurde in der Vergangenheit vernachlässigt. Beide Grossbanken haben unterschätzt, wie wichtig für den Erfolg der Rückhalt in der Bevölkerung ist.

Das klingt wie eine Rückkehr zur SKA, deren drei Buchstaben noch immer an den Fenstern in der Zentrale am Paradeplatz eingraviert sind – ein Bekenntnis zur starken Schweizer Universalbank.

Wir wollen mit Stolz zeigen, wie stark wir in der Schweiz sind – eingebettet in einen globalen Finanzkonzern.

Noch liegt die UBS vor Ihnen.

Wir wollen die führende Bank in der Schweiz werden. Die UBS hat zwar ein Drittel mehr Filialen, sie liegt im Hypothekargeschäft und auch im Private Banking noch vor uns, während wir im Geschäft mit den Grosskunden die Nummer eins sind.

Im Klartext: Sie wollen die UBS überholen.

Nähe zum Kunden, eine noch stärker auf die Kundenbedürfnisse abgestimmte Betreuung und Mitarbeiter, die in der Lage sind, Kundenerwartungen zu übertreffen, sind Voraussetzungen, um zu wachsen. Deshalb investieren wir in die Ausbildung unserer Mitarbeiter und allein dieses Jahr 70 Millionen Franken in unser Filialnetz. Ja, wir wollen in den nächsten drei Jahren Marktanteile gewinnen, in sämtlichen Bereichen.

Da ist es sicher ein Vorteil, dass die UBS zurzeit andere Sorgen hat.

Wir wünschen uns alle, dass die andere Schweizer Grossbank in die Profitabilität zurückkehrt. Aber sicher ist: Wir sind jetzt startbereit. Wir haben die richtigen Leute, die Kraft zur Umsetzung und das notwendige Kapital.

Als Sie noch Kreditchef der UBS waren, galt Ihr Kampf vor allem dem Image der Arroganz, das der Grossbank im Vergleich zu Kantonal- oder Raiffeisenbanken anhaftete. Ist das bei der CS genauso?

Unser Ziel ist es, dem Kunden an jedem Kontaktpunkt ein Erlebnis zu bieten, welches das Gegenteil von Arroganz ist. Arroganz ist überall im Leben fehl am Platz.

Hans-Ulrich Meister (50) leitet seit einem Jahr das Schweiz-Geschäft der Credit Suisse und ist der einzige Regionenchef mit eigener Ergebnisverantwortung. Vorher arbeitete er 24 Jahre lang für die UBS, zuletzt als Leiter Privat-und Firmenkunden. Er absolvierte die HWV in Zürich sowie Management-Programme an der Harvard Business School und in Wharton. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Dirk Schütz
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