Walter Berchtold ist es gewohnt, den Wind im Rücken zu haben. Als junger Mann etwa, als der begeisterte Windsurfer über die Wellen bretterte, die langen blonden Haare vom Wetter zerzaust. Den Schwung nahm er mit, als er 20-jährig zur Credit Suisse wechselte und es vom Juniorhändler bis zum CEO des Private Banking brachte, dem Berchtold seit 2006 vorsteht.

Nun steht «Wädi», wie ihn seine Freunde nennen, im Gegenwind. Das Wealth Management, das Geschäft mit den vermögenden Privatkunden, produziert immer weniger Erträge: Der Vorsteuergewinn ist in den letzten drei Jahren um ein Drittel gesunken. Die Neugeldzuflüsse sind immer noch sehr gut, doch die Einheit arbeitet immer weniger profitabel: Die Bruttomarge ist von 135 Basispunkten Mitte 2009 auf inzwischen 118 Basispunkte geschrumpft, die Vorsteuermarge von 30,3 Prozent auf 25,6 Prozent (siehe Grafik unter 'Downloads').

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Dabei hatte «Wädi» ganz anderes versprochen. September 2009 war es, als er an einem Investorentag ehrgeizige Ziele zur Profitabilität verkündete. Heute ist das Kosten-Ertrags-Verhältnis nicht nur schlechter als damals, es ist auch im Vergleich zur Konkurrenz nicht mehr vorbildhaft (siehe Tabelle unter 'Downloads').

Zurück in der Realität. Schon im April waren die Analysten hellhörig geworden: «Der Markt war etwas zu hoffnungsvoll in Bezug auf die Profite im CS-Private-Banking», schrieb Morgan Stanley und kam zum Schluss, das Wealth Management der CS werde 2011 schlechter abschneiden als jenes der UBS.

Der Schwung der Krisenjahre, als die CS besser dastand als viele Konkurrenten, ist verpufft – nun gilt wieder die Realität des Marktes. Und die präsentiert sich wenig erfreulich. Denn tiefe Zinsen und ungünstige Wechselkurse – zwei Drittel der Einnahmen sind in Dollars und Euros, die Hauptkostenbasis aber in Franken – fressen Einnahmen in Höhe von mehreren hundert Millionen Franken weg. Wenig Ertrag gibt es angesichts flauer Börsen auch bei den Kundenaktivitäten. Weil die Märkte im zweiten Quartal weiter ungünstig waren, dürfte sich die Situation in den letzten Wochen eher noch verschlechtert haben.

Voraussagen über die Weiterentwicklung der Marktbedingungen sind schwierig. «Ich denke, wir sind im Moment nahe am Boden», sagt Walter Berchtold und legt die Stirn in Falten, «doch wann genau der Wendepunkt erreicht sein wird, ist schwer abzuschätzen.» Das Argument, sich im Überoptimismus der Nachkrisenzeit zu hohe Ziele gesetzt zu haben, will der 49-Jährige nicht gelten lassen: «Dass wir derart lange auf so tiefen Niveaus verbleiben würden, konnten wir damals nicht erwarten.»

Hoffen auf bessere Märkte. Die CS habe in den letzten Jahren die Qualität ihrer Mitarbeiter gesteigert, erfahrenere Kundenberater eingestellt und in Beratung, Compliance sowie den Ausbau internationaler Plattformen massiv investiert. Dadurch sei der Kostensockel gestiegen, der Ausbau verspreche aber bei anziehenden Märkten einen Schub bei den Einnahmen. «Wenn sich die Bedingungen verbessern, wird die Credit Suisse überdurchschnittlich profitieren», ist Berchtold überzeugt. Das Geschäft im Wealth Management verlaufe in Zyklen von rund sieben Jahren, man könne es nicht von Quartal zu Quartal managen.

Doch was ist, wenn der Schub ausbleibt? Dann dürfte der Befreiungsschlag für «Wädi» schwierig werden. Denn durch das geltende Modell der integrierten Bank ist der strategische Spielraum klein. Die Erwartungen an den gut bezahlten Manager – beim umstrittenen PIP-Optionsprogramm des letzten Jahres war er mit 34 Millionen Franken einer der Hauptprofiteure – sind hoch.

Wenn die Märkte nicht anziehen, kann Berchtold mit einem Sparprogramm reagieren, Mitarbeiter abbauen, etwa im Backoffice. «Im Moment ist keine grosse Streichübung geplant», sagt Berchtold. Absehbar sei aber, dass die Zahl der Mitarbeiter dieses Jahr eher wieder sinken werde. Dies werde durch die natürliche Fluktuation geschehen.

Bei längerer Flaute wäre er wohl gezwungen, unrentable unter den 23 Plattformen dichtzumachen. «Die Plattformen müssen wachsen. Wenn sie das über längere Zeit nicht tun, müssen wir einzelne davon schliessen», räumt er ein.

Das dürfte aber schwierig werden, sind doch die Sparten – das Private Banking, das Investment Banking und das Asset Management – eng verwoben.

Japan etwa, wo der Aufbau im Private Banking zähflüssig vorangeht, ist als Markt für die Investment Banker wichtig. «Das Wealth Management hat ja auch eine Herzschlagfunktion und ist auch Zubringer von zusätzlichem Kundengeschäft», so Berchtold.

Für ihr «One Bank»-Konzept hat die CS zudem riesige Zudiener-Organisationen aufgebaut, etwa den Bereich Solution Partners. Diese Einheit beschäftigt rund 90 Spezialisten, die meisten von ihnen ehemalige Investment Banker, die für anspruchsvolle Privatkunden Dienstleistungen an der Schnittstelle zwischen Vermögensverwaltung und Kapitalmarkttransaktionen anbieten.

Einige CS-Kundenberater sind über die Einheit wenig glücklich. Sie beklagen die hohen Kosten und die Tatsache, dass ihnen so Einflussmöglichkeiten genommen würden. Walter Berchtold sieht das anders: «Das ist das A und O unseres Businessmodells. Genau solche Dienstleistungen sind es, welche die CS von anderen Anbietern unterscheidet und um die uns unsere Konkurrenz beneidet.» Der Anspruch der CS an höchste Qualität bedinge, dass diese Leistungen von einer Einheit von Experten angeboten würden.

Doch es ist nicht die einzige Einheit, die Fragen nach der Positionierung aufwirft. Auch bei der Privatbankentochter Clariden Leu ist Berchtold gefordert. Die Bankengruppe ist als unabhängige Marke positioniert, organisatorisch aber dem CS-Private-Banking zugeordnet. Mit Kundengeldern von 96 Milliarden Franken stellt die Tochter zudem fast zehn Prozent aller Assets im Reiche Berchtolds. Er stellt als Vizepräsident das Scharnier zur Mutter CS dar.

Bei Clariden Leu erwarten die Mitarbeiter nach Jahren der Lähmung endlich die Wende. Mit dem Chefwechsel – Mitte März ersetzte Olivier Jaquet Hans Nützi als CEO – ist ein wichtiger Schritt getan. Berchtold wird allerdings vorgeworfen, er habe damit viel zu lange gezögert.

Von Anfang an machte die 2007 aus dem Zusammenschluss von Clariden Bank, Bank Leu, Bank Hofmann, BGP und Fides entstandene Gruppe durch Kulturkämpfe von sich reden. Die verwalteten Vermögen fielen von 130 auf unter 100 Milliarden Franken. «Im Nachhinein alles andere als eine Erfolgsgeschichte», urteilt Andreas Venditti, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB).

Laut Insidern sollen zuletzt auch wichtige Vertreter im Verwaltungsrat der Mutter, allen voran der scheidende Präsident Hans-Ulrich Doerig und sein Nachfolger Urs Rohner, den Druck für Veränderungen erhöht haben. Jaquet wurde von der CS ins Spiel gebracht – die obersten Personalverantwortlichen der CS Group führten ihn auf einer Liste von internen Kandidaten mit hohem Potenzial. Der 41-Jährige, CEO der auf Nachlassplanung spezialisierten CS Trust und dort als Reorganisator aufgefallen, stellte sich Doerig und Rohner sowie auch CS-CEO Brady Dougan vor.

Eingeleitet worden war der Prozess der CEO-Suche im letzten Herbst durch Peter Eckert, einen ehemaligen Topmann der Zürich-Versicherung, der seit Januar 2009 als Präsident von Clariden Leu waltet.

Die Berufung eines unabhängigen Präsidenten war schon beim Zusammenschluss der fünf Banken ein Thema gewesen, vor allem für die Mitarbeiter von Clariden Bank, die zuvor viel Freiheit genossen. Dass Berchtold zunächst selber das Präsidium übernahm, wurde intern als falsches Signal gesehen – von Anfang an hatte er denn auch die Clariden-Fraktion gegen sich. Er habe bewusst die Position des Präsidenten eingenommen, um in der wichtigen frühen Phase die Integration selber vorwärtszutreiben, sagt Berchtold.

Fehlende Fantasie. Auch der von Berchtold Ende 2007 als CEO eingesetzte Ex-Bank-Leu-Chef Nützi stiess auf Widerstand, was aber damit zu tun haben mag, dass er den Clariden-Stall ausmisten musste, hatte die Bank doch in ihrer Wachstumseuphorie viele Problemgelder angezogen, welche den Compliance-Anforderungen der Mutter CS nicht entsprachen. Es waren wichtige Änderungen nötig, um die Bank auf das neue Umfeld vorzubereiten.

Von Berchtold erwarten die Clariden-Leu-Mitarbeiter nun Klarheit über die strategische Positionierung. Gibt es ein Spin-off, will man Clariden Leu an die Börse bringen oder in die CS integrieren? Darüber scheint die Meinung im CS-Verwaltungsrat noch nicht endgültig gemacht. Berchtold selber votiert für einen Verbleib als eigenständige Gruppe. Eine Integration ergibt für ihn angesichts der unterschiedlichen Börsenbewertung von Mutter und Tochter wenig Sinn, ebenso wenig wie ein Verkauf oder Börsengang, solange der Erlös nicht ins Wealth-Management-Geschäft reinvestiert werden kann. Man würde die Konkurrenz stärken, würde ein grosser Brocken wie Clariden Leu im Zusammenschluss mit hiesigen Playern wie etwa einer Bank Bär ein neues Schwergewicht mit mehreren hundert Milliarden Kundengeldern schaffen.

Berchtold will im Gegenteil selber aktiv am Konsolidierungsprozess teilnehmen und bei Gelegenheit zuschlagen: «Clariden Leu wird als Käufer, nicht als Verkäufer am Markt auftreten.»

Zunächst geht es unter der Führung von Jaquet aber darum, das Potenzial von Clariden Leu zu nutzen, die Erträge und die Effizienz zu steigern.

Wie Berchtold die verschiedenen Herausforderungen meistern wird, ist entscheidend für die Gesamtbank. Denn auch im Investment Banking sind die Zeiten der hohen Gewinne vorbei, weil die Risikohürden erhöht wurden.

Seit Frühling 2010 befindet sich die CS-Aktie im freien Fall und hat seither über ein Drittel ihres Wertes eingebüsst. Seit Jahren gilt die Strategie der «One Bank» – für Fantasie am Markt bleibt da wenig Platz. Die UBS signalisiert mehr Beweglichkeit, etwa mit einer möglichen Aufsplitterung und der Verlagerung von Firmenteilen ins Ausland. Für die CS fehlen solche Break-out-Szenarien.

Nicht nur bei Investoren, auch bei mit CS-Aktien bezahlten Mitarbeitern nimmt die Geduld ab. Fällt der Kurs weiter, wird der Druck auch auf CEO Brady Dougan steigen. Schliesslich haben die CS-Manager stets betont, sich in erster Linie am Kursverlauf messen lassen zu wollen.

Erik Nolmans
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