Wenn sich Firmen in diesen Tagen entschuldigen, können sie gar nicht tief genug einknicken: «Du hast absolut recht mit allem, was du sagst. Dieses Special ist uns überhaupt nicht so gelungen, wie wir wollten», schrieb die Migros kürzlich einer Facebook-Userin, die sich über die aktuelle Ausgabe des «Migros-Magazins» beklagte.

Im Juni kommt der Lebensmittelriese aus dem Büsserhemd gar nicht heraus: «Von unserer Seite ist der Freigabeprozess nicht gut gelaufen, dazu stehen wir», erklärte der Konzern. Thema diesmal waren angeblich sexistische Motive auf 60'000 Migros-Papiersäcken, die präventiv geschreddert wurden. Zum Shitstorm führten dann aber nicht die Motive, sondern der Eingriff in die Kunstfreiheit der Taschenillustratorinnen.

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Die anonyme Konzern-Entschuldigung beendet meist jeden Dialog

Anfang Juni immerhin die Entschuldigung für einen «kleinen Fehler»: Das Preisschild einer Zucchetti in einem Migros Shop in Basel war falsch angeschrieben. Auch Klimarettungs-Ikone Greta Thunberg kam schon in den Genuss einer orangen Entschuldigung, nachdem das Fan-Selfie, das einen Migros-Kassierer mit Greta an seiner Seite zeigte, für Firmen-PR benutzt wurde: «Wir entschuldigen uns bei Greta

Wir hören das Corporate-Sorry inzwischen in Dauerschleife. Nicht nur bei der Migros. Die Empörungswellen, die über Firmen hinwegrollen, lassen scheinbar keine andere Reaktion zu als ein totales «mea culpa!». Dennoch ist diese Art der Kommunikation nicht überzeugend. Abgesehen davon, dass man sich gar nicht selbst entschuldigen kann, sondern höchstens darum bittet. Die «Sorry and run»-Strategie ist schlecht für unsere ohnehin nervöse Diskussionskultur. Denn immer wieder beendet die anonyme Konzernentschuldigung jeden Dialog. Und dahinter steckt meist nur die inständige Hoffnung der PR-Abteilung, der Shitstorm möge schnellstmöglich vorüberziehen.

Zudem frage ich mich, wie die externen Entschuldigungssalven eigentlich intern wirken. Muss die Redaktion des «Migros-Magazins» künftig ein Plazet für jede Ausgabe von ganz oben abholen? Wie wirken Managerinnen und Manager, denen es hauptsächlich darum geht, Wutwellen im Internet abzuwehren, eigentlich auf die Mitarbeitenden?

Und gibt es inzwischen Guidelines für das, was geht und was nicht geht, oder müssen Marketingangestellte oder andere Abteilungen einfach hoffen, dass sich der Konzern-Account auf Twitter oder Facebook nicht von ihnen distanziert?

Es braucht ernst gemeinte Guidelines

Firmen sollen sicher nicht zur Trutzburg-Stimmung früherer Jahre zurückkehren. Aber ist es sinnvoll, dass sich Manager zu Chief Apology Officer entwickeln? Ein paar PR-Entschuldigungen weniger und ein paar wirklich gelebte und auch nach innen gerichtete Guidelines zu den Themen Sexismus und Rassismus wären da schon eher ein Schritt in die richtige Richtung. Das ist dann halt etwas anstrengender als ein Sorry auf Twitter.

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Stefan Mair
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