Im öffentlichen Verkehr könnte es zur grossen Ticketrevolution kommen: Mit dem Halbtax soll das beliebteste Abo der Schweiz abgeschafft werden, wie der K-Tipp in der aktuellen Ausgabe berichtet.
3,3 Millionen Menschen im Land nutzen heute ein Halbtax-Abo. Erwachsene zahlen dafür im ersten Jahr 190 Franken und bei einer Verlängerung dank Treuerabatt 170 Franken, damit sie ein Jahr lang Fahrkarten zum halben Preis lösen können.
Billettpreise werden komplett angepasst
Der Branchenverband Alliance Swisspass will das Halbtax-Abo zusammen mit anderen Vergünstigungen schon bald aufs Abstellgleis stellen. Ab 2027 soll das Tarifsystem «My Ride» das heutige Preissystem im öffentlichen Verkehr «radikal vereinfachen und digitalisieren», heisst es beim Branchenverband.
Für diese Systemumstellung will die Branche kräftig an den heutigen Billettpreisen rütteln. Gemäss K-Tipp sollen die neuen Fahrkartenpreise zwischen dem heutigen Halbtaxtarif und dem Volltarif liegen. Mit tieferen Einstiegspreisen will die ÖV-Branche gegenüber alternativen Beförderungsmitteln attraktiver werden. Unter dem Strich soll der Systemwechsel gemäss Branchenverband einnahmeneutral sein.
Führt neues Rabattsystem zu Gewinnern und Verlierern?
«My Ride» sieht anstelle der heutigen Vergünstigungen ein neues Rabattsystem vor: Fahrgäste zahlen eine monatliche Grundgebühr, und je öfters sie in diesen 30 Tagen den öffentlichen Verkehr nutzen, desto höher fällt am Ende der Rabatt aus. Ein Prototyp von «My Ride» wird bereits seit Mitte Mai 2024 von über 3000 Kundinnen und Kunden getestet.
Da Fahrgäste günstiger fahren, die heute kein Halbtax haben, kommen auch Befürchtungen auf: So könnte es zumindest für einen Teil der heutigen Halbtaxnutzerinnen und -nutzer wegen der höheren Fahrkartenpreise plus Rabatt künftig teurer werden.
In einer mehrjährigen Übergangszeit sollen Kunden weiterhin zwischen dem aktuellen und dem neuen Preissystem wählen können. Stellt ein Wechsel für Kundinnen und Kunden eine Verschlechterung dar, dürfte die Branche ihrem neuen Tarifsystem folglich einen Bärendienst erweisen.
Kommen künftig gar dynamische Preise?
Aktuell spart ein Fahrgast mit Halbtax bei Ticketkäufen für 250 Franken pro Jahr 16 Prozent gegenüber dem Volltarif. Kauft er Tickets für 600 Franken, spart er gut 35 Prozent. Noch grösser fallen die Rabatte beim heutigen Halbtax Plus aus.
Auch die Tage des enorm beliebten Halbtax Plus wären gezählt. Gestrichen werden sollen auch Mehrfahrtenkarten, 9-Uhr-Pässe und Sparbillette. Das wirft weitere Fragen auf: Die ÖV-Anbieter versuchen seit Jahren, einen Teil der Fahrgäste dazu zu motivieren, Verbindungen ausserhalb der Stosszeiten zu nutzen. Nun werden Angebote gestrichen, die diese Fahrgastlenkung zum Ziel hatten. Da das Tarifsystem digitalisiert wird, ist es nur schwierig vorstellbar, dass es künftig nicht auch in einem gewissen Grad dynamisiert wird. Dies würde wiederum Gewinner und Verlierer schaffen.
Analoge Fahrgäste als grosse Verlierer
Das ÖV-Tarifsystem wäre zudem vereinfacht, da es nur noch «My Ride», das Generalabonnement und regionale Abos gibt – und nicht mehr mehrere verschiedene Preissysteme parallel. Die Preistransparenz könnte darunter jedoch leiden.
Verlierer des Systemwechsels dürften zudem vor allem nicht digital-affine Menschen werden – also tendenziell ältere Fahrgäste: 75 Prozent kaufen ihre Tickets bereits digital, ein Viertel jedoch noch analog. Sind die «My Ride»-Rabatte nur digital verfügbar, wird dies den laufenden Wandel hin zu digitalen Ticketkäufen beschleunigen. Wer damit überfordert ist, dürfte künftig aber weder vom Halbtax noch vom neuen Rabattsystem profitieren.
Alliance Swisspass widerspricht, dass das Halbtax abgeschafft werde. In einer Stellungnahme schreibt sie von einer «verkürzten Darstellung» und weist auf eine Medienmitteilung vom letzten November hin. Es werde auch nach der Einführung eines neuen Preissystems ein Halbtax geben. Und weiter: «Die konkrete Ausgestaltung eines neuen Preissystems ist in Arbeit. Der Entscheid zur Einführung ist noch nicht gefällt.»