Der Countdown läuft. In wenigen Wochen wird die Novartis-Generikasparte Sandoz als eigenständiges Unternehmen an die Schweizer Börse gehen. Das ist eine gute Nachricht für den Standort Basel, der damit – fast drei Dekaden nach dem damals bahnbrechenden Zusammenschluss von Ciba-Geigy und der damaligen Sandoz zu Novartis – wieder drei Pharmafirmen hat: Roche, Novartis und Sandoz.

Die Unternehmen werden zusammen gegen 400 Milliarden Franken an Marktkapitalisierung auf die Waage bringen. Das ist fünfmal mehr als die UBS. Oder anderthalb mal so viel wie Nestlé. Nimmt man den Agrochemiekonzern Syngenta noch dazu, der ebenfalls aus einer Abspaltung von Novartis hervorging und der 2017 für die abenteuerliche Summe von 43 Milliarden Dollar an den chinesischen Staatskonzern Chemchina verkauft wurde, dann zeigt sich: Die Transformation und Ausdifferenzierung der einstigen Basler «Chemischen» zu einer Pharma- und Biotech-Industrie auf der einen und zu einer chemischen Industrie auf der anderen Seite hat in den vergangenen Jahren enorme volkswirtschaftliche Werte geschaffen. Der Life-Sciences-Standort Basel ist vielfältiger und dynamischer denn je. 

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Auch die Patientinnen und Patienten profitieren

Doch auch die Patienten und Patientinnen profitieren. Denn für sie gilt: Je mehr Anbieter in der Generikaindustrie und je stärker die einzelnen Player, desto effizienter sind die Märkte mit den nicht mehr patentgeschützten Medikamenten, desto grösser ist die Preiserosion der Medikamente nach dem Ablauf der Patente und desto mehr Patienten und Patientinnen erhalten Zugang zu Generika.

Oft richtet sich das Augenmerk ja auf die neuen Therapien und auf Verbesserungen, die sie bei der Behandlung gerade von schweren Krankheiten wie Krebs, Alzheimer, MS oder Erbkrankheiten bringen. Doch 80 Prozent des Arzneimittelbedarfs wird durch Generika abgedeckt. Schmerztabletten, Antibiotika, Cholesterinsenker, Protonenpumpenhemmer gegen Magengeschwüre, Chemotherapien, ja selbst aufwendig hergestellte Biologika: Die meisten Medikamente, die in Apotheke, Arztpraxen und Spitälern abgegeben und verschrieben werden, haben keinen Patentschutz mehr und können damit grundsätzlich von jedem hergestellt werden, der dazu in der Lage ist.

Eine gut funktionierende Generikaindustrie ist das Rückgrat einer guten Gesundheitsversorgung. Das gilt nicht nur bei uns, sondern vor allem auch in Entwicklungs- und Schwellenländern, deren Infrastruktur weniger gut ausstaffiert ist und für die günstige Generika buchstäblich überlebenswichtig sind. Dank Generika haben heute Hunderte Millionen Menschen Zugang zu Arzneimitteln, die sie sich als patentgeschützte Medikamente mit grosser Wahrscheinlichkeit nie hätten leisten können.

Im Generikageschäft stehen alle Ampeln auf Grün

Der Börsengang von Sandoz zeigt: Es gibt keinen Grund, den marktwirtschaftlichen Kräften im Generikageschäft nicht zu vertrauen. Wenn es Probleme bei der Versorgung gibt, dann hat sich das die Politik selbst zuzuschreiben. In der Pandemie waren es Politiker und Politikerinnen und nicht die Unternehmen, welche die Schotten für den Export von Medizinalgütern und lebenswichtigen Medikamenten dicht machten und damit dafür sorgten, dass sich die Krankenpflegerinnen in Bergamo mit Corona infizierten, während im Rest von Europa Schutzkleider und Masken gehortet wurden. Und die aktuellen Engpässe bei den Medikamenten sind auf eine zu rigorose Preispolitik der Gesundheitssysteme zurückzuführen, die zur Folge hat, dass sich die Produktion gewisser Medikamente schlicht nicht mehr rechnet.  

Generika sind ein funktionierendes Business mit besten Zukunftsaussichten. Eben erst hat sich der Industrie mit den Biosimilars, den Nachahmerprodukten von biologisch hergestellten Medikamenten, ein neues, höchst profitables Feld eröffnet. Der Kuchen, den es dabei zu verteilen gibt, ist riesig. In den nächsten Jahren werden Biologika mit Umsätzen von 400 Milliarden Dollar ihren Patentschutz verlieren. Zudem sprechen Megatrends wie die Alterung der Gesellschaften und der zunehmende Wohlstand in Entwicklungs- und Schwellenländern dafür, dass in diesem Geschäft alle Ampeln auf Grün stehen.

An der Politik ist es, dafür zu sorgen, dass die Unternehmen weiterhin freie Fahrt haben. Und dass Vorschläge nach einer Verstaatlichung von Sandoz, wie sie die SP fordert, möglichst schnell wieder vom Tisch kommen. Denn klar ist: Jede staatlich gesteuerte Privilegierung bestimmter Generikamärkte führt dazu, dass andere auf der Strecke bleiben. In diesem Fall wären es, so ist zu befürchten, ausgerechnet diejenigen, die das Unglück haben, in einem Gesundheitssystemen krank zu werden, das weniger privilegiert ist als unsere Systeme hier in Europa.