«Werden Sie Teil der Edelweiss Crew – ein familiäres Umfeld und gute Karrieremöglichkeiten erwarten Sie», lautet die Botschaft der Stellenanzeige, die der Ferienflieger Edelweiss Air auf seiner Webseite aufgeschaltet hat. Die Fluggesellschaft sucht nicht nur First Officer für Maschinen vom Typ A330/A340. Daneben sind weitere Stellenofferten für A320-Piloten sowie «Direct Entry Commander Airbus» platziert.

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Die Airline ist im Höhenflug, die Geschäfte laufen prächtig. Edelweiss wächst und wächst. Kein Wunder, dass dringend mehr Personal nötig ist, nicht nur im Cockpit, sondern auch in der Kabine und am Boden.

Doch ob es bei Edelweiss in diesen Zeiten tatsächlich «ein familiäres Umfeld» gibt, zweifeln die Piloten an. Mehr noch: Sie liegen mit Edelweiss-Chef Bernd Bauer im Clinch und haben den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) gekündigt. Am Freitag berichtete zudem der «Blick» über einen Facebook-Brief an Bauer unterzeichnet von Piloten, Kabinenbesatzung und Crewplaner bei Edelweiss. Sie erheben Vorwürfe nicht nur bezüglich der Arbeitsbedingungen, sondern auch beim Thema Sicherheit.

Edelweiss baut kräftig aus

Zum Eklat bei den Piloten sei es wegen «unüberbrückbarer Differenzen bei den Verhandlungen im Salärbereich» gekommen, teilt der Pilotenverband Aeropers mit. Es habe seit dem Jahr 2009 «nahezu keine Veränderungen im Salär der Piloten» gegeben. Derweil hätten die Piloten durch «jahrelanges, ausserordentlich hohes Engagement und unter Zurückstellung persönlicher und privater Bedürfnisse, das aktuelle Wachstum der Edelweiss erst ermöglicht», heisst es in einer Mitteilung.

Baut Edelweiss-Chef Bernd Bauer seine Airline kräftig aus – und das vor allem auf dem Rücken der Piloten? Oder jammern gut bezahlte Cockpit-Crews, weil sie mittlerweile mehr gefordert werden?

Edelweiss will sich zu Details nicht äussern und teilt lediglich mit: «Edelweiss nimmt diesen Schritt unseres Sozialpartners während den laufenden Gesprächen zu einem neuen Gesamtarbeitsvertrag zur Kenntnis und wird die Verhandlungen mit Aeropers konstruktiv weiterführen.»

Sicher ist: Edelweiss expandiert schon seit einiger Zeit. Fünf zusätzliche Flieger, 17 weitere Routen, mittlerweile sind es 68 Destinationen in 33 Ländern. Auch dank des Ausscheidens von Konkurrent Air Berlin konnte der Schweizer Ferienflieger seine Position am Flughafen Zürich deutlich festigen. Der Edelweiss-Umsatz kletterte vergangenes Jahr auf 537 Millionen Franken, 1,7 Millionen Passagiere wurden transportiert. Zahlen zum Gewinn gibt die Lufthansa-Tochter nicht bekannt.

«Edelweiss ist in den vergangenen 10 Jahren um 300 Prozent gewachsen», sagt Henning Hoffmann, Geschäftsführer von Aeropers, «doch das Salär der Piloten ist in diesem Zeitraum nur um rund 0,5 Prozent gestiegen». Der Pilotenverband vertritt die Interessen von Edelweiss- und Swiss-Piloten. Bei Edelweiss arbeiten 174 Piloten, insgesamt hat Edelweiss 800 Mitarbeiter.

Piloten fehlen

Hintergrund des Wachstums bei Edelweiss ist: In der Branche tobt die Konsolidierung. Wenn Anbieter wie Air Berlin verschwinden, springen andere sofort in die Bresche, sichern sich attraktive Start- und Landerechte und bauen ihr Netzwerk aus. So auch Edelweiss. Das geht natürlich nur mit mehr Fluggerät und mehr Piloten. Viele Airlines suchen dringend Piloten. Die lassen sich allerdings nicht mal eben neu ausbilden oder von anderen Fluggesellschaften im grossen Stil abwerben. Dieses Problem hat nicht nur Edelweiss. Lufhansa-Chef Carsten Spohr sagte Anfang Mai, dass der Konzern weniger wachsen könne, weil Flieger und Personal fehlen.

Aeropers-Geschäftsführer Hoffmann argumentiert, dass bei Edelweiss das Pilotenproblem so akut sei, weil die Planung in den vergangenen Jahren zu konservativ gewesen sei. «Die Ausbildung und Rekrutierung neuer Piloten kommt nicht schnell genug nach», sagt Hoffmann, «gleichzeitig erhöhte sich der Druck für die Piloten, die schon in der Firma an Bord sind.» Und: «Viele Edelweiss-Piloten fliegen am gesetzlichen Limit, das erhöht den Stress.»

Aeropers sei sich mit Edelweiss einig, dass sich die Planbarkeit des Soziallebens verbessern müsse. «Die Möglichkeit auch mal am Geburtstag der eigenen Kinder teilzunehmen, muss gegeben sein», so Hoffmann. Die Beeinflussbarkeit auf den Arbeitsplan durch den Mitarbeiter müsse erhöht werden. Piloten hätten anders als viele Angestellte eben keine Feiertage und auch am Wochenende nicht frei.

«An die schönsten Traumziele der Welt»

«Wenn wir sehen, dass mehrere Edelweiss-Piloten überlegen, zur Swiss zu gehen, dann ist das alarmierend für Edelweiss», sagt Hoffmann. Innerhalb des Lufhansa-Konzerns bieten Lufthansa und Swiss für Piloten immer noch die besten Arbeitsbedingungen. Der Edelweiss-GAV kann da nicht mithalten.

Immerhin: Wer bei Edelweiss arbeitet, ist auf attraktiven Ferienrouten unterwegs: «Als führende Ferienfluggesellschaft der Schweiz fliegen wir unsere Gäste an die schönsten Traumziele der Welt», wirbt die Airline auf ihrer Webseite. «Doch dass Piloten an den Destinationen viel Freizeit haben, stimmt schon lange nicht mehr», sagt Hoffmann. «Auch bei der Edelweiss haben sich die Zeiten geändert. Man fliegt als Pilot nicht mit in die Ferien, man arbeitet.»

Und nun? Machen es die Edelweiss-Piloten wie in den vergangenen Jahren ihre Kollegen bei Lufthansa und streiken, wenn sie ihre Salär-Wünsche nicht erfüllt sehen? Kaum. Dass diesen Sommer Edelweiss-Flieger am Boden bleiben könnten, weil sich der Unmut der Piloten erhöht, ist nicht zu befürchten. Denn auf solche Eskalationen haben weder das Edelweiss-Management noch die Piloten wirklich Lust. Ausserdem läuft der GAV bei Edelweiss noch bis zum Frühjar 2019.

Bis dahin wird sich Edelweiss-Chef Bauer allerdings wohl noch einige Male mit seinen Mitarbeitern zusammen setzen müssen.

Tim Höfinghoff
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