Den obersten Chef, Bundesrat Didier Burkhalter, hat Alexsander Meier noch nie zu Gesicht bekommen, seit er im Februar 2013 als Praktikant im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) eingestiegen ist. Aber das mindert seine Begeisterung nicht. «Das EDA bietet mir ein riesiges Themenspektrum.

Es steht für Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit. Das ist mir wichtig», sagt der 28-jährige Wirtschaftswissenschaftler aus Freiburg, der Anfang Jahr sein Studium an der Uni Montreal mit einer Masterarbeit über politische Korruption abschloss. «In der Privatwirtschaft regiert vor allem das Profitdenken. Deshalb fühle ich mich beim Bund wohler», so Meier. 

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Auch Sandra Hanslin macht es stolz, einer höheren Sache zu dienen. Die promovierte Volkswirtschaftlerin arbeitet seit gut einem Jahr fest bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB), analysiert dort den Aussenhandel und erstellt Prognosen für die Schweizer Wirtschaft. «Es gab für mich nicht viele Alternativen zur SNB. Ihre Rolle als Stabilisator unserer Wirtschaft und damit der Gesellschaft fasziniert mich, und ich bin gerne Teil davon», so Hanslin.

Festanstellungen bei SNB beschränkt

Wenn die 32-Jährige im privaten Kreis von ihrem Arbeitgeber erzählt, ist das Interesse gross: «Die Wahrnehmung der SNB ist seit der Währungskrise spürbar gestiegen.» Dass die SNB an Attraktivität und Aufmerksamkeit gewonnen hat, zeigt auch das diesjährige Ranking von Universum, der Organisation, die jedes Jahr Tausende Studierende zu ihren präferierten Arbeitgebern befragt. Die SNB, die einst als verstaubt galt, hat es 2013 erstmals in die Top Ten der beliebtesten Arbeitgeber bei den Wirtschaftsstudenten geschafft.

Carmen Signer, bei der SNB für die Rekrutierung von Praktikanten und das HR-Marketing verantwortlich, freut es: «Offenbar ist es uns gelungen, unser Image zu korrigieren. Wir spüren auch an den Hochschulmessen, dass unsere Attraktivität gestiegen ist, vor allem seit der Währungskrise.» Und dies, obwohl die Zahl der Jobs, die zu vergeben sind, beschränkt ist. Die 50 Praktikumsplätze sind immer rasch weg. Festanstellungen erfolgen bei den Ökonomen überwiegend mit Doktorat im Sack; die Karrierewege sind aufgrund der Struktur der SNB beschränkt. 

Etwas für die Allgemeinheit tun, ethischen Prinzipien nachleben, Stabilität und Gemeinschaftssinn: Was einst als unsexy und langweilig galt, ist wieder hip. Die Universum-Umfrage zeigt es: Staats- und staatsnahe Betriebe sowie Genossenschaften sind in der Gunst der Wirtschaftswissenschaftler gestiegen. Die SBB machten sieben Ränge gut, die Bundesverwaltung zwei, die Migros fünf. Auch PostFinance und die Raiffeisenbank legten zu (siehe Grafik «Im Aufwind» unter 'Downloads').

SBB geben Gas

Yves Schneuwly, Chef von Universum Schweiz, weiss, dass die jungen Talente die Sinnfrage vermehrt in den Vordergrund stellen. Er nennt aber auch handfeste Gründe, warum öffentliche Institutionen und Genossenschaften wieder mehr punkten: «Das Thema Arbeitsplatzsicherheit hat an Bedeutung gewonnen» (siehe Interview). Aber auch Ausgeglichenheit im Privat- und Berufsleben ist den Studierenden zunehmend wichtig. Im Vergleich zum Durchschnitt aller Arbeitgeber bieten die entsprechenden Betriebe eine deutlich bessere Work-Life-Balance. Ob es nun um die Kontrolle über die Anzahl Arbeitsstunden geht, um flexible Arbeitsbedingungen oder Respekt für die Mitarbeitenden: Die Werte von SBB, Bundesverwaltung, Migros etc. sind allesamt überdurchschnittlich. 

Allerdings: Ein Hort der Gemütlichkeit sind die Betriebe schon lange nicht mehr. «Einmal beim Bund, immer beim Bund – diese Sicherheit gibt es nicht», bestätigt Sabina Marra, stellvertretende Leiterin Personalmarketing und Diversity beim Eidgenössischen Personalamt. Die Leistungsanforderungen sind hoch, und die Pace zeigt weiter nach oben. Manchmal werde das von den Studierenden unterschätzt, meint Universum-Mann Schneuwly. «Ein Trainee-Programm bei uns dauert 18 Monate und verlangt Leistungsbereitschaft und Engagement», sagt der Trainee-Programm-Verantwortliche bei den SBB, Christian Morell. 

Vor drei Jahren wurde das Modell konzernweit implementiert, man fing mit fünf Plätzen an. Heute rekrutieren die SBB 24 Trainees pro Jahr – 300 Bewerbungen gehen im Schnitt ein. 80 Prozent der Trainees werden danach fest angestellt; eine hohe Umwandlungsquote – und eine klare Strategie im Sinne der Talentsicherung. «Wir haben das Hochschulmarketing bewusst ausgebaut», so Morell. Dabei musste man auch gegen Klischees ankämpfen, etwa die Vorstellung, dass sich bei den SBB alles ums Zugfahren drehe. Dabei sind die SBB auch ein grosser Player im Immobilienmanagement, in der Bereitstellung der gesamten Infrastruktur oder in der IT. Dass der Humanfaktor hohe Priorität hat, zeigt sich auch im Organigramm: HR-Leiter Markus Jordi ist Mitglied der Konzernleitung – keineswegs die übliche Praxis. 

Migros ein Exot

Genau das hat Christa Burkhard überzeugt. Die BWL-Absolventin stieg vor gut einem Jahr via Praktikum bei den SBB in der Personalentwicklung ein und ist heute im Team «Innovation» angesiedelt, das sich unter anderem um den internen Wissenstransfer kümmert. «Die Human Resources sind bei den SBB integraler Bestandteil der Konzernstrategie und haben entsprechenden Einfluss. Hier kann man etwas bewegen. Das finde ich super», so die 28-jährige Master-Absolventin. 

Handlungsfreiheit schon als junger Berufseinsteiger – auch Nils Wohlwend schätzt das. Nach seinem Studium an der Universität St. Gallen (HSG) ergatterte er sich einen Trainee-Platz in der Migros-Industrie. Er erinnert sich noch gut an ein Schlüsselerlebnis: «An einer Sitzung diskutierten wir über ein Jubiläum der Getränkemarke Aproz. Als ich es wagte, dem Chef zu sagen, dass ich noch ein paar bessere Ideen hätte als die vorhandenen, um den Anlass zu vermarkten, übertrug er mir kurzerhand die Verantwortung für das Projekt. Das beeindruckte mich sehr», erzählt Wohlwend, der seit Ende 2011 fest bei der Migros-Tochter Mibelle angestellt ist und dort als Product Manager verantwortlich zeichnet. 

In der Elite-Truppe der HSGler ist er mit der Arbeitgeberin Migros eher ein Exot. McKinsey, Ernst & Young, UBS – das sind die Adressen, zu denen es St. Galler Studierende in der Regel hinzieht und die ein pralles Bankkonto versprechen. Wohlwend ist es egal. «Die sozialen Werte der Migros entsprechen meiner Einstellung. Ein hoher Lohn stand nie im Zentrum.» 

Malus für Banken 

An den Spitzenplätzen im jährlichen Universum-Ranking hat sich heuer wenig verändert. Platz eins und zwei der beliebtesten Konzerne belegen auch dieses Jahr wieder Nestlé und Google, gefolgt von den Grossbanken und Ernst & Young. Die Nationalbank auf Platz zehn reiht sich als erstes staatliches Unternehmen noch vor so klingenden Namen wie LVMH (ebenfalls ein Aufsteiger) oder dem Konsumgüterriesen Procter & Gamble ein. Erstmals aber bilden die Banken nicht mehr die beliebteste Branche – auch das ein Novum. 

Klar ist: Wer die besten Talente gewinnen will, muss sich heute deutlich mehr ins Schaufenster stellen als früher. Denn die Anforderungen der jungen Generation Y, die derzeit aus den Universitäten strömt, sind hoch. Wenn die Aufgaben nicht spannend genug sind, ziehen die Besten ein Haus weiter. Deshalb sah sich auch der Bund gezwungen, seine Anstrengungen zu intensivieren. «Wir haben das Marketing an den Hochschulen stark ausgebaut», sagt Sabina Marra. Absolvierte man früher 15 Messeauftritte pro Jahr, um an die Studierenden heranzukommen, so sind es heute 50. Derzeit arbeitet man an einem Facebook-Auftritt, um die Kommunikation mit der künftigen Workforce zu intensivieren. 

Bis zu 500 Praktikumsplätze für Hochschüler vergibt die Bundesverwaltung pro Jahr. Einstiegslohn mit Masterabschluss: 4100 Franken. Auch da wurde investiert: Die Zahl der Praktikumsplätze lag bis vor kurzem noch bei 300. Jährlich werden 1500 bis 2000 Hochschulabsolventen rekrutiert. Sabina Marra ist überzeugt, dass man damit gut im Markt liege: «Wir bieten eine Jobvielfalt, wie es sie in der Privatwirtschaft nicht gibt.» Dazu kommen attraktive Goodies wie Jahresarbeitszeitmodelle, ein Gratis-Halbtaxabo, finanzielle Beteiligung von 50 bis 100 Prozent an den Kinderbetreuungskosten etc. Doch lässig zurücklehnen kann sich die Personalfachfrau nicht: «Das Schwierigste mit der Generation Y ist, sie zu halten.»