Die EU und China steuern auf einen Grosskonflikt zu, der auch die deutsche Industrie alarmiert: Ende des Jahres läuft die 15-Jahres-First aus, die bei Chinas WTO-Beitritt 2001 gesetzt wurde: Die Führung in Peking erwartet, dass die EU dem Land danach automatisch den Status als Marktwirtschaft einräumt, was erhebliche Auswirkungen etwa auf Antidumping-Verfahren hätte.

In der EU ist aber eine Debatte entfacht, ob China diesen Status wirklich verdient hat. Denn gerade in den vergangenen Monaten häufen sich die Klagen, dass Chinas Unternehmen mit einer massiven Überproduktion etwa von Stahl, Papier, Aluminium und auch auf dem Chemiesektor die Weltmärkte überschwemmen und mit Dumping-Preise ausländische Konkurrenten aus dem Markt drängen. Sehr oft stecken dahinter auch noch staatliche Betriebe und staatliche Finanzierungen.

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Entschiedene Gegner

Die Diskussion über den Status einer Marktwirtschaft verhärtet sich deshalb. Eigentlich hatte Chinas Regierung massive Lobbyarbeit betrieben, um den Status schon vor 2016 zu erhalten - doch nur bei Australien und einigen wenigen anderen Ländern ist dies gelungen. Als sich der konservative britische Premierminister David Cameron im vergangenen Jahr optimistisch äusserte, wurde ihm von den EU-Partnern hinter den Kulissen sofort vorgeworfen, er biedere sich an. Cameron ruderte zurück.

Länder wie Frankreich und Italien sind ohnehin entschiedene Gegner. Und die Stimmung kippt seit einigen Monaten gegen China. «Die Verleihung ist also anders als von den Chinesen behauptet kein Selbstläufer», stellt der Chef des China-Forschungsinstituts Merics in Berlin, Sebastian Heilmann, fest.

Anti-Dumping-Verfahren werden schwieriger

Der Grund: Mit dem Marktwirtschaftstatus werde das Schwert des Anti-Dumping-Verfahren viel stumpfer, heisst es auch in der deutschen Bundesregierung. Denn dann wäre die Beweisführung für die Kläger sehr viel schwieriger. Also müsse man zumindest prüfen, wie sich die EU künftig gegen unfaire chinesischen Praktiken werden könne. Die EU-Kommission wird nach Angaben der Bundesregierung nun wahrscheinlich Ende August oder Anfang September einen Vorschlag vorlegen - und danach wird die Debatte voll entbrennen.

In einer Umfrage der Europäischen Handelskammer in China äusserten sich fast zwei Drittel der befragten europäischen Firmen kritisch über die Lage in China. Der neuen politischen Führung unter Präsident Xi Jingping wird ein immer restriktiverer Kurs nicht nur in der Innen-, sondern auch der Wirtschaftspolitik vorgeworfen. Ausländische Firmen würden nur in den Sektoren gut behandelt werden, in denen Chinas Führung sie noch brauche, sagt Merics-Chef Heilmann.

Starke Restriktionen für ausländische Investitionen

Während chinesische Firmen in Europa verstärkt auf Einkaufstour gehen, gibt es in China ohnehin selbst immer noch einen Joint-Venture-Zwang und in einigen Bereichen wie Handel und Banken starke Restriktionen für ausländische Investitionen. «Die sektorale Beschränkung für Auslandsinvestitionen und die Negativliste für Übernahmen in China lehnen wir ab», sagte der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Hubert Lienhard, im Reuters-Interview.

Gleichzeitig lehnt es der Chef des Technologiekonzerns Voith aber auch ab, dass Deutschland im Gegenzug Hürden gegen chinesische Übernahmen von Firmen wie etwa den Roboterbauer Kuka aufbaut. Eines der stärksten Argumente bei der Forderung nach freiem Zugang zum chinesischen Markt sei der Verweis auf die liberale Lage in Deutschland und die Möglichkeit zu Firmenübernahmen. «Chinesische Firmen können hier wie deutsche agieren, im Rahmen der Gesetze», betonte Lienhard.

Staatsbetriebe spielen wichtige Rolle

Allerdings verläuft die Diskussion über den Marktwirtschaftsstatus anders - und weniger fallbezogen. Denn nach wie vor spielen Staatsbetriebe in China eine sehr wichtige Rolle - auch beim Aufkauf ausländischer Firmen. Zugleich werden chinesische Firmen mit staatlicher Finanzierung dazu gebracht, strategische Vorgaben der kommunistischen Führung in Peking umzusetzen. Deshalb ist auch das Misstrauen gross, ob die Überkapazitäten nicht vielleicht politisch gewollt sind, um etwa ausländische Stahlproduzenten aus dem Markt zu drängen.

«Es kann keinen Marktwirtschaftsstatus für China geben, wenn sich China nicht an die Regeln der Marktwirtschaft hält», warnteder deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) deshalb vor kurzem. «Wir brauchen Fortschritte beim Abbau der Überkapazitäten», hiess es auch am Freitag in Regierungskreisen. «Wir wollen eine faire Lösung.» Auch das Europäische Parlament hat mittlerweile eine entsprechende Resolution beschlossen.

Gemeinsame Linie im Umgang mit China

Angesichts der grossen Auswirkungen eines EU-China-Streits über den Marktwirtschaftsstatus wäre eine enge Absprache mit den sehr viel härter auftretenden USA naheliegend - zumal die G7-Staaten auf dem Gipfel in Japan gerade eine gemeinsame Linie im Umgang mit China und auch den Überproduktionen im Stahlbereich vereinbart hatten. Aber nach Ansicht von Mikko Huotari, Wirtschafts-Experte von Merics, ist dies alles andere als einfach. Denn die Amerikaner hätten einen anderen rechtlichen Ansatz und gingen immer nur fallbezogen vor.

In Washington gibt es ohnehin wenig Neigung, dem kommunistischen Regime den Status als Marktwirtschaft zuzubilligen. Lieber nehme man eine Klage der Chinesen vor der WTO in Kauf - die dann ohnehin erst einmal einen jahrelangen Prozess auslösen werde, heißt es auch unter EU-Diplomaten.

(reuters/ccr)