Der beispiellose Preisverfall beim Öl stellt die Entwicklung Hunderter Öl- und Gasfelder rund um die Welt in Frage. Projekte im Wert von mehr als 150 Milliarden Dollar könnten 2014 gestoppt werden, wie aus Daten der norwegischen Beraterfirma Rystad Energy hervorgeht. Denn er niedrige Ölpreis macht viele Vorhaben unrentabel.

Die Opec unternahm auf ihrem jüngsten Treffen nichts gegen den Kollaps des Ölpreises – im Gegenteil. Die Entscheidung des Ölkartells, ihre Fördermenge nicht zu drosseln, liess die Kosten für ein Fass weiter abrutschen. Branchenkenner vermuteten, dass es vor allem die Opec-Macht Saudi-Arabien darauf abgesehen, in erster Linie neue Förderprojekte in den USA unrentabel zu machen. Die Scheichs wollen dadurch längerfristig Marktanteile gewinnen.

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Hohe Kosten für Förderprojekte

Die Lage verschärft sich zusätzlich, dass die Erkundung und Entwicklung neuer Felder immer teurer wird. Grund dafür ist unter anderem, dass die neu entdeckten Vorkommen oft nur mit teurer Technologie zu erreichen sind. Eine Absage an Förderprojekte auf breiter Linie im kommenden Jahr drohe aber die Ölförderung in einigen Jahren zu verringern, warnen die Berater.

Laut Rystad Energy stehen 2014 die endgültigen Entscheidungen über 800 Öl- und Gasprojekte im Volumen von 500 Milliarden Dollar an. Bei einem von Analysten prognostizierten Durchschnittspreis für ein Fass Rohöl von 82.50 Dollar im kommenden Jahr könnte die Genehmigung für ein Drittel der Ausgaben ausbleiben.

US-Schieferöl-Industrie verschlingt Unsummen Geld

Das billige Öl gefährdet nicht zuletzt den Schieferöl-Boom in den USA. Die neue und umstrittene Fördermethode Fracking beschert den USA derzeit glänzende Zeiten in der Ölindustrie und beflügelte jüngst die lokale Wirtschaft. Doch Fracking ist sehr teuer und lohnt sich nur, wenn Öl einen gewissen Preis hat. Experten gehen davon aus, dass bereits ein Ölpreis unter 80 Dollar viele neue Produktionen in den USA unprofitabel machen würde. Der Ölpreis ist seit Sommer um rund 40 Prozent auf unter 70 Dollar je Fass gesunken.

Zudem versiegt beim Fracking das Ölvorkommen schnell. Im Gegensatz zu konventionellen Bohrungen geht die Produktion schon nach einem Jahr um bis zu 50 Prozent zurück. Die Ölförderer müssen daher laufend neue Quellen anzapfen, um das Produktionsvolumen aufrechtzuhalten. Das verschlingt Unsummen von Geld. Kein Wunder, dass die norwegische Studie auf fraglich gewordene Förderprojekte in verschiedenen Regionen verweist, von denen viele mit Fracking ausgebeutet werden sollen.

Konzerne schrauben zurück

Schon jetzt reagieren die ersten Ölriesen auf den Preisverfall. So hat der drittgrösste US-Ölkonzern Conoco Phillips kürzlich verkündet, seine Investitionen in die Erschliessung neuer Vorkommen zu drosseln. Auch der grösste Ölproduzent in North Dakota, Continental Resources, will momentan kein Geld mehr in neue Bohrtürme stecken. Ein baldiger Rückgang der Produktion in den USA dürfte sich damit abzeichnen.

Für die Förderindustrie ist das Billig-Öl ein Fluch – für die Konsumenten aber ein Segen. Wegen den tiefen Preisen sind das Heizöl und auch die Spritpreise so billig wie schon lange nicht mehr. Die Konsumenten haben dadurch mehr Geld für andere Güter zur Verfügung. Das beflügelt den Konsum.

Mehr Vorteile als Nachteile

Das ist vor allem für das Fracking-Land USA wichtig. Der Konsum macht über zwei Drittel der Wirtschaftsleitung aus. Die Investitionsausgaben in der lokalen Ölindustrie machen hingegen lediglich 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts der USA aus. Das seien weniger als 9 Prozent der gesamten Investitionen, schreibt der «Business Insider».

Der durch die tiefen Energiepreise bedingte Vorteil für die Konsumenten und viele Konzerne jenseits der Ölbranche überwiegt daher um ein Vielfaches den Schaden, den die US-Ölkonzerne derzeit erleiden. Unter dem Strich hat das billige Öl also für die US-Wirtschaft derzeit noch mehr Vorteile als Nachteile.

Wie ein Kartenhaus zusammenfallen

Das könnte sich aber auch ändern. Das Zusammenspiel von sinkendem Ölpreis und steigenden Finanzierungskosten für die Förderkonzerne könnte den aktuellen Ölboom in den USA wie ein Kartenhaus zusammenfallen lassen. Dann kämen nicht nur die Ölkonzerne unter die Räder, sondern auch die Banken, die Millionen in die US-Ölindustrie gesteckt haben.

(mit Material von awp/sda/reuters)