Andreas Meyer, der nun seinen Rücktritt als SBB-Chef angekündigt hat, hinterlässt eine durchzogene Bilanz. Sein Führungsstil war berüchtigt, die Löhne in der SBB-Chefetage hoch, und zuletzt mehrten sich Meldungen über Pannen und Sicherheitsprobleme. Viele dürften aufgeatmet haben, als sie vom Ende der Aera Meyer vernahmen. 

Pendler können es bestätigen: Zwar jammern wir in den Schweizer Zügen auf hohem Niveau, doch das Unternehmen Bahn stösst wirklich an Grenzen. Es ist abhängig von ausländischem Rollmaterial, hat Mühe, den Fahrplan einzuhalten und leidet unter übervollen Zügen. 

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Zum Teil muss sich Andreas Meyer das anlasten lassen. Als SBB-Chef seit mittlerweile zwölf Jahren verantwortet er alle wichtigen Entscheide. Dazu gehört auch das Debakel um die Beschaffung der Doppelstockzüge.

Ersatzkompositionen von anno 1956

Anderes dagegen liegt nicht in seiner Hand. Braucht es neue Bahntrassen zwischen den grossen Städten, um die steigende Nachfrage zu decken? Wie viel Güterverkehr verträgt das Bahnsystem? Und wo sind die Grenzen des Taktfahrplans? 

Die Bahn leidet unter wenigen Spitzen am Tag. Wenn Pendler auf Ausflügler treffen, sind die Züge randvoll. Wenn auch noch veraltetes Rollmaterial ausfällt und durch «Ersatzkompositionen» aus der Nachkriegszeit abgelöst wird, kocht die Volksseele. 

Populisten im Bundeshaus

Doch diese Spitzen sind kurz. Meist schon reicht es, sich einen Zug früher oder später auf den Weg zu machen, und man hat ein Viererabteil für sich. Und zu Randzeiten fahren Züge halbleer durch die Schweiz

Meyer kann für sich verbuchen, dass er versucht hat, die Passagiere von den Spitzen wegleiten zu wollen. Über flexiblere Preise wollte er die Stosszeiten unattraktiv machen. Und Rabatte sollten Randzeiten aufwerten. Doch damit stiess er an den Widerwillen der Populisten im Bundeshaus. Preise wie bei den Airlines will dort niemand.

Läppli lebt

Vielleicht ist es auch gar nicht an der SBB, das Problem mit den Spitzen zu lösen. Sondern an uns. Denn die Pendlerströme werden gesellschaftlich diktiert. Warum arbeiten wir noch immer wie zu Fabrikzeiten? «Si kemme am Säggsi und geen am zwai», hiess es 1961 – Meyers Geburtsjahr – im Film «Demokrat Läppli».

Bei den Arbeitern in den Bürofabriken von heute sind die Zeiten zwar anders. Aber noch immer sind alle gleichzeitig unterwegs.

Wie sollten sie auch anders? In vielen Firmen herrscht Präsentismus, weil Vorgesetzte nicht mit Home Office umgehen können. Sitzungen werden um acht Uhr morgens oder nach 17 Uhr angesetzt. Und auch die Schulen haben noch nicht bemerkt, dass Lektionen früh Morgens nicht viel bringen. 

Würden wir uns endlich von diesen starren Mustern lösen, wären auch viele Probleme der SBB gelöst. Der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Meyer wird auch so noch genug zu tun haben. 

Aus aktuellem Anlass hier auch die Stimme eines Pendlers:

Michael Heim Handelszeitung
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