Am Strommarkt hat die Überschusszeit begonnen. Seit Wochen exportiert die Schweiz grosse Mengen, selbst bei derzeit stark reduzierter AKW-Produktion. Nicht zuletzt die deutlich gewachsene Solarstromproduktion führt zu einem Überangebot an Schweizer Energie. Und doch debattiert man im Land weiterhin leidenschaftlich darüber, ob uns Mangellagen drohen und ob das geltende Verbot für neue Atomkraftwerke noch zeitgemäss ist. Denn im Sommer mag die Schweiz ja schon bald auch ohne eigenen Atomstrom auskommen. Im Winter dagegen müssten ohne Leibstadt und Gösgen grosse Mengen importiert werden. Noch grössere als heute schon. Die Diskussion darüber, wie das Problem gelöst werden kann, ist daher berechtigt.
AKW sind im Winter zuverlässige Stromlieferanten, wenn die Flüsse nicht mehr so viel Wasser durch die Kraftwerke schicken und wenn die flach vom Himmel scheinende Sonne kaum Solarstrom produziert. Und doch können Ersatz- oder gar neue AKW nur bedingt das Problem des Winterstroms lösen. Denn auch für den Atomstrom gilt: im Winter viel wert, im Sommer aber bald überflüssig. Und überflüssig bedeutet am Strommarkt, dass Produzenten Geld bezahlen müssen, um den Strom überhaupt loszuwerden.
Über zwei Themen müsste daher mindestens so leidenschaftlich diskutiert werden: Wind und Speicher. Windkraftwerke wären die perfekte Lösung für das Winterproblem, das hielt Energieminister Albert Rösti erst vor kurzem wieder an einem Medienanlass fest. Denn sie produzieren im Winter mehr Strom als im Sommer und tagsüber vor allem zu den Randstunden, wenn die Photovoltaik nur mit halber Kraft liefert. Doch auch Rösti weiss: Obwohl Wind in der Energiestrategie des Bundes vorgesehen ist, läuft gar nichts. Einsprachen blockieren die wenigen Projekte, neue werden deshalb gar nicht aufgegleist.
Und so wäre es an der Zeit, die Schweizer Energiepolitik stärker auf einen zweiten Punkt auszurichten: saisonale Speicherung. Wie kriegt man das Überangebot des Sommers in den Winter? Bereits heute ist die Schweiz besser aufgestellt als die meisten anderen Länder: Unsere Stauseen sind nichts anderes als grosse saisonale Speicher. Und je mehr Strom im Frühling, Sommer und Herbst produziert wird, desto weiter in den Winter lässt sich dieser Wasserstrom verschieben. Die Stauseen werden schon heute zunehmend nur noch in den dunkelsten Monaten angezapft.
Weil es aber nur bedingt Möglichkeiten gibt, Stauseen auszubauen oder neue zu errichten – im Detail lassen sich die Diskussionen gerade am Zermatter Gornerli mitverfolgen –, wäre es dringend nötig, auch andere Speichertechnologien anzuschauen: Mit Überschussstrom hergestellter Wasserstoff oder grosse Wärmespeicher könnten helfen, Energie für den Winter zu verwahren. Das sind nur zwei Beispiele, bestimmt gibt es noch viele andere Ideen. Klar ist nur: Das Wind-Ziel in der Schweizer Energiepolitik wird zum Luftschloss, wenn sich an der Einstellung zu Windrädern nichts ändert. Viel sinnvoller wäre es, dem Thema Saisonspeicher auch auf Ebene der Bundespolitik mehr Gewicht zu geben.