Glück und Wetterprognosen sind kein festes Fundament für Sicherheit. Dennoch lassen sich aktuell viele dazu verleiten, auf den Erfahrungen des vergangenen Winters aufzubauen. Aber eine Versorgungssicherheit, die von der Wetterentwicklung abhängt, ist keine.

Der Verlust von Sicherheit ist der Beginn der Krise. Und die Krise ist bereits da. Das zu akzeptieren, ist unbequem. Denn eine Krise bringt immer mehr Verlierer als Gewinner. Das ist der Charakter einer Krise. Und sie geht auch nicht einfach weg. Zu akzeptieren, dass die Krise da ist, ist notwendig. Denn eine Krise verlangt nach passenden Massnahmen.

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Noch immer glauben viele, die Krise lasse sich noch verhindern. Sie lassen sich zum Gedanken verleiten, «Energiestrategie 2050» bedeute, dass die Krise in 27 Jahren eintritt. Sie sind in einer Zeit hängen geblieben, in der wir gefühlt einen gesetzmässigen Anspruch auf Versorgungssicherheit und günstige Energiepreise hatten – und das jederzeit.

Thomas Fischer

Thomas Fischer ist seit 2013 CEO des Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen. Zuvor war er als Geschäftsführer im Medizinproduktbereich tätig. Er verfügt über langjährige Erfahrung als Verwaltungsrat und Vorstand im Branchenverband Regiogrid sowie bei der Industrievereinigung Schaffhausen.

Den Anstieg der Energiepreise haben Menschen und Unternehmen bereits zu spüren bekommen. Der Markt sucht zurzeit sein neues Niveau. Hohe Strompreise in den kommenden Jahren sind sehr wahrscheinlich. Denn neben den Produktions- werden auch die Netzkosten die Tarife belasten.

Ein Blick auf die Investitionen im vergangenen Jahr zeigt einen Rückstau bei den Netzertüchtigungen im ganzen Land. Die Elektrizitätsstatistik weist für 2021 gar eine niedrigere Investitionssumme auf als in den Vorjahren. Die notwendigen Ertüchtigungsmassnahmen für eine erfolgreiche Energiewende – die hinzukommenden Produzenten erneuerbarer Energie müssen an die Netze angeschlossen werden – fallen zusätzlich an. Zudem sind die Preise für Netzkomponenten in den vergangenen Jahren um bis zu 50 Prozent gestiegen. Diese notwendigen Investitionen werden sich auf die Tarife auswirken.

Die Krise ist da. Wenn wir versuchen, sie bürokratisch zu disziplinieren, werden wir nicht erfolgreich sein. Die Zeit spielt eine grosse Rolle. Wir müssen jetzt das machen, was uns in den nächsten fünf Jahren weiterbringt. Dazu braucht es eine Energieeignerstrategie für das ganze Land. Diese muss festhalten, was die Schweiz braucht, damit es die Menschen hell und warm haben und einer Arbeit nachgehen können. Und natürlich muss die Strategie den Klimawandel berücksichtigen. Für die Versorgungssicherheit der nächsten Jahre braucht die Schweiz leider Gaskraftwerke im Band. Das ist klimapolitisch alles andere als schlau und eigentlich nicht wünschenswert. Kurzfristig fehlen aber Alternativen. Das Einsparpotenzial unserer Gesellschaft ist zu klein.

Eine Strommangellage ist kein Schweizer Problem für sich. Wenn Strom fehlt, wird er in ganz Europa fehlen.

Darauf zu vertrauen, Strom im Notfall importieren zu können, ist auch keine Lösung. Denn eine Strommangellage ist kein Schweizer Problem für sich. Wenn Strom fehlt, wird er in ganz Europa fehlen. Auch alternative Energiequellen können die Krise noch nicht lösen. Es wurde verpasst, in der Vergangenheit genügend aufzubauen. 2022 haben neue erneuerbare Energiequellen 7,7 Prozent zur Stromproduktion beigetragen, die Kernkraftwerke 36,4 Prozent.

Wir brauchen heute die Versorgungssicherheit, auch um die notwendigen Diskussionen für die Energiegewinnung der Zukunft führen und entscheiden zu können. Nachhaltige Energiequellen sind nicht von heute auf morgen gebaut – aber sie müssen heute bewilligt werden, damit sie morgen verfügbar sind.

Natürlich müssen Bewilligungsverfahren beschleunigt werden – auch in meinem Einzugsgebiet steckt der Bau eines Windparks seit mehr als einem Jahrzehnt im Vorprojekt fest. Mit der aktuellen Entwicklung ist bis 2050 unklar, woher die Hälfte des dann benötigten Stroms kommen soll. Wärmepumpen und Elektromobilität stärken den Verbrauch, während Investitionen in neue Wasserkraft und erneuerbare Energien noch gering sind und die Laufzeit der Kernkraftwerke sich dem Ende zuneigt. Welche Rolle die Kernkraft einnehmen wird, ist eine politische Diskussion.

Auch diese Fragen gilt es zu klären, damit die Reservekraftwerke eine Zwischenlösung bleiben. Aber die aktuellen Bedürfnisse unserer Gesellschaft und Wirtschaft verlangen, dass wir uns heute nicht hinter diesen Grundsatzfragen verstecken. Die Krise in der Versorgungssicherheit ist da. Wir müssen uns ihr entgegenstellen. Und dazu braucht es leider auch Gaskraftwerke, da diese am schnellsten realisiert werden können.