Zu gross, zu mächtig, zu einverleibend, zu selbstbezogen und lange Zeit zu erfolgsverwöhnt – in gut schweizerischer Selbstkritik kann man dem orangen Riesen viele Dinge vorwerfen. Aber ein lahmer Riese – das ist die Migros nicht. Oder nicht mehr.

Verkauf von Firmenteilen, Stellenabbau, Verschlankung: Seit einem Jahr sendet die Migros in hoher Kadenz Botschaften, die vom grössten Umbau der letzten 25 Jahre künden. Und vom grössten Jobabbau ihrer bald 100-jährigen Geschichte. Zuletzt wieder diese Woche, als es um den Start der neuen Supermarkt AG ging, mit der sich die zehn Genossenschaften zentraler aufstellen wollen. Die Ankündigung erfolgte in mittlerweile bekannter Härte. Wo andere Organisation sich für einen spannenden Projektstart zu Cüpli und Chäschüechli treffen, radiert die Migros gleich zu Beginn 150 Stellen in der neuen Supermarkt-Organisation aus. Hat da jemand «Operation Blutorange» gesagt?

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Migros muss lernen, den internen Zehnkampf zu zähmen

Während sich die Konkurrenz darin übt, im täglichen Business immer besser und effizienter zu werden, muss sich die Migros zunächst einmal mit internen Projektteams und externen Beratern sortieren. Aldi, Coop, Denner und Lidl beschäftigen sich mit den Kundinnen und Kunden, die Migros beschäftigt sich mit sich selber. Das könnte man kritisieren – mit der Begründung: Es kann doch nicht so schwierig sein, das Supermarkt-Kerngeschäft, das man  seit 1925 pflegt, besser in den Griff zu bekommen. Doch im Fall der Migros ist es leider so. Alle zehn Genossenschaften zu einer einzigen Kraft zusammenzulegen, ist unrealistisch. Da ist es wohl wirklich die beste Alternative, wenn man versucht, den internen Zehnkampf zu zähmen und im Hintergrund zentrale Funktionen aufzubauen.

Hat das neue Konstrukt eine Chance? Wenn die neun Chefs und die eine Chefin der zehn Genossenschaften ihre eigenen Interessen einem höheren Ziel unterordnen – dann schon. Genau das ist der Knackpunkt der ganzen Geschichte: dass die Fürstin und die Fürsten im Migros-Land draussen mehr zentrale Führung zulassen und vor Ort umsetzen. So unrealistisch scheint das nicht. Immerhin steht bei der Supermarkt AG mit Peter Diethelm einer an der Spitze, der früher als Chef der Genossenschaft Ostschweiz selbst die Zürcher Zentrale mit Kritik eindeckte. Er müsste also wissen, wie man zehn Geländekammer-Generale aus dem lange Zeit funktionierenden Föderalissimo herausholen und zur verstärkten Zusammenarbeit motivieren kann.

Die ganze Übung lässt sich letztlich so herunterkochen: Die Migros Supermarkt AG wird funktionieren, wenn die Föderalisten lernen, zentraler zu denken. Es ist die letzte Chance für die Regionalfürsten. Sie müssen sich nun zusammenraufen. Für die Migros. Und noch wichtiger: für die Kunden.

Andreas Güntert
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