Wer Walter Fust hört, kann nur an Berufung denken. Anders ist die Mission des bald 78-jährigen ETH-Ingenieurs und Multimillionärs kaum zu erklären, der jetzt als Präsident zum Fräsmaschinenhersteller Starrag zurückkehrt, um die Gruppe noch einmal kräftig umzukrempeln: neue Organisation, neuer Einkauf, neuer Vertrieb, mehr Synergien.

Präsident der Starrag war er schon einmal viele Jahre lang, Mehrheitseigner noch viel länger. Als solcher zieht er nun ordentlich vom Leder, wenn es um «Versäumnisse und Schwächen» von Verwaltungsrat und Management geht. Fust ist dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn er in so seltenen Fällen wie diesen mal das Wort ergreift.

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Die Starrag-Gruppe galt einst als Perle der Schweizer Industrie. Ein weltweit führender Anbieter von Werkzeugmaschinen zum Bohren, Drehen, Fräsen und Schleifen. Nach Jahren mehr oder weniger konstanten Wachstums, mit hie und da krisenbedingten Dämpfern auf der Ertragsseite und mehrfachen Kostensteigerungen, konnte sich die Ostschweizer Industriegruppe dennoch wacker schlagen. Doch verfehlte Margenziele am laufenden Band und schwächelnde Profitabilität haben die Firma so weit gebracht, dass 2019 mittlerweile vom Unternehmen selbst als Konsolidierungsjahr bezeichnet wird.

Walter Fust, VR-Praesident, spricht anlaesslich einer Medien- und Analystenkonferenz der Starrag Group Holding AG, am Freitag, 6. Maerz 2015, im Hotel Savoy Baur en Ville, in Zuerich. (KEYSTONE/Anthony Anex)

Walter Fust: Er war bereits einmal Präsident von Starrag.

Quelle: Keystone

Harte Kritik

«Seit zehn Jahren hört man, dass das schon gut kommen wird. Leider hat man das verschlafen», kommentiert Fust etwa den Abbau von bis zu 150 Jobs am Produktionsstandort der Starrag in Nordrhein-Westfalen. Kapazitäten wurden offenbar zu gross geplant. Stellen und Positionen, «die uns nichts bringen» – die gebe es leider. «Es ist kaum nachvollziehbar, dass man im Unternehmen darauf überhaupt hinweisen muss.»

Mit der Hausmacht von 55,4 Prozent der Aktien am Maschinenhersteller ausgestattet, rechnet er mit Fehlern der Gruppenspitze ab. Die Starrag sei «zu technikverliebt, zu ingenieurlastig» – sagt der Ingenieur. «Zu wenig kommerziell.» Den Plan Starrag 2021 will er nun persönlich umgesetzt sehen. Maximal zwei Jahre gibt er sich als Präsident dafür Zeit.

Dem von der Gruppenführung entwickelten Restrukturierungsplan kann er viel abgewinnen. Die Forschung müsse effizienter werden. «Bislang hat jeder Standort Forschung und Entwicklung für sich betrieben.» Im Einkauf sollen Kosten gespart werden. «Bisher ist es in der Vergangenheit nicht gelungen, das firmenübergreifend zu gestalten und Synergien zu heben.»

Kritik am Vertrieb

Im Vertrieb ortet Fust das grösste Manko: China sei für die Starrag so wichtig wie Mitteleuropa. «Wir haben es nicht geschafft, in China effizient genug zu arbeiten.» Trotz sehr guten Umsätzen. Den US-Markt habe man vernachlässigt. «Wir sind jetzt dran, das zu korrigieren.» Und die Verantwortung für den Verkauf wird auf die Führungsebene gehoben und nicht mehr nur den einzelnen Geschäftsbereichen überlassen. Vor allem die Produkte müssten günstiger werden.

Dass es überhaupt so weit kommen musste und nicht schon früher eingegriffen wurde, stimmt Fust nach Jahrzehnten als Mehrheitsaktionär nachdenklich. «Die heutige Starrag ist mein Kind. Ich bin faktisch der Inhaber der Firma.» De facto sei er auch der «massgebende Verwaltungsrat» gewesen.

Wenn er von Fehlern spricht, dann nie, ohne das Wörtchen «wir» zu gebrauchen. Bestimmender Mehrheitseigentümer war er die ganze Zeit über. Fehler hätte man im Grunde relativ einfach und zügig beheben können. Er vertraute darauf, dass sich die Führung nach seinem Abgang als Präsident 2014 darum kümmern würde. «Ich hatte gesundheitliche Probleme und habe aus Sicherheitsüberlegungen gesagt, ich trete als Präsident zurück.»

Blick auf das Logo der "StarragHeckert" am Mittwoch, 3. November 2010 in Rorschacherberg. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Starrag: Das Ostschweizer Unternehmen steckt in Schwierigkeiten.

Quelle: Keystone

Fünf Jahre später kann sich der Selfmade-Millionär, der durch den Verkauf der Elektrohandelskette Fust und des Warenhauses Jelmoli sowie diverser Immobilien zu seinem hohen dreistelligen Millionenvermögen gekommen ist, nicht mehr zurückhalten. Es sei nun einmal so, dass sich kein potenzieller Verwaltungsratspräsident anböte, dem man diese Aufgabe anvertrauen könnte. «Bei den bestehenden Verwaltungsräten war auch niemand dazu bereit», sagt Fust.

Das Unternehmen bleibt in der Familie

Für ihn ist es jetzt an der Zeit zu handeln, zu viel «Herzblut» stecke in der Sache. «Es gab Momente, wo ich sagen musste: so nicht. Zum Glück habe ich eingegriffen.» Jetzt erklärt er die Gesamtverantwortung für den Geschäftserfolg des Unternehmens vollends zur Chefsache.

Vorgesehen war das nicht. Nachfolgeprobleme bei seinen Firmen und Beteiligungen beschäftigen den Industriellen schon seit geraumer Zeit.
 

«Für die Starrag wäre es sehr schädlich, wenn Chinesen das Sagen hätten.»

Seine drei Kinder haben unabhängig von ihrem Vater eigene Wege gewählt, als Architekt, Bauphysiker und Werberin. Sein 25-jähriger Enkel Till Fust biete sich schon eher an, seine Nachfolge anzutreten. Der Sprössling ist bereits in der Führung von Tornos, der zweiten grossen Industriebeteiligung von Walter Fust neben der Starrag. Fust kann sich vorstellen, die beiden Industriebeteiligungen durch Zusammenschlüsse in ein «Kontrollpaket» einzubringen, «das ich dann in der Familie weitergeben würde». Kaufangebote, auch aus China, habe er ja laufend bekommen. So ein Verkauf sei für Fust aber ausgeschlossen: «Für die Starrag wäre es sehr schädlich, wenn Chinesen das Sagen hätten.»