Die meisten Konzerne vom 20 Titel starken Swiss Market Index sind gut in die neue Börsenwoche gestartet. Die grosse Ausnahme: die Schweizer Pharmariesen im SMI, deren Aktien stark verlieren. Die Papiere von Novartis büssen kurz nach Handelsstart 2,8 Prozent ein, jene von Roche brechen um 3,2 Prozent ein. Und die Lonza-Aktie rauscht gar um 3,5 Prozent ab. Am Nachmittag konnten allerdings die Verluste auf den positiven Start der US-Börsen hin eingegrenzt werden. Die Papiere von Roche und Novartis drehten sogar ins Plus.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Der Grund für die anfängliche Kursschwäche ist eine neue Ankündigung von Donald Trump: Der US-Präsident will die Medikamentenpreise in den Vereinigten Staaten stark senken – um 30 bis 80 Prozent, wie er auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social schreibt. «Ich werde eine Meistbegünstigungspolitik einführen, wonach die Vereinigten Staaten den gleichen Preis zahlen wie das Land, das weltweit den niedrigsten Preis zahlt», erklärt er. Damit geht der mächtige Mann im Weissen Haus auf ein Wahlversprechen ein.

Drohen auch noch US-Zölle für Medikamente?

Für die hiesige Pharmabranche ist das starker Tobak. Die USA sind für sie der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt. Die Hälfte der Pharmaexporte gehen über den Atlantik ins Trump-Land. Zudem sind die Vereinigten Staaten ein sehr lukrativer Markt, schliesslich zahlen sie die höchsten Preise für Medikamente weltweit.

Entsprechend zeigt man sich in der Branche besorgt – und übt Kritik. Auf Anfrage von Blick teilt Scienceindustries, der Wirtschaftsverband für Pharma und Chemie, mit: «Es ist wirtschaftlich nicht nachvollziehbar, dass die grösste Volkswirtschaft der Welt lebenswichtige Medikamente zum Tiefstpreis bezieht – das schwächt Anreize für Innovation und kann den Zugang in ärmeren Ländern zusätzlich verschlechtern.» In die gleiche Kerbe schlägt Interpharma, der Interessenverband der forschenden Schweizer Pharmaunternehmen. Trumps geplante Preisdeckelung würde den US-Pharmamarkt erheblich unattraktiver machen, heisst es auf Anfrage. Die Folgen für die Innovationskraft der Branche seien gravierend. «Ein solcher Kurswechsel kann Investitionen bremsen und steht im Widerspruch zu Trumps Ziel, die Pharmaindustrie in den USA zu stärken.» 

Zudem halten sich die Direktbetroffenen mit deutlichen Worten zurück. Roche will sich nicht äussern, solange die Einzelheiten von Trumps Beschluss nicht vorliegen. Eine Stellungnahme von Novartis ist derzeit hängig. 

Gleichzeitig schwebt immer noch das Damoklesschwert von US-Zöllen über der Branche. Bisher sind pharmazeutische Produkte von Trumps Importabgaben befreit. Doch der US-Präsident hat schon mehrfach angekündigt, dies zu ändern. Vor einer Woche liess er verlauten, die Höhe der Zölle «in den nächsten zwei Wochen» bekanntzugeben. Sprich: Der vom Weissen Haus aus befeuerte Handelskrieg wird wohl in den nächsten Tagen auch die Pharmaindustrie direkt erfassen.

Trump blamierte Novartis-CEO

Derweil versuchen die Schweizer Pharmaunternehmen, sich die Gunst des wankelmütigen US-Präsidenten zu sichern. Insbesondere Novartis-Chef Vas Narasimhan (48) weibelt offensiv. Vor kurzem reiste der amerikanische Manager mit indischen Wurzeln ins Weisse Haus – dorthin beordert von Trump. Dessen Team liess vom Event ein Werbevideo erstellen, das Narasimhan und seine CEO-Kollegen der mächtigsten Konzerne der Welt blossstellt. Immerhin: Donald Trump fand für den Novartis-Chef nette Worte: «Danke, danke vielmals, Vas. Das ist sehr viel.»

Der Dank des US-Präsidenten galt den 23 Milliarden Dollar, die Novartis in den USA investieren wollen. Roche wartete diesbezüglich mit noch einer grösseren Summe auf. Ganze 50 Milliarden Dollar an Investitionen in die eigenen US-Werke sind geplant. Damit wollen die beiden Unternehmen sicherstellen, dass sie ihr Medikamenten-Angebot für die USA auch dort herstellen können. Und so dem Zoll-Hammer von Trump ausweichen.

Schweizer Wirtschaft lebt von Pharma

Erst kürzlich machte sich Narasimhan auch für höhere Medikamentenpreise in Europa stark. Zusammen mit Paul Hudson (57), CEO des französischen Pharmagiganten Sanofi, formulierte er diese Forderung in einem offenen Brief, der in der britischen Wirtschaftszeitung «Financial Times» erschienen ist. Ihr Wunsch: Die EU solle einen europaweiten Listenpreis einführen, der innerhalb der Spanne der US-Nettopreise liege.

Jetzt könnten ausgerechnet in den USA die Preise für Medikamenten fallen. Das ist nicht nur für Roche und Co. eine schlechte Nachricht, sondern auch für die Schweizer Wirtschaft. Das zeigt nicht zuletzt dieser Befund: «Unser Wohlstand pro Kopf wäre ohne Chemie und Pharma im vergangenen Jahr gesunken», heisst es in einer im Frühling erschienenen Studie des Beratungsunternehmens Wellershoff & Partners.