In einer Modellökonomie neoklassischen Zuschnitts gibt es definitionsgemäss keine Geheimnisse. Wo der Wunsch nach ungehinderten Informationsflüssen zum Programm erhoben wird, sind wortkarge Kulissenschieber fehl am Platz. Sogar die Hüter des stabilen Geldwertes, gemeinhin als einsilbig und wertkonservativ verschrien, bemühen sich neuerdings um mehr Transparenz. Mit durchzogenem Erfolg, wie die wieder aufgeflammte Kritik an der Wechselkurspolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu belegen scheint.

Die Notabeln an der Notenpresse scheuen keine Mühe, ihre weit reichenden Beschlüsse proaktiv zu erläutern und möglichst allgemein, das heisst allen Betroffenen – von den Geschäftsbanken über die Gewerbetreibenden bis hin zu den Mietern – verständlich zu machen. So klärte uns SNB-Präsident Jean-Pierre Roth vor kurzem erstmalig darüber auf, weshalb sich eine moderne Zentralbank möglichst durchschaubar zu verhalten habe. Transparenz, räsonnierte der mächtige Romand Ende Februar bei einem Vortrag vor der Statistisch-Volkswirtschaftlichen Gesellschaft in Basel, schliesse Unvorhergesehenes weitgehend aus. Die Überraschung war perfekt!

Der angekündigte Paradigmawechsel bleibt allerdings ein leeres Versprechen, solange die Notenbankspitze fortfährt, in Sachen Wechselkurs um den heissen Brei herumzureden. Dass die Währungshüter bei der Festlegung ihrer öffentlich kommunizierten Zinsziele hintenherum auf den Wert des Frankens schielen, war noch nie ein Geheimnis und wird von den Verantwortlichen auch nicht dementiert. Nur entspricht die wiederholt bemühte Leerformel: «Wir nehmen das Geschehen im Bereich der Wechselkurse sehr ernst», der in Aussicht gestellten Transparenz noch in keiner Weise.

Verständlich daher, dass sich die Notenbankspitze in letzter Zeit nicht nur seitens der Exporteure mit Einwänden konfrontiert sieht. Bei welchem Austauschverhältnis die vom SNB-Direktorium zur Schau getragene Nonchalance in Panik umschlägt, wollen transparenzverwöhnte Notenbankkritiker wissen.

Wird es schon brenzlig, wenn der Euro – wie neulich geschehen – die Marke von 1.46 Franken «testet», oder gilt im mittelfristigen Szenario der SNB auch ein Niveau von unter 1.40 Franken noch als durchaus verkraftbar? Wo liegt beim Frankenkurs die allseits tolerierbare Schmerzgrenze? Fest steht, dass ein weiteres Abgleiten des Euro in Relation zum Franken die Schweizer Volkswirtschaft in ihren Wachstumsmöglichkeiten einengt. Erstaunen würde es daher nicht, wenn die Schweizer Konjunktur im Jahresverlauf nur zögerlich aus den Startlöchern käme.

Vorlaufindikatoren wie der Index der Einkaufsmanager, der im Monatsrhythmus vom Schweizerischen Verband für Materialwirtschaft und Einkauf (SVME) in Zusammenarbeit mit der Credit Suisse erhoben wird, weisen auf ein bevorstehendes Ende der Schrumpfungstendenz im Industriesektor hin. Nach 47,2 Punkten im Februar notierte der Purchasing Managers Index im März bei 47,9 Punkten, womit die ersehnte 50-Punkte-Schwelle, welche die Naht zwischen Kontraktion und Wachstum markiert, allmählich in Reichweite zu kommen scheint (siehe Grafik rechts unten). Auch das Früherkennungsbarometer der Konjunkturforschungsstelle an der ETH Zürich (KOF) signalisiert, dass der Krebsgang in der helvetischen Wirtschaft bald überstanden sein dürfte.

In den Vereinigten Staaten scheinen sämtliche Ampeln derweil schon wieder auf Grün zu stehen. Reichlich geölt von einer expansiven Fiskal- und Geldpolitik, welche die Administration von George W. Bush als Antwort auf die Terroranschläge im letzten Herbst implementiert hat, wird der globalen Leitökonomie in den kommenden Monaten eine beachtliche Steigerung ihrer Drehzahl zugetraut. Bereits überbieten sich die Research-Abteilungen amerikanischer Investment-Banken mit euphorischen Einschätzungen und sprechen für das laufende Jahr von realen Wachstumsraten von drei Prozent und mehr.

Der keynesianische Nachfragestoss der Bush-Regierung hat nicht zuletzt die Moral der US-Haushalte nachhaltig gestärkt. So schätzen die amerikanischen Konsumenten ihre wirtschaftlichen Aussichten gegenwärtig wieder viel rosiger ein als auch schon (siehe Grafik links unten). Der kollektive Optimismus könnte indessen getrübt werden, falls die Lage im Nahen Osten ausser Kontrolle gerät und es krisenbedingt zu einer markanten Verknappung beim Rohöl kommt.

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