Liebe Leserin, lieber Leser

Als das Personal des Stücks am 20. Oktober die Bühne betrat, waren die Rollen verteilt: Laut «Frankfurter Allgemeiner» («FAZ») lieferten sich die Angeklagten «einen Kampf um die Ehre». Einen «unvermeidbaren Verbotsirrtum», so eine weitere «FAZ»-Schlagzeile des Tages, konstatierten deren Verteidiger und plädierten für Freispruch. «Skeptische Richter», lautete schliesslich die Headline über dem hauseigenen «FAZ»-Kommentar. Und am Pranger steht neben anderen Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank. Jener Mann also, der in dieser Sache schon einmal in erster Instanz vor den Schranken eines deutschen Gerichts gestanden hat, damals im Blitzgewitter der Fotografen Fingerüberungen machte und Zeige- und Mittelfinger zum Victory-Zeichen spreizte. Jener Mann also, der locker einerseits eine Rendite von 25 Prozent in seiner Bank fordert, während er anderseits 6400 Mitarbeiter zu entlassen vermag. Jener Mann schliesslich, der das ehrwürdigste Geldinstitut des Landes mal eben locker mit der amerikanischen Citigroup fusionieren wollte. Eine locker gebliebene «Heuschrecke», könnte einer wie SPD-Chef Franz Müntefering argumentieren; «Deutschlands bestgehasster Manager», urteilt die «Weltwoche».

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Die öffentliche Meinung scheint jedenfalls gemacht: Einer, der nach verlorener Übernahmeschlacht um eine Firma als zuständiger Aufsichtsrat seinem Topmanagement millionenschwere Prämien zahlt, kann sich nicht auf juristisches Kauderwelsch wie eben «unvermeidbaren Verbotsirrtum» berufen, sondern gehört verurteilt. Und seit selbst namhafte Juristen sich solchen Argumentationen nicht mehr verschliessen, ist einer wie Josef Ackermann höchst gefährdet – vielleicht deshalb ist der Schweizer in der zweiten Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof zu Karlsruhe nicht mehr persönlich erschienen.

Wer auf Teppich zu gehen gewohnt ist, hasst Anklagebänke aus Holz. Wer mit grossen Zahlen lebt, hat jedoch für grosse Prämien durchaus ein Musikgehör. Auch wenn wohl kein Mensch verstehen kann, wofür eigentlich Ackermanns Kollegen in der Teppichetage der Mannesmann stattliche Prämien erhielten. Oder ist das Verscherbeln einer Firma – in diesem Fall von Mannesmann an Vodafone – eine derart herausragende ökonomische Leistung, dass ein Kickback für die Bosse zum guten Behaviour gehört?

Dieses Mindset ist für Ackermann jenseits der juristischen Begutachtung durch die obersten Richter des Landes von grösserer Bedeutung. Denn seit die «Heuschrecken» in Deutschland los sind, herrscht fröhliches Manager-Bashing im Land. Ein durch öffentliche Giftpfeile weidwund geschossener Bankenchef wäre jedoch eine «lame duck», unfähig, den begonnenen Umbau der Deutschen Bank zum profitablen Global Player zu vollenden.

Deshalb muss die Bank Ackermann schützen – und nicht darauf hoffen, dass das Urteil in der zweiten Instanz auf Freispruch lautet. Sie muss es auch tun, weil innerhalb der Bank kein geeigneter Nachfolger bereitzustehen scheint: Vom Finanzchef bis zum Chef Privatkundengeschäft drängt sich keiner auf, während externe Kandidaten bereits in der Warteschlaufe stehen (siehe «Machtnetz»). In dieser unwirtlichen Lage sind symbolische Zeichen gefragt. Zum Beispiel dieses: Ackermann schliesst mit der Gegenpartei einen Vergleich ab. Die Deutsche Bank könnte dadurch nur gewinnen, denn die Angelegenheit wäre vom Tisch, und Ackermann hätte mit diesem Teileingeständnis eines fehlbaren Verhaltens seinen ärgsten Kritikern die Reverenz erwiesen – ungewöhnlich für einen Banker, aber auch nicht schwieriger als für kommune Menschen.