Liebe Leserin, lieber Leser

Den Tatbeweis für die folgende Behauptung – dies als Geständnis vorab – muss ich Ihnen schuldig bleiben. Denn in einer Badewanne zum Preis von 235 000 Franken habe ich noch nie gebadet. Dennoch wage ich die Hypothese, einer Badewanne der italienischen Silberschmiede Brandimarte zu just diesem Preis entsteige man kein Jota sauberer als einer kommunen Industriebadewanne für Schweizer Norm-Nasszellen.

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Eher schon riecht man ein Spürchen duftiger, wenn man sich danach statt mit einem gemeinen Warenhaus-Wässerchen mit der neuen Essence sur mesure aus dem Hause Cartier besprüht. Das schmeichelt dem Ego ganz besonders, zumal die flüssige Preziose nach Mass komponiert wird und ergo nicht ganz billig ist – pro Flacon rund 78 000 Franken. Wobei auch das letztlich eine Geschmackssache ist und folglich diskutabel bleibt.

Genauso gut könnte man sich darüber streiten, ob ein Edelcocktail im Pariser «Ritz» im Vergleich zum selbst gemixten Drink daheim wirklich die Offenbarung ist, die man sich zum Preis von 3500 Euro pro Gläschen erhoffen dürfte.

Nur sind das ja alles ziemlich theoretische Fragen. Der echte Geniesser lebt für das Erlebnis und bezahlt, ohne die Miene zu verziehen. Schliesslich geht es beim Luxus nicht wirklich ums viele Geld, auch wenn es umgekehrt ohne viel Geld keinen wirklichen Luxus gibt.

In der aktuellen Ausgabe finden Sie eine hoffentlich ergötzliche Liste der teuersten Kostbarkeiten der Welt, von der Badewanne für 235 000 Franken bis zum Grand Cru Montrachet, Jahrgang 2000, zum Mitnahmepreis von 210 000 Franken, derzeit der teuerste Weisswein auf Erden.

Eine solche Liste taugt trefflich als Grundlage für eine hitzige Grundsatzdebatte zur Frage, was Luxus wirklich ist. Man kann die Liste aber durchaus entspannter betrachten und zum Beispiel hinsichtlich Provenienz der erlesenen Stücke analysieren.

Da wird unweigerlich auffallen, dass Luxus nach wie vor die Domäne des alten Europa ist. Frankreich und Italien vor allem sind bestens vertreten.

Was Wunder. Frankreich hat mit dem Comité Colbert eine Kampforganisation, die sich auf allen möglichen Ebenen der Förderung gallischer Luxusgüter verpflichtet hat, Italien kennt mit der Organisation Altagamma das entsprechende Pendant. Es geht dabei notabene keinesfalls um ein weiteres Etikett in der allgemeinen Label-Inflation, es geht zum Beispiel um handfeste Lobbyarbeit bei den EU-Behörden in Brüssel.

Da wäre die Schweiz gut beraten, genau hinzuschauen und zu überlegen, wie sie ihre Interessen wirkungsvoll vertreten kann. Die Schweiz schlägt sich im Luxussegment zwar mehr als nur passabel. Aber es fehlt ihr ganz klar die dezidierte Stimme im globalen Markt.

Das ist auch deshalb zu bedauern, weil just Luxusgüter derzeit enormes Wachstumspotenzial haben. In China etwa gibt es täglich neue Millionäre. Sie sind konsumfreudiger als unsere und sehnen sich nach europäischen Luxusprodukten.

Passt prima. Die Schweiz produziert die schönsten Schiffe und die edelsten Stoffe. Sie ist die Mutter der Luxushotellerie, baut die kostbarsten Uhren und bietet das beste Private Banking. Die Zeit ist ist darum mehr als reif, solche Assets mit einer Force de Frappe du Luxe nachhaltig in die Welt zu tragen.