Wenn Mitarbeitende zur alten Firma zurückkehren

Kurz nachdem David Luyet seinen Arbeitgeber gewechselt hatte, schlichen sich bereits die ersten Zweifel ein. «Es kam ein Gefühl von Heimweh und Wehmut auf.» Sechs Jahre lang hatte er beim Telekommunikationsunternehmen Swisscom gearbeitet, bevor er im Jahr 2018 zu den SBB, den Schweizerischen Bundesbahnen, wechselte. Nach rund anderthalb Jahren fand er wieder zu seinem alten Arbeitgeber zurück. «Ich habe die Erfahrung bei den SBB geschätzt – aber ich hatte keine Bedenken, zur Swisscom zurückzukehren.» Mittlerweile arbeitet der 48-Jährige im Personalwesen als Head Talent Attraction und rekrutiert Mitarbeitende für das Unternehmen. Luyet ist ein sogenannter Bumerang-Angestellter – also ein Mitarbeiter, der nach einigen Monaten oder Jahren zu seinem alten Arbeitgeber zurückkehrt. Diese Angestellten können für Unternehmen besonders wertvoll sein, wenn ihre Eingliederung gelingt. «Bumerang-Angestellte sind ein Phänomen, das in Zukunft zunehmen wird», sagt Benedikt Hell, Professor für Personalpsychologie an der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW. Grund dafür sei der Wandel vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt. «Wir bekommen in der Schweiz zusehends einen Fachkräftemangel.» Mitarbeitende hätten inzwischen eine grössere Auswahl. Zudem sind Unternehmen erpicht darauf, ihre Angestellten zu behalten. «Sie versuchen zunehmend, ehemalige Mitarbeiter weiterhin zu binden, indem man sie zu Weihnachtsfeiern einlädt, mit Informationen versorgt und in einen Talent-Pool aufnimmt.» Die Gründe, warum Bumerang-Angestellte das Unternehmen ursprünglich verlassen, sind unterschiedlich. «Die Frage, warum ich gegangen bin, stelle ich mir oft. Und sie ist nicht leicht zu beantworten», sagt Luyet. Er habe vor allem etwas Neues ausprobieren wollen. Während seiner ersten Zeit bei der Swisscom hat er mit seinen Kollegen die Personalabteilung neu aufgestellt und das Rekrutierungsteam in eine Talent Acquisition umgewandelt. Dabei fragte sich Luyet, ob er dieses Konzept auf andere Unternehmen übertragen könne. Schliesslich nahm er ein Angebot der SBB an. Doch dann setzte das «Heimweh» nach dem alten Arbeitgeber ein. «Weil ich alles an der Swisscom vermisst habe: die Unternehmenskultur, die Kollegen und vor allem die IT- und Telekommunikationsbranche.» Skeptische Kollegen Der ideale Arbeitgeber ist schwer zu finden. Das weiss Madeleine Na, Inhaberin von HR-Coach Na in Seltisberg BL nur zu gut. «Beim Unternehmen gilt dasselbe wie beim Menschen: Niemand ist perfekt», sagt sie. Vor allem im Alltagsstress kommt schnell der Gedanke auf, dass es anderswo vielleicht besser wäre. Ähnlich beschreibt es Benedikt Hell: «Aus der Ferne sieht es häufig attraktiver aus als aus der Nähe.» Beim neuen Arbeitgeber könne man schnell enttäuscht werden. «Es kann sein, dass die Anforderungen oder die Unternehmenskultur nicht passen – und man merkt, was man am alten Arbeitgeber hatte.» Bumerang-Angestellte wieder aufzunehmen, kann für Unternehmen in vielerlei Hinsicht ein Gewinn sein. Wenn Mitarbeitende zurückkehren, haben sie in den meisten Fällen neues Wissen und neue Fähigkeiten erworben. «Vor allem bringen sie das Wissen von der Konkurrenz mit», sagt Hell. Arbeitgeber können nach einigen Jahren einen engen, betriebsblinden Blick entwickeln. An dieser Stelle können Bumerang-Angestellte mit ihrer Rückkehr frischen Wind ins Unternehmen bringen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist eine erneute Einstellung ein zusätzlicher Vorteil. Da die Mitarbeitenden das Unternehmen bereits kennen, kann ein Onboarding in den meisten Fällen unkompliziert verlaufen. «Die Einarbeitung, wenn überhaupt nötig, wird sehr stark verkürzt sein», erklärt Madeleine Na. Doch nicht jeder kann sich über eine Rückkehr des Mitarbeiters freuen. «Ein grosses Problem ist sicherlich das Geschwätz, das sich manche Kollegen in dieser Situation liefern», sagt Na. Gerne wird darüber gelästert, warum der Bumerang-Angestellte überhaupt gegangen ist, um letztlich doch zum Unternehmen zurückzukehren. Na empfiehlt Arbeitgebern, solche Entscheidungen offen anzusprechen. Für die Kollegen kann ein weiteres Problem auftreten, wenn ein Mitarbeiter nach seiner Rückkehr eine höhere Position einnimmt und somit ein höheres Salär bezieht. «Psychologisch gesehen ist das Weggehen eine Form von Illoyalität», sagt Hell. «Wenn ein Mitarbeiter zurückkehrt und sozusagen belohnt wird, kann das die Stimmung bei Kollegen verschlechtern, die geblieben sind.» Hell rät Unternehmen daher, für Fairness zu sorgen. Je nachdem, wie gross der Handlungsspielraum ist, können die Vorgesetzten den Lohn anheben oder mehr Entwicklungsmöglichkeiten anbieten, damit sich die gebliebenen Mitarbeiter wertgeschätzt und gerecht behandelt fühlen. Zudem sollte der Arbeitgeber die Kündigung des Bumerang-Angestellten nicht als persönliche Beleidigung auffassen und ihn für seine «Illoyalität» bestrafen. «Sie befinden sich nicht auf einer privaten, Ehe-ähnlichen, sondern auf einer professionellen Ebene.» Unternehmen sollen sich daher darüber freuen, dass die guten Mitarbeiter wieder zurückkommen. Erneute Abschiede Zwar sind Rückkehrer eher dazu bereit, erneut zu kündigen – und zwar aus ähnlichen Gründen wie beim ersten Mal. Das ist jedenfalls das Studienergebnis eines US-Forschungsteams, das die Daten von rund 30 000 Führungskräften ausgewertet hat. Sie kommen dabei zum Schluss, dass Rückkehrer zwar wertvoll für das Unternehmen sein können – aber nicht unbedingt eine bessere Leitung zeigen. Madeleine Na glaubt aber nicht, dass ein erneuter Abschied wahrscheinlich ist. «Der Mitarbeiter weiss, was ihn erwarten wird, und entscheidet sich bewusst für diesen Schritt – trotz den Nachteilen, deretwegen er die Firma verlassen hat.» Das kann David Luyet aus eigener Erfahrung bestätigen: «Zu einem Unternehmen zurückzukehren, macht man nicht einfach so.» Noch einmal kündigen wird er höchstwahrscheinlich nicht – schliesslich hat er in seiner Abwesenheit das Unternehmen zu schätzen gelernt.

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