Mario Monti will mit der Jagd auf Steuerhinterzieher Ernst machen – auch mit Strassenkontrollen, bei denen Eigentümer von Luxusautos gefilzt wurden. Was sagt der Ferrari-Chef dazu?
Luca di Montezemolo: Bei Steuerhinterziehung kenne ich kein Pardon. Wer seine Steuern nicht bezahlt, ist ein Dieb – egal, welches Auto er fährt. Wir dürfen aber auch nicht in billigen Populismus verfallen. Nach dem Motto: Reich sein heisst Steuerhinterzieher sein.

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Ihre Kunden, die Ferraristi, sind reiche Menschen. Machen Sie sich Sorgen um das Image Ihrer Kunden und Ihrer Marken?
Nein, wir müssen lediglich aufpassen, dass das Ganze nicht in Demagogie abdriftet. Wenn das vermieden wird, dann halte ich die Aktionen gegen Steuersünder für nützlich.

Sind Sie mit Mario Monti sonst zufrieden?
Natürlich! Der Kampf gegen die Steuerhinterziehung gehört neben der Rentenreform und dem Wiederherstellen unserer Glaubwürdigkeit zu den wichtigsten Dingen, die die Regierung Monti gemacht hat. Sie ist von den Italienern mit offenen Armen empfangen worden. Die Menschen wollten den Wandel, zu Recht.

Es waren nicht die Italiener, die Montis Vorgänger Silvio Berlusconi wegjagten. Er musste gehen, weil der Druck der Finanzmärkte auf Italien zu gross wurde.
Am Ende kamen viele Dinge zusammen. Die Finanzmärkte – und natürlich Europa. Aber nicht nur. Ich habe vor ein paar Jahren einen Think Tank gegründet, Italia Futura. Und wir haben schon im August 2010 Dinge gesagt, die hier in Italien für viel Ärger gesorgt haben. Es war die Zeit, in der alle nur über die Privatangelegenheiten einzelner Politiker redeten und nicht über den Zustand unseres Landes. Da war uns klar, dass wir am Ende einer politischen Epoche waren.

Wie geht es nun weiter mit Italien?
Wir müssen bei den Wahlen 2013 eine neue Ära einläuten, in der wir das Verhältnis von Bürger und Staat neu regeln. Der Staat muss einen Schritt zurücktreten und sich um das kümmern, was sein Kerngeschäft ist. Sicherheit, Schule, Forschung, Justiz, Gesundheit. Wir brauchen mehr Kinderbetreuung, damit die Italienerinnen arbeiten können, wenn sie es wollen. Aber je mehr sich unser Staat in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen, desto anfälliger wird er für Korruption und kriminelle Machenschaften. Der Staat kann keine Opfer verlangen, ohne bei sich selbst anzufangen. Das heisst: kürzen, schliessen, verkaufen, Privilegien abschaffen. Und er muss transparent sein. Ich will endlich mal wissen, was der Staat mit meinen Steuern macht.

Und wer soll das alles machen?
Eine neue, vom Volk gewählte Regierung.

Also nicht Monti?
Bei allem Respekt: Eine technische Regierung wie die von Monti ist gut für den Übergang. Aber irgendwann muss gewählt werden. Und die nächsten Wahlen in Italien werden sehr wichtig sein. Vergleichbar nur mit den ersten Wahlen nach dem Zweiten Weltkrieg, 1948. Ich höre immer: «Wir müssen die Italiener ändern.» Nein, zuerst müssen wir den italienischen Staat ändern, dann die Italiener. Es ist wie in der Formel 1: Der beste Rennfahrer nützt Ihnen nichts, wenn er auf einer grossen, alten und unbeweglichen Karre sitzt. So wird er nie Weltmeister, egal was er kann.

Es nützt Ihnen nichts, wenn auch die Rennfahrer alt und unbeweglich sind.
Natürlich nicht. Wir hatten ja jahrelang die gleichen Politiker. Die haben nur die Seiten gewechselt oder die Parteien umbenannt. Das heisst: Die sind alle seit 20, 30 Jahren irgendwie an der Macht gewesen. Italiens Bürger werden das aber nicht mehr akzeptieren. Ab 2013 muss jeder Bürger von den Politikern als ein Aktionär dieses Landes gesehen werden.

Und wer sind die neuen Rennfahrer, die so etwas leisten können?
Leute aus allen Bereichen. Aus der Politik, aber auch aus der Zivilgesellschaft, Professoren, Unternehmer, Ärzte – alle müssen ihren Beitrag leisten. Neue, junge Kräfte. Monti ist gut – in diesem historischen Moment brauchen wir einen glaubwürdigen Mann, der sachbezogen handelt und der auch mal professoral spricht. Sein Vorgänger Berlusconi sprach von Italien als einem «paese di merda», von einem «Scheissland». Deshalb brauchen wir jetzt eine Politik, die Vertrauen stiftet.

Das klingt so, als wäre Signor Montezemolo schon mitten im Wahlkampf. Eigentlich wollen Sie im nächsten Jahr Ministerpräsident werden, oder?
Diese Frage höre ich siebenmal in der Stunde. Und es freut mich sehr, dass ich immer gefragt werde. Sehen Sie, ich hatte dreimal grosses Glück im Leben: Erstens weil ich nach dem Krieg geboren wurde, während viele aus meiner Familie im Krieg starben. Zweitens: Ich habe in meinem Leben mehr erreicht, als ich gedacht hätte. Ich war Fiat-Präsident, ich war Präsident des Arbeitgeberverbandes Confindustria, und ich bin seit 20 Jahren Ferrari-Chef. Und drittens: Ich habe eine grosse Leidenschaft für mein Land und unterhalte zugleich exzellente Beziehungen zu Menschen überall in der Welt.

Verstehen wir Sie richtig – Sie gehen in die Politik, halten sich aber noch offen, was Sie genau machen werden?
Gegen Ende meiner Zeit als Industriellenchef bin ich von vielen Seiten gedrängt worden. Und ich habe Nein gesagt, weil ich nicht wollte, dass beide Ämter vermengt werden. Und ausserdem glaube ich nicht, dass die Politik eine One-Man-Show ist. Es geht hier also nicht nur um mich. Es geht um die vielen jungen Leute, die heute zu meinem Think Tank Italia Futura gehören. Ich baue diese Leute auf, in den nächsten Jahren in die Politik zu gehen.

Denken Sie daran, aus Italia Futura eine Partei zu machen?
Aus Italia Futura kann alles werden, auch wenn das momentan nicht im Programm steht. Wenn Sie in sechs Monaten wiederkommen, kann ich Ihnen vielleicht mehr sagen. Nur so viel: Ich will nicht mehr – wie es in den vergangenen Jahren geschehen war – immer nur nach hinten schauen. Gestern interessiert mich nicht. Ich will nach vorne sehen.

Wie sieht es denn mit der Zukunft von Ferrari aus? 90 Prozent gehören dem Fiat-Konzern, die Familie Ferrari hält nur noch 10 Prozent an dem Unternehmen. Es wird immer wieder spekuliert, Sie würden an die Börse gehen.
Nein, da haben wir nichts im Programm. Und wir planen auch nichts.

Aber wenn es Fiat schlecht geht und Ihr Eigentümer Geld braucht?
Fiat braucht derzeit kein Geld, denen geht es gut. Wenn Sie mich fragen, was in zehn Jahren sein wird: keine Ahnung. Aber zurzeit ist das kein Thema.

Sie verwenden keine Autoteile von Fiat, Sie verdienen viel Geld. Sie könnten mit Ferrari doch auch wunderbar alleine leben.
Theoretisch ja. Praktisch nein. Ich bin seit 20 Jahren hier, und ich bin froh, dass wir unabhängig sind. In einem Ferrari finden Sie nichts von einem Fiat Panda, und das ist auch richtig so. Aber ich bin auch froh, dass wir zusammengehören.

Wie viele Ferraris kann man verkaufen, ohne die Exklusivität zu verlieren? Zurzeit liegen Sie bei über 7000. Und irgendwann wollen Sie 8000 im Jahr verkaufen.
Das hängt davon ab, wo wir künftig wachsen. Wir haben neue Märkte wie China und Indien. Und wenn die Zahl der Märkte steigt, dann können wir auch etwas mehr verkaufen. Aber nur dann. Wir wollen exklusiv bleiben.

Porsche will den Absatz von 100 000 auf 200 000 verdoppeln.
Ich habe grossen Respekt vor Porsche, aber die machen andere Sachen als wir. Andere Produkte, anderer Markt, andere Preise. Wir sind exklusiver. Wir würden auch nie einen Ferrari SUV machen.

Der Adlige: Luca Cordero di Montezemolo (64) stammt aus einer adligen Piemonteser Familie und ist einer der respektiertesten Manager Italiens. Seit 20 Jahren ist er Präsident von Ferrari, bis 2010 war er Präsident der Muttergesellschaft Fiat. Er leitete den Industrieverband des Landes. Seine jüngste Geschäftsidee: Investitionen in Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Mailand/Venedig und Deutschland.