Der Zenit ist erreicht. 2008 zeigten sich die Schweizer Kantone und Städte im Schnitt noch immer in sehr guter Verfassung. Die Jahre des Wirtschaftsbooms wirkten nach. «Die Konjunkturabschwächung hat 2008 noch nicht durchgeschlagen. Das wird allerdings in den nächsten Jahren anders aussehen», sagt Sonja Ziehli vom Lausanner Institut de hautes études en administration publique (Idheap).

Zum zehnten Mal hat das Idheap für BILANZ und «Bilan» die Entwicklung der kantonalen Finanzen und die Arbeit der Finanzdirektoren unter die Lupe genommen. Anhand von acht Kriterien (siehe Tabelle im Anhang) wurden die finanzielle Verfassung und die Finanzbewirtschaftung der Kantone und der grösseren Schweizer Städte analysiert.

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Auffällig ist in diesem Jahr, dass die finanzielle Verfassung fast durchwegs die Noten hebt, während die Kantone bei der Finanzbewirtschaftung eher etwas unter ihrer Gesamtnote abschneiden. «Es ist oftmals zu beobachten, dass der Haushaltsführung in guten Zeiten weniger Beachtung geschenkt wird», sagt Expertin Ziehli. In schwierigen Zeiten schlägt das Pendel um, die Ausgabendisziplin wird verschärft, die Note für das Finanzmanagement verbessert sich – dafür steht es dann um die finanzielle Verfassung weniger gut.

Im vergangenen Jahr wirkte sich ein Sondereffekt auf den Vergleich aus: die Einführung des Neuen Finanzausgleichs (NFA) per 1.  Januar. Die Reform der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen hatte grossen Einfluss auf die Finanzen (siehe «Finanzausgleich» in 'Weitere Artikel') und verzerrte den direkten Vergleich zu 2007. Doch auch abgesehen vom NFA ist die Volatilität von Jahr zu Jahr hoch.

Wie schnell sich das Blatt wenden kann, zeigt der Kanton Tessin. Im Rating 2007 kam er auf Rang 19, 2008 auf den guten 3.  Platz. Dies vor allem dank einem Sprung bei der Selbstfinanzierung, wodurch auch die Schuldenlast reduziert werden konnte. Nach Jahren mit Defiziten wurde im Legislaturprogramm 2007 als eines der Hauptziele definiert, bis 2011 einen augeglichenen Haushalt zu präsentieren. «Die rigorosen Massnahmen bei der Finanzplanung erlaubten uns, den Haushalt 2008 zum ersten Mal seit Jahren positiv abzuschliessen», erklärt die Tessiner Finanzdirektorin Laura Sadis. Doch bereits rechnet die Tessiner Regierung wieder mit einer massiven Verschlechterung der Lage. Im März 2009 lancierte der Kanton ein umfangreiches Konjunkturprogramm. Sadis: «Als drittwichtigster Finanzplatz der Schweiz ist unsere Wirtschaft stark von der Banken- und Finanzkrise betroffen.»

Nidwalden schaffte es im Vergleich zum Vorjahr sogar vom 20.  Platz auf Rang 1. Das gelang vor allem durch eine Reduktion der laufenden Ausgaben. Ein Faktor, der in der Wertung stark zu Buche schlug. «Durch Aufgabenverzichte und dank den guten Rechnungsabschlüssen konnten wir ein ansehnliches Eigenkapital äufnen», freut sich Finanzdirektor Hugo Kayser.

Steuerwettbewerb. Die Nidwaldner Regierung arbeitete in den vergangenen Jahren auf eine überdurchschnittliche Selbstfinanzierung hin – und mischte ganz vorne im Steuerwettbewerb mit. «Dank der guten Finanz- und Wirtschaftslage können wir die Steuerbelastung in drei Revisionen reduzieren», so Kayser. 2011 soll eine Steuergesetzrevision weitere Verbesserungen bringen, andererseits will man aber auch die Investitionsquote leicht steigern.

Nachhaltigkeit und Kontinuität, die Prinzipien von Hugo Kayser, halten die meisten Finanzdirektoren hoch. So auch Marcel Schwerzmann aus Luzern: «Wir verfolgen eine Politik der kleinen Schritte. Die Überschüsse wurden in den vergangenen Jahren dafür eingesetzt, die Steuern zu reduzieren und Schulden abzubauen.» Luzern konnte sich 2008 wieder leicht verbessern und schaffte dank einer Reduktion der laufenden Ausgaben den Sprung auf den 2.  Platz. Der langfristige Kurs zahle sich allmählich aus, so Schwerzmann: «Wir sind nun als Standort attraktiv, erleben im schweizweiten Vergleich eine überdurchschnittliche Zuwanderung und damit auch einen überdurchschnittlichen Zuwachs an Steuererträgen.»

Von der Finanzkrise werde sein Kanton weniger betroffen sein als etwa Zürich. «Unsere Wirtschaftsstruktur ist binnenorientiert und heterogen, das hat uns einen nicht so starken Aufwärtstrend gebracht, nun aber auch einen weniger dramatischen Abschwung.»

Zürich dagegen bekommt die Auswirkungen der Bankenkrise deutlich zu spüren, allerdings erst im nächsten Jahr. Der Kanton rechnet für das Budget 2010 mit einem Steuereinbruch von 550 Millionen Franken, das sind fast zehn Prozent.

Mehr Aufwand. Doch schon im Ranking für 2008 fiel Zürich vom 1. auf den 13.  Platz zurück, vor allem weil die laufenden Ausgaben stark gestiegen sind. Ein wesentlicher Faktor dafür ist jedoch die Neugestaltung des Finanzausgleichs. Der Kanton Zürich erfuhr 2008 wegen des NFA eine Aufwandsteigerung von über 400 Millionen Franken.

Im Aargau, dem diesjährigen Schlusslicht, wirkte sich vor allem die Sanierung der Pensionskasse samt Wechsel zum Beitragsprimat aus. Dies belastete die Rechnung mit 1,76 Milliarden Franken. Zudem bildete der Kanton zur Abfederung der Rezession eine Reserve von 190 Millionen.

In der Bewertung der Finanzhaushalte der grösseren Schweizer Orte tat sich ebenfalls einiges. Gleich drei Städte, die zum ersten Mal ihre Daten eingereicht haben, schafften es auf Anhieb ganz nach vorne. Thun auf den 4., Biel auf den 2. und Frauenfeld auf den 1.  Rang.

Laut Rudolf Studer, Leiter des Finanzamtes Frauenfeld, zahlt sich der Ansatz zur langfristigen Bewirtschaftung der Finanzen nun aus. Über zwei Jahrzehnte lang machten Stadtrat und Parlament die Ostschweizer Stadt mit antizyklischen Investitionen in die Infrastruktur attraktiver. Dazu brauchte es hohe Überschüsse, und daher wurde bis 1998 ein hoher Gemeindesteuerfuss in Kauf genommen. Es wirkte. Dank dem besseren Zustand der Infrastruktur, den Zuzügen und den Mehreinnahmen der vergangenen Jahre konnte Frauenfeld ab 1998 die Steuern Schritt für Schritt von 85 auf 68 Prozent reduzieren, und dieses Jahr wurde eine weitere Senkung um zwei Prozent genehmigt.