Ein allgemein anerkannter Marketinggrundsatz lautet, dass es billiger ist, Kunden zu binden, als neue zu akquirieren. Wir bestreiten dies keineswegs, man muss jedoch bedenken, dass dies nicht immer einfach ist. Die Anforderungen bestehender Kunden verändern sich im Laufe der Zeit, weshalb Unternehmen ihr Angebot ständig weiterentwickeln müssen. Im Falle der Millennials wird die Veränderung wesentlich schneller und markanter verlaufen als in der Vergangenheit. Die in den kommenden Jahrzehnten erwartete Wohlstandsverschiebung bedeutet, dass eine schrittweise erfolgende Innovation keine tragfähige Option mehr ist. Wir müssen uns auf fundamentale Veränderungen der Wertangebote einstellen – und jetzt damit beginnen.

Warum die Ansicht der Millennials über Finanzdienstleistungen wichtig ist

In den meisten Industrieländern wird der Wohlstand in den kommenden Jahrzehnten auf ein neues Kundensegment übergehen: die Millennials. Dieser Begriff bezeichnet die zwischen 1980 und 2000 geborene Generation. Nach der Generation X ist dies möglicherweise eine der grössten Bevölkerungsgruppen in der Geschichte. Und sie kommt bald in die Jahre mit den bedeutendsten Einkommen und Ausgaben. Vor allem aber trägt die demografische Entwicklung dazu bei, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Millennials immer grösser wird: Millennials werden nicht nur selbst Geld verdienen, sondern in den kommenden Jahrzehnten Milliarden an Vermögen erben.

«Möchten Sie ‹in› sein? Sagen Sie jungen Menschen, dass Sie grosse Banken nicht mögen»1 . Diese Ansicht verkörpert die Haltung vieler Millennials gegenüber traditionellen Finanzdienstleistungsmodellen. Die meisten Millennials würden ihre Finanzdienstleistungen lieber über Google, Amazon, Apple oder PayPal beziehen, da Banken ihrer Meinung nach weniger Vorteile bieten und sich eine grosse Bank kaum von der anderen unterscheidet.

Sind sie wirklich ein neuer Kundenschlag?

Man spricht über Millennials als neuem Typ von Anlegern – sie sind technologisch versiert, rund um die Uhr mit sozialen Medien verbunden, vertrauen auf Bewertungen anderer und misstrauen grossen Unternehmen. Fundamental sind sie aber nicht so anders als bestehende Kunden. Sie sind nur besser darin, herauszufinden, was authentisch ist und was nicht, und konsumieren nur, was sie wirklich interessiert. Das allein bedeutet, dass sie die Art und Weise, wie wir kaufen und verkaufen, jetzt schon verändern. Sie zwingen Unternehmen, zu überprüfen, wie sie weit in der Zukunft Geschäfte machen werden und erfordern einen radikal anderen Ansatz, um sie zu gewinnen. Da sie per se nicht an traditionellen Anbietern von Finanzdienstleistungen interessiert sind, ist es wichtig, sie über Stimmen zu erreichen, denen sie vertrauen.

Merkmale der Millennials

  • Skeptisch, politisch unabhängig und gut gebildet
  • Optimistisch, verschiedenartig und etwas selbstbezogen
  • Sozial versiert, ausserordentlich gut miteinander verbunden und Eigentümer mehrerer Kommunikationsgeräte
  • Grosse Nachfrage nach individuell zugeschnittenen Lösungen
  • Setzen auf digitale Kanäle, soziale Medien und mobile Kommunikation
  • Erwarten Offline- und Online-Integration
  • Kurze Aufmerksamkeitsspanne, lassen sich gerne mit «Storys» bedienen
  • Lieben es, etwas Neues zu entdecken, aber nur aus Quellen, denen sie vertrauen
  • Tauschen sich über neue Entdeckungen gerne mit ihren Freunden aus (gegenseitige Empfehlungen)
  • Verlangen relevante, wertvolle, nicht werbemässig aufgemachte Interaktion

Sprechen Sie diese (unloyale) Kundenbasis an?

Millennials zeigen fast keine Markenloyalität. Sie entscheiden sich für Dienstleistungen desjenigen Anbieters, der den grössten Komfort und das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Um dies festzustellen, orientieren sie sich an ihren Freunden und Gleichgesinnten in sozialen Medien. Das Internet macht es ausserordentlich leicht, den Wert und die Kosten von buchstäblich allen Dienstleistungen zu vergleichen, und auf Knopfdruck zu erfahren, wie sie von anderen Menschen beurteilt werden (und, vor allem, die eigene Meinung über empfangene Leistungen mit anderen zu teilen). Infolgedessen zögern Millennials nicht, schnell – und regelmässig – zwischen Anbietern zu wechseln.

Wenn Sie versuchen, dieses Kernelement des künftigen Kundenpools anzusprechen, stellen sich einige wichtige Fragen:

  1. Wie sehr verändert sich das Durchschnittsalter meiner Kundenbasis, und welche Massnahmen ergreife ich – mit Blick auf das Gesamtbild –, um sicherzustellen, dass mein Angebot eine jüngere Generation anspricht?
  2. Wie kann ich ihnen helfen ihre zentrale Ambition zu erreichen, die nicht im reinen Geldverdienen, sondern in der «Selbstverwirklichung» besteht?
  3. Was biete ich ihnen an, das ihre Ambitionen und Besorgnisse wirklich anspricht, einschliesslich ökologischer und sozialverantwortlicher Grundsätze, die ihnen in der Regel viel bedeuten?
  4. Investiere ich genug in den Aufbau von Vertrauen, indem ich unabhängige und wertvolle Erkenntnisse anbiete, die Millennials in einem für sie attraktiven Format entdecken und untereinander austauschen können (leicht verdaulich, Verfügbarkeit über mehrere Kanäle und jederzeit und überall auf Wunsch zugänglich)?
  5. Was kann ich Eltern anbieten, um zu ihren Kindern durchzudringen und ihr Vertrauen zu gewinnen?
  6. Ist meine Online- und Offline-Kommunikationsstrategie angemessen? Verwende ich die passende Sprache und geeignete Formate, um auf relativ kurze Aufmerksamkeitsspannen einzugehen?
  7. Sind meine Lösungen intuitiv und leicht umzusetzen, sodass sie äusserst mobile Kunden ansprechen?
  8. Wie differenziere ich mein Wertversprechen, um den Mehrwert gegenüber anderen Finanzdienstleistern zu beweisen?

Millennials erfolgreich einzunehmen, läuft im Wesentlichen darauf hinaus, ihr Vertrauen zu gewinnen und Dienstleistungen anzubieten, die sie ansprechen. Dieser Grundsatz gilt zwar für jede Generation. Aufgrund der unbeständigen Natur von Millennials und der Leichtigkeit, mit der sie Dienstleister wechseln, war es jedoch noch nie wichtiger, es richtig zu machen. Sie werden ein dominierendes Segment der Kundenbasis von morgen sein. Können Sie es sich leisten, ihre Anforderungen zu ignorieren?

Matthias Plattner ist Head Technology & Processes bei UBS Global Financial Intermediaries. Wenn Sie Fragen zu diesem Thema und seiner Bedeutung für unsere Branche haben, wenden Sie sich bitte an: matthias.plattner@ubs.com.

1 http://adage.com/article/cmo-strategy/hip-ways-banks-market-millennials/299176/