Wer glaubt, in der Schweizer Wirtschaft sei die Zahlungsmoral besonders hoch, muss sich eines Besseren belehren lassen: 43 Prozent aller Forderungen zwischen Firmen werden hierzulande zu spät bezahlt. Im Schnitt 44 Tage müssen die Rechungssteller auf ihr Geld warten. Und jedes vierte Unternehmen geht davon aus, dass seine Rechnungen künftig mit noch mehr Verzögerung beglichen werden. Dabei sind inländische Kunden nur unwesentlich bessere Schuldner als ausländische.

Dies geht aus dem auf Umfragedaten basierenden Zahlungsmoralbarometer 2016 des Kreditversicherers Atradius hervor. Auch im internationalen Vergleich schneidet die Schweiz nicht besonders gut ab: Der Anteil überfälliger Rechnungen ist höher als im westeuropäischen Durchschnitt, wo er bei 40 Prozent liegt. Immerhin: Die Zahlungsausfälle, zum Beispiel wegen Konkurs, betrugen nur 0,9 Prozent aller Forderungen (Westeuropa: 1,3 Prozent).

Bereits Zahlungsverzögerungen können ein Unternehmen in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Bei im Handel tätigen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) machen die Debitorenbestände gern einmal 30 Prozent der Bilanzsumme aus. Kommt hinzu, dass KMU oft von wenigen Kunden abhängig sind. Wenn dieses Geld oder ein Teil davon allzu lang in der Kasse fehlt, ist die Firma möglicherweise selbst nicht mehr in der Lage, ihren Verpflichtungen rechtzeitig nachzukommen. Ein Domino-Effekt, der sich auf weitere Unternehmen auswirkt.

Atradius rechnet 2017 in der Schweiz mit einer Zunahme der Firmenkonkurse um noch 2 Prozent, während die Insolvenzprognose für 2016 bei 4 Prozent lag. Wie hoch die Hürden allerdings sind, um entgangene Forderungen zu kompensieren, veranschaulicht ein Beispiel: Ein Unternehmen mit 8 Prozent Umsatzrendite muss bei einem Ausfall von «nur» 20 000 Fr. eine Viertelmillion mehr Umsatz generieren, um den Verlust auszugleichen.

Länderberichte und Branchenreports als «Frühwarnsystem»

Die Schweizer Wirtschaft ist stark exportorientiert. Nach einer Baisse 2015, die der Aufhebung des Euro-Mindestkurses geschuldet war, stiegen die Ausfuhren wieder deutlich an. Allein im 3. Quartal 2016 nahmen sie gemäss Eidgenössischer Zollverwaltung nominal um über 8 Prozent zu. «Weltweiter Handel bedeutet Chancen und Risiken», sagte Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director bei Atradius für Deutschland, Mittel- und Osteuropa, an einer Kundenveranstaltung im November in Zürich. Als Märkte mit Potenzial bezeichnete Langen Länder, die nicht zuvorderst in der Schweizer Aussenhandelsstatistik auftauchen: Kolumbien, Vietnam oder Indien. Hingegen werden Griechenland, Brasilien, Türkei, Russland und China aus ökonomischen und politischen Gründen als risikobehaftet eingestuft. Von Juli bis September 2016 nahmen diese Zielländer insgesamt 7,7 Prozent der Schweizer Ausfuhren entgegen.

Mit allgemein zugänglichen Länderberichten und Branchenreports schätzt Atradius laufend die Forderungsausfallrisiken ein, die sich für Unternehmen ergeben können. Im Rahmen einer Kreditversicherung kann dieses «Frühwarnsystem» individuell verfeinert werden, indem die Bonität einzelner bestehender und möglicher Kunden geprüft wird. Atradius hat mit seiner Präsenz in 50 Ländern an 160 Standorten Zugang zu Bonitätsinformationen von über 200 Millionen Unternehmen.

Kreditversicherung springt schon bei Zahlungsverzug ein

Eine Kreditversicherung beugt aber nicht nur vor, sondern springt bei einem Zahlungsausfall oder Zahlungsverzug auch ein. Sie entschädigt den Lieferanten anstelle des Kunden und wird deshalb auch Forderungsausfallversicherung genannt. Gedeckt sind bis zu 90 Prozent der Forderungssumme. Und weil Schäden in den meisten Fällen nicht erst im Insolvenzfall beglichen werden, sondern bereits nach Ablauf der festgelegten Zahlungsfrist, bleibt der Cashflow gesichert. Dank dieser Liquiditätsgarantie können den Kunden attraktive Zahlungsbedingungen gewährt werden. Zum Leistungsportfolio gehören auch Inkassodienste.

Wenn Schweizer als überversichert gelten, dann ist dieses Klischee – ähnlich wie bei der eingangs erwähnten Zahlungsmoral – zumindest bei den Kreditversicherungen zu hinterfragen. Gemäss Eidgenössischer Finanzmarktaufsicht (Finma) sank die gesamte Prämiensumme zwischen 2012 und 2014 von 204 auf 185 Mio. Fr. In der ersten Hälfte der 2000er-Jahre hatte sich das Prämientotal um 100 Millionen bewegt, um nach der Finanzkrise 2008 markant anzusteigen. Trotzdem machen Kreditversicherungen von allen Schadenversicherungen einen Bruchteil aus: Allein für Feuer-, Elementar- und Sachschadenversicherungen wurde laut Finma 2014 fast viermal so viel ausgegeben.

Die sinkende Zahlungsmoral, die starke Exportabhängigkeit sowie die Folgeprobleme eines Zahlungsausfalls sind Risiken, denen eine Kreditversicherung Einhalt gebieten kann. Natürlich ist auch dafür ein Preis zu bezahlen, doch der Gegenwert besteht in einer höheren finanziellen Planungssicherheit. Oder wie Lucien Hofmann, Geschäftsführer von Atradius Schweiz, festhält: «Die Prämie für eine Kreditversicherung ist eine fest kalkulierbare Grösse, der Forderungsausfall nicht.»

Kreditsversicherungsprodukte und Inkasso-Dienstleistungen sowie Länderberichte und Branchenreports finden Sie auf atradius.ch.