Anfang April waren es noch 112 Meter. Aktuell sind es schon 130. Zum Schluss sollen es 178 werden: Mit dem «Bau 1» schenkt sich Roche in Basel ein neues Hauptquartier, rund 2000 Arbeitsplätze entstehen im höchsten Haus der Schweiz. Kostenpunkt des aufgestellten Tortenstücks: 550 Millionen Franken. Der Basler Pharmamulti ist in guter Gesellschaft: Derzeit planen und bauen auch die Uhrenmarken Swatch und Omega, Post, SBB und Swiss Re neue Hauptsitze, wofür sie zusammen weit über eine Milliarde Franken ausgeben. Wer in die USA blickt, sieht Ähnliches: Apple, Amazon und Facebook rüsten auf mit neuen Corporate Headquarters, die wie irre Raumschiffe oder überdimensionierte Gewächshäuser anmuten.

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Machtzentralen

Erstaunlich, eigentlich. Haben uns nicht die US-Technologieriesen gelehrt, dass man statt pendeln auch surfen kann? Obwohl Home Office propagiert wird und man heute fast jedes Projekt per Smartphone, Skype und Dropbox aus der Gartenbeiz managen könnte, wuchern neue Konzernzentralen, «physische Artefakte der Unternehmensidentität», wie es Sven Kunisch nennt, der seit sieben Jahren am Institut für Betriebswirtschaft an der HSG zum Thema Corporate Headquarters forscht.

Hauptsitze stehen oft im Verdacht, mehr überdimensionierte Arena der Machtpolitik als Hort von Innovation zu sein, und werden als Bullshit Castle, Papierfabrik und Wasserkopf verhöhnt. Warum nur wird in einer Geschäftswelt, die zunehmend virtueller und globaler wird, immer noch so viel Wert auf die konventionelle Firmenzentrale gelegt?

Weil Smartphone, Skype und Dropbox nicht reichen. Der reine Austausch von Informationen führe nicht zwangsläufig auch zu einer Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden, sagt Kuno Ledergerber, Leiter Zentrum für Human Capital Management an der School of Management and Law der ZHAW in Winterthur: «Kommunikation und Austausch nehmen mit zunehmender räumlicher Distanz stark ab.»

So sieht es auch Kunisch: «Die Firmen wissen um die Wichtigkeit, dass sich Teams physisch treffen.» Ledergerber betont: «Der Austausch von Wissen in der direkten Kommunikation ist ein wesentlicher Faktor für die Innovation.» Know-how sei ein imitationsgeschützter Wettbewerbsfaktor, der erst dann optimal wirke, «wenn die Mitarbeitenden auch ihr implizites Wissen und die damit verbundenen Erfahrungen der Organisation zur Verfügung stellen». Der Konzernsitz als Super-Brain: «Nicht das Wissen des Individuums ist entscheidend, sondern das Wissen der Organisation.»

Grösser und schöner

Auch wenn Investoren oft bemängeln, dass Hauptsitze zu viel Fett anlegten – einen Zusammenhang zwischen Performance und Headquarter-Grösse gebe es nicht, so Kunisch. «Dass ein kleineres Headquarter für die Leistung der Firma besser sei, konnte in empirischen Studien bisher nicht nachgewiesen werden.» In den siebziger Jahren, als der Trend hin zu Konglomeraten ging, wuchsen die Firmenzentralen, in den Neunzigern schrumpften sie unter dem Druck von Private-Equity-Investoren. Jetzt wird der Zentralisierungstrend wieder stärker: grössere IT-Abteilungen, Globalisierung, aufgestockte Compliance Departments.

Was aber macht ein gutes Headquarter aus? Was bringt die Synapsen zum Glühen im Firmen-Grosshirn? Für «Hochparterre»-Chefredaktor Köbi Gantenbein beruht der Erfolg «auf einem Firmenschild, das aus der allgemeinen Bauerei herausragt». Bürolisten sollen sich wohlfühlen bei der Arbeit und stolz sein auf ihren Arbeitgeber. Wenn sie denn das Gebäude auch einmal von aussen sehen – und nicht nur immer von innen.

 

*Köbi Gantenbein ist Chefredaktor von «Hochparterre», der Zeitschrift fürArchitektur und Design. Er kommentiert die Hauptsitze.

 

 

 

Andreas Güntert
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