Der ehemalige Schweizer Topmanager Fritz Gerber ist tot. Als Präsident von Zurich und später von Roche zählte er zu den prägendsten Figuren der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Geboren 1929 im Emmental, wurde der studierte Jurist 1965 Direktor bei den Zürich Versicherungen. Er arbeitete sich hoch bis zum Präsidenten der Generaldirektion (1974) und später bis zum CEO und Verwaltungsratspräsidenten (1977 bis 1991). Parallel dazu lenkte und prägte er auch den Basler Chemie- und Pharmakonzern Hoffmann La Roche, wo er ebenfalls als Präsident fungierte. 

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Seine Rolle als Konzernchef (1978 bis 1998) und Präsident (1978 bis 2001) von Roche ist bis heute spürbar: Es war Gerber, der 1990 den Kauf der kalifornischen Biotech-Firma Genentech für gut 2 Milliarden Dollar durchdrückte – ein Schritt, welcher den Charakter und die starke Stellung von Roche in den heutigen LifeSciences begründete. 1997 übernahm Roche unter Fritz Gerbers Boehringer Mannheim, ein wichtiger Schritt hin zur heutigen Position in der Diagnostik.

«Unter seiner Führung wurden die Konzern- und Führungsstrukturen von Roche grundlegend erneuert und modernisiert – von der Fokussierung auf die Kerngeschäfte bis zur Modernisierung der Kapitalstruktur», schreibt das Unternehmen in einem Nachruf: «Damit entstand bei Roche ein Klima des Aufbruchs, das bis heute unternehmerisches Denken und Handeln fördert und den Mitarbeitenden viel Entfaltungsspielraum gibt.»

War der Pharmakonzern bei Gerbers Eintritt 1978 noch mit 6 Milliarden Franken bewertet, betrug die Börsenkapitalisierung zwanzig Jahre später 150 Milliarden Franken oder 25-mal so viel.

Von Seveso bis San Francisco

Als der Sohn eines Schreinermeisters aus Huttwil bei Roche den Vorsitz übernahm, befand sich die Firma in einer tiefen Krise. «Wie ein Mühlstein», so Gerber einmal zur «Bilanz», hing die Chemiekatastrophe von Seveso, die sich zwei Jahre zuvor ereignet hatte, über dem Basler Traditionsunternehmen. Das Valium-Patent, das Roche während Jahren fette Gewinne beschert hatte, lief gerade aus, und in der Pipeline befanden sich nur wenige Erfolg versprechende Nachfolgeprodukte. In dieser schwierigen Situation gewann Paul Sacher, Dirigent und Roche-Präsident, den 49-jährigen Berner Fürsprech für das Amt eines eigentlichen Troubleshooters. Fritz Gerber empfahl sich für den heiklen Job, weil es ihm eben erst auf eindrückliche Weise gelungen war, die Zürich-Versicherung wieder auf Kurs zu bringen.

Wie sich herausstellen sollte, hatte sich der Basler Stardirigent in Gerbers Fähigkeiten nicht getäuscht. Der fackelte nicht lange und wechselte nach der Amtsübernahme fast die gesamte Konzernleitung aus, stiess zielstrebig Geschäftsbereiche ab, die mit dem Kerngeschäft nichts zu tun hatten, und verpasste dem Chemiemulti ein Rechnungswesen, das diesen Namen verdiente. Als einer der Ersten folgte Gerber auch dem Lockruf des Shareholder-Value und trimmte Roche – Hand in Hand mit seinem Finanzchef Henri B. Meier – im Verlauf der Neunzigerjahre zu einer Geldmaschine.

Anfang der Achtzigerjahre sorgte Gerber erstmals für branchenweites Aufsehen. Mit der britischen Glaxo handelte er ein innovatives Abkommen aus, wonach Roche das Erfolgsmedikament Zantac gegen Magengeschwüre in den USA gegen Provision vermarkten durfte. Netto spülte der Kooperationsvertrag den Baslern annähernd gleich viel in die Kasse wie diese auf dem amerikanischen Markt zuvor mit dem Blockbuster Valium verdient hatten. Im Versicherungsumfeld hatte Gerber den Wert einer guten Verkaufsorganisation schätzen gelernt. «Dieser Deal wäre mir nie gelungen, wenn ich in der Pharmabranche gross geworden wäre», sagte der fintenreiche Berner.

Der Genentech-Kauf – ein grosser Coup

Mit der Übernahme der kalifornischen Biotechnologiefirma Genentech landete Gerber 1990 dann seinen ersten ganz grossen Coup – ein für damalige Verhältnisse ausgesprochen mutiger Schachzug. 1994 folgte der Kauf der US-Gesellschaft Syntex, mit welcher der Konzern seine starke Stellung im Spitalmarkt zementierte, und drei Jahre später schliesslich die Akquisition der im Diagnostikbereich führenden Boehringer-Mannheim-Gruppe, ein Deal, von dessen Früchten der Pharmamulti bis ins Jahr von Covid-19 zehrt.

 

(rap – «Bilanz»)