Was macht ein Unternehmen wertvoll für die Gesellschaft? Das Zentrum für «Führung und Werte in der Gesellschaft» der Universität St. Gallen befragt seit gut einem Jahr oberste Führungskräfte in Privatwirtschaft, öffentlicher Verwaltung und Non-Profit-Unternehmen zu den grundlegenden Werten, die ihr Führungsverhalten prägen. Die Ergebnisse sind auch für den Beratungsmarkt höchst aufschlussreich.

In den bisher 40 Interviews bekunden die Befragten ausnahmslos, den gesellschaftlichen Wertbeitrag ihres Unternehmens weit über Profitabilitätsziele hinaus zu reflektieren. Um ihre Einschätzung gebeten, inwieweit ihre eigenen Sichtweisen vom gesellschaftlichen Umfeld geteilt würden, zeigt sich Erstaunliches: Über 80% der Führungskräfte sind der Ansicht, dass hier völlige Übereinstimmung herrsche. Oder mit anderen Worten: Der von ihnen als wertvoll (oder kritisch) eingeschätzte gesellschaftliche Beitrag des Unternehmens würde von der breiten Öffentlichkeit ebenfalls als wertvoll (oder kritisch) beurteilt.

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Repräsentative Befragungen in der Schweiz zeichnen aber regelmässig ein völlig anderes Bild des Managers, über drei Viertel der Bevölkerung sind der Meinung, diese würden ihre Aufgabe nur ungenügend wahrnehmen. Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären? Sind die Führungskräfte so abgehoben, oder bestehen grundlegende Meinungsverschiedenheiten darüber, was unter «gesellschaftlicher Wertschöpfung» zu verstehen ist?

Schlüssel liegt in der Balance

Welches sind die in Unternehmen heute dominierenden Wertmassstäbe? Die Grafik ganz oben zeigt in pointierter Form die gängigsten Orientierungen: Shareholder Value, Stakeholder Value, Corporate Social Responsibility und Customer Value. In der Praxis sind die Übergänge zwischen den Ansätzen fliessend. Das Schema verdeutlicht aber ein wichtiges Grundprinzip: Es ist nicht möglich, einen Ansatz über den anderen zu stellen. Der Schlüssel liegt auch hier in der Balance und damit in einer ganzheitlichen Betrachtung. Wir bezeichnen diese gesellschaftliche Wertschöpfung als Public Value. Er wird dann geschaffen (oder zerstört), wenn das Erleben und Verhalten von Personen und Gruppen so beeinflusst wird, dass dieses den gesellschaftlichen Zusammenhalt, das Gemeinschaftserleben und die Selbstbestimmung des Einzelnen positiv (oder negativ) prägt. In diesem Unternehmensverständnis und Menschenbild müssen unternehmerische Entscheide gleichwertig an folgenden Kriterien gemessen werden:

Stiften sie finanziell-ökonomischen Nutzen?

Sind sie moralisch vertretbar?

Sind sie sachlich-inhaltlich sinnvoll?

Sind sie sozial-zwischenmenschlich akzeptabel?

Werden positive und angenehme Erfahrungen ermöglicht?

So wie Vertrauen nicht einfach geschaffen werden kann, sondern aus vielfältigen Einschätzungen resultiert, kann man auch die Wertschätzung für unternehmerisches Handeln nicht einfach voraussetzen. Diese muss man sich durch verantwortungsvolles Unternehmertum erarbeiten.

Woran können sich Führungskräfte heute sinnvoll orientieren, wenn sie sich gesellschaftlich verpflichten wollen? Sicherlich nicht allein an abstrakten Prämissen. Ihre Ideen müssen in den Köpfen der Bürger ankommen, von diesen angenommen und verinnerlicht werden. Aus diesem Grund haben Schweizer Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft eine «Verantwortungspyramide» (Grafik unten) entwickelt, auf deren Basis der Dialog zwischen Öffentlichkeit und Wirtschaft wieder in Gang gesetzt werden soll. Die einzelnen Stufen der Pyramide lassen sich wie folgt charakterisieren:

1. Schäden für die Gesellschaft weder fördern noch dulden: Ausgangsbasis bildet das Bemühen, nicht wissentlich Schaden anzurichten. Dazu gehört, eigenes und fremdes Verhalten abzulehnen, das im Gewinninteresse gravierende soziale, ökologische oder kulturelle Schäden in Kauf nimmt.

2. Gesellschaftliche Wertschöpfung anstreben: Schaden von der Gesellschaft abzuwenden ist allein noch keine Geschäftsgrundlage. Diese entsteht erst durch eine Verankerung jeder Geschäftsidee in den Bedürfnissen der Menschen. Wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen leisten wertvolle Beiträge durch eine Leistungserstellung, die sich am Gemeinwohl orientiert - und nicht dieses nebenbei auch noch fördert.

3. Langfristig Profitabilität und wirtschaftliche Ressourcen schaffen: Der finanzielle und ökonomische Erfolg ist ein wichtiger Teil gesellschaftlicher Wertschöpfung. Gesellschaftlich verantwortbar ist deshalb nur, was nachhaltig profitabel ist. Für das Streben nach ihren Wertbeiträgen müssen Unternehmer offen und breit über ihre langfristigen Gewinnvoraussetzungen kommunizieren.

4. Anstand in Graubereichen zeigen: Jeder Unternehmer steht vor Entscheidungen, die zwar legal und profitabel sein können, aber nicht als legitim gelten und das Gerechtigkeitsempfinden massiv verletzen. Der gesunde Menschenverstand ist mehr denn je gefragt.

Die Umsetzung einer solchen Selbstverpflichtung ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe; die Pyramide ist ein erster unvollkommener Schritt dazu. Diese darf nicht abgehoben sein, sondern muss realen Erwartungen von Gesellschaft und Wirtschaft entsprechen. Sie muss Inhalt und Messbarkeit so präzisieren, dass sich Unternehmen und Führungskräfte aktiv engagieren können. Und sie muss so kommunizierbar sein, dass eine breite Öffentlichkeit sie als glaubwürdigen Schritt zur Wiederherstellung des Vertrauens in der heutigen Krise versteht. Auch auf die Unternehmensberater wartet viel Arbeit.