Bei der Mediterranean Shipping Company (MSC) wird Verschwiegenheit grossgeschrieben. Interna und Finanzzahlen geraten eigentlich nie an die Öffentlichkeit. Still und leise vergrössert die MSC ihr Imperium. Seit 2022 ist sie die grösste Reederei der Welt – alles gesteuert vom Hauptsitz in Genf aus, wo man Diskretion schätzt. Der ehrgeizige Wachstumskurs hat nun aber dazu geführt, dass der Familienkonzern des medienscheuen Patrons Gianluigi Aponte (85) nun plötzlich zwischen die Fronten gerät. Und deswegen im Scheinwerferlicht steht.
Auslöser ist ein Mega-Deal über 23 Milliarden Dollar. Der Hongkonger Multimilliardär Li Ka-shing (96), ein langjähriger Geschäftspartner von Aponte, will 43 Frachtterminals an ein Konsortium um die US-Investmentfirma Blackrock und eben MSC verkaufen. Teil des Deals sind zwei Hafenanlagen, um die sich die zwei mächtigsten Staatslenker der Welt streiten. Sie befinden sich am Panamakanal.
Im Kreuzfeuer des Streits zwischen Trump und Xi
Anfang Jahr hatte Donald Trump (79) gepoltert, China sei der Betreiber des Panamakanals. Der US-Präsident meinte damit wohl Li und dessen Konzern CK Hutchison, dem die zwei Frachtterminals am Nord- und am Südende des Kanals gehören – immer noch. Dabei hätte der Verkauf, der Blackrock laut NZZ die Mehrheit an den beiden Terminals sichert, eigentlich längstens über die Bühne gehen sollen. Doch der Deal verärgerte wiederum China. Staatspräsident Xi Jinping (72) liess diesen mittels kartellrechtlicher Untersuchung stoppen.
Die Wirtschaftsgranden Aponte und Li sind mit ihrem Milliarden-Deal also ins Kreuzfeuer des geopolitischen Streits zwischen Trump und Xi geraten. Selbst für sie scheint die Angelegenheit eine Nummer zu gross – obwohl beide als gewiefte Geschäftsmänner gelten. Li hat sich dank lukrativer Deals den Spitznamen Superman erarbeitet. Das «Manager Magazin» betitelte Aponte wegen seiner Unnachgiebigkeit in Verhandlungen einst als «Käpt’n Gnadenlos».
Was Aponte besonders ärgern dürfte: Von Panama aus gab es Monopol-Vorwürfe in Richtung MSC. «Es besteht ein potenzielles Risiko der Kapazitätskonzentration, wenn der Deal so zustande kommt, wie er derzeit strukturiert ist», sagte Kanalchef Ricaurte Vásquez der «Financial Times». Er bemängelt damit genau das, was den Deal für MSC so lukrativ macht. Geht der Deal durch, steigt der Genfer Konzern auch zum weltweit grössten Terminalbetreiber auf. Plötzlich wäre er im Containergeschäft die Nummer 1 – auf See und an Land.
Vom einfachen Matrosen zum Multimilliardär
Auf die Kritik hat Aponte reagiert wie immer: mit Schweigen. Er gibt so gut wie nie Interviews, taucht äusserst selten in der Öffentlichkeit auf – fast schon wie ein Phantom. Die grosse Ausnahme sind Taufen eines seiner neuen Kreuzfahrtschiffe. Denn MSC ist auch eine Kreuzfahrtgesellschaft. Bei solchen Schiffstaufen lässt der strenge «Comandante», wie der italienische Schiffskapitän intern ehrfurchtsvoll genannt wird, durchaus etwas Glamour zu. Stets mit dabei: die mit der Familie befreundete Filmdiva Sophia Loren (90), die wie der MSC-Patriarch in der Region von Neapel aufgewachsen ist.
Der hängige Hafendeal ist aber auch Ausdruck von Apontes stetigem Aufstieg, der einer klassischen Tellerwäscherkarriere entspricht. Vom simplen Matrosen aus einer Kleinstadt am Golf von Neapel hat er es zum mächtigen Reederei-Chef in Genf geschafft – zusammen mit seiner Frau, der einstigen Schweizer Bankierstochter Raffaela Aponte-Diamant (80). Beiden gehört MSC zu 50 Prozent. Das US-Magazin «Forbes» führt sie als reichste Frau der Welt, die ihr Reichtum selbst erarbeitet, also nicht geerbt hat. Das gemeinsame Vermögen des Ehepaars Aponte schätzt die «Bilanz» auf 20,5 Milliarden Franken.
Mittlerweile hat auch der Nachwuchs immer mehr zu sagen: Sohn Diego (53) leitet als Präsident der Gruppe die Geschicke des Unternehmens. Tochter Alexa (50) kümmert sich um die Finanzen, Schwiegersohn Pierfrancesco (64) führt die Kreuzfahrtgeschäfte. Die MSC ist damit ein klassisches Familienunternehmen. Eines, das aus dem Nichts nach draussen dringt. Und das lieber abseits der Öffentlichkeit agiert – was ihm zurzeit nicht ganz gelingt.