Die Flugzeugbauer Boeing und Airbus haben lange auf gigantische Jumbojets gesetzt - das droht sich jedoch als teure Fehlannahme zu entpuppen. Bei der Airshow in Farnborough werden nun Mittelwege ausgelotet. Doch die Erzrivalen bewerten die Lage unterschiedlich.

Für Flugzeugbauer und Airlines ist es eine Glaubensfrage: Wie hältst du's mit den Riesenjets? Ob Boeings Jumbo 747-8 oder der doppelstöckige Airbus A380: Die ganz grossen Flieger sind auch auf der Luftfahrtmesse in Farnborough ein wichtiges Thema - gerade weil ihre Zukunft wegen dürrer Nachfrage in den Sternen steht.

Jetzt streicht Airbus die A380-Produktion sogar um mehr als die Hälfte zusammen. Gehört der Himmel künftig mittelgrossen Flugzeugtypen wie Boeings «Dreamliner» und dem Airbus A350? Die grossen Hersteller sind sich offiziell uneins - und orientieren sich doch beide zur Mitte hin.

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Kein Geld verdient

Grösser, länger und ausdauernder: Lange schien die Flugzeugentwicklung vor allem diese Richtung zu kennen. Hatte Boeings Jumbo als weltgrösster Passagierjet in den 1970er Jahren Fernreisen erschwinglich gemacht, setzte Airbus aus Europa mit der A380 im neuen Jahrtausend noch einen drauf. Fortan war der Doppelstöcker mit Platz für bis zu 853 Passagiere Spitzenreiter. Herausgefordert, steckte Boeing Milliarden in einen neuen Jumbo 747-8 - und muss jetzt noch mehr als Airbus fürchten, dem falschen Trend gefolgt zu sein. Geld verdient haben beide mit den modernen Riesenjets noch nicht.

Zwar führen Langstreckenflüge grossenteils weiterhin über grosse Flughäfen wie London, Peking oder Frankfurt, an denen sich mit Zubringern aus der Provinz riesige Maschinen füllen lassen. Doch seit Boeings erster «Dreamliner» 2011 in den Liniendienst ging, bricht das Drehkreuz-System vielerorts auf.

Mit dem sparsamen Hightech-Jet, der je nach Version etwa 240 bis 330 Fluggäste fasst, rechnen sich für die Airlines Direktverbindungen auch zwischen kleineren Städten. Und die Passagiere sparen sich das Umsteigen. Noch am Montag liess sich Airbus-Verkaufschef John Leahy seine Überzeugung von der A380 nicht nehmen. Fast 1500 Riesenjets würden in den nächsten 20 Jahren benötigt, zeigt er sich auf der Airshow überzeugt. Sein Boeing-Kollege Randy Tinseth erwartet jedoch nur gut ein Drittel davon.

Nicht genug Bestellungen

Am Dienstagabend dann die Kehrtwende: Airbus-Chef Fabrice Brégier kündigte an, die A380-Produktion von zuletzt 27 Jets ab 2018 auf 12 Maschinen pro Jahr zusammenzustreichen. Der Grund: Zu wenig Bestellungen. Leahys Hoffnung, dass weltweit immer mehr riesige «Megacities» entstehen und das die Nachfrage nach der A380 antreibt, hat sich bisher nicht erfüllt.

Ausser Grosskundin Emirates hat seit Jahren keine Airline eine grössere Anzahl A380 geordert. Boeing baut beim Jumbo aus der Not heraus ohnehin auf die Frachtversion, von der sie auf der Airshow 20 Stück losschlug. Die Produktionskürzung auf nur noch 6 Jumbos pro Jahr hat Boeing schon vor einigen Monaten eingeleitet.

Auf der Airshow zeigte sich auch an anderer Stelle der Trend weg von den Riesenjets: Die Fluglinie Virgin Atlantic des Milliardärs Richard Branson, die von Grossbritannien aus zu Fernzielen in aller Welt startet, will ihre alten Boeing 747 durch die Langversion des Airbus A350 ersetzen.

Gestreckte Versionen

«Die A350-1000 erfüllt unseren Bedarf derzeit am besten», sagt Airline-Chef Craig Kreeger. Typischerweise bietet der Flieger Platz für 366 Fluggäste. Airbus-Chef Brégier denkt bereits darüber nach, die A350 noch weiter zu strecken - um Platz für 400 Menschen zu schaffen.

Mit dem Verlängern bestehender Flugzeugtypen drängen Airbus wie Boeing zur Mitte. Der US-Flugzeugbauer bereitet sich auf den Start seines Langstreckenjets 787-10 vor - der bisher längsten Version des «Dreamliner». Auch die Neuauflage des grösseren, älteren Langstreckenjets 777, der Ende des Jahrzehnts als 777X auch bei der Lufthansa an den Start gehen soll, könnte eine Langversion als 777-10X erhalten, bestätigt Boeing-Verkehrsflugzeugchef Ray Conner.

Auch bei den stark gefragten Mittelstreckenjets, bei denen es nur einen Mittelgang zwischen den Sitzen gibt, begeistern sich die Airlines immer stärker für die gestreckten Versionen. So verkauft Airbus von seiner A320neo-Familie immer mehr Exemplare der längeren A321neo. In einer Langstreckenvariante kann der Jet auch zu Flügen über den Atlantik starten.

Auch Boeing-Manager Conner erwägt, seine konkurrierende 737-MAX-Reihe um eine verlängerte Version «MAX-10» zu ergänzen. Und er feilt an Ideen für einen neuen Jet, der zwischen Langstrecke und Mittelstrecke angesiedelt sein soll - und eine Nachfolgerin der bereits eingestellten Boeing 757 wäre. «Es gibt dafür ganz sicher einen Markt», sagt Conner. Mit so einem effizienten Flugzeug würden ganz neue Städteverbindungen rentabel, verspricht er.

Eine Frage der Effizienz

Sein Airbus-Kollege Leahy kann sich das nicht vorstellen. «Wir bedienen diesen Markt mit unserer A321neo und der A330neo schon jetzt», hält er auf der Airshow dagegen. Das effizienter hinzubekommen, werde Boeing schwerfallen. Auch Conner weiss, dass das Zeit braucht. Vor Mitte des nächsten Jahrzehnts dürfte der Flieger kaum fertig sein.

Bei Airbus scheint die Hoffnung zuletzt zu sterben. Der Hersteller will sich für eine mögliche Renaissance der A380 bereithalten: 2025 könnte auch bei den Riesenjets ein neues Kapitel angebrochen sein.

(sda/ccr)