Die Agglomeration Zug ist eines der grossen Zentren des weltweiten Rohstoffhandels. Da wirkt der Sitz eines bodenständigen Schweizer Familienbetriebs, der seit über 50 Jahren Verpackungsmaschinen für die Holz- und Stahlindustrie herstellt, scheinbar fehl am Platz. Aber eben nur scheinbar: Auch bei der Fromm Holding laufen die Fäden eines weltweiten Netzes zusammen. Die dreiköpfige Geschäftsleitung um Geschäftsführer und Alleinbesitzer Reinhard Fromm sowie eine fünfköpfige Crew von Speditionsexperten koordinieren eine Firma, die 1998 mit 300 Mitarbeitern einen Umsatz von 84 Millionen Franken erzielte.

Produziert werden die Fromm-Umreifungsmaschinen für das Zusammenbinden von schweren Gütern, das so genannte «Unitizing», seit Anfang der Siebzigerjahre im norditalienischen Caprino in der Nähe von Verona, «weil wir in der Schweiz keine Arbeitskräfte für die Ausweitung der Produktion gefunden haben», wie Reinhard Fromm betont. Aber auch in Italien sind nur gut die Hälfte der 300 Fromm-Angestellten beschäftigt. 15 Personen arbeiten bei der Schweizer Tochter in Spreitenbach, knapp 30 in der Entwicklungsabteilung im badischen Achern, und der grosse Rest von rund 100 Personen kümmert sich in acht Auslandniederlassungen ausschliesslich um den weltweiten Verkauf und Support. Dabei sind die Mitarbeiter der zahlreichen Vertriebspartner der Fromm Holding noch gar nicht eingerechnet. Da dürfte noch einmal eine stattliche Zahl zusammenkommen, denn die Firma ist nur in Europa mit eigenen Niederlassungen präsent, macht aber knapp die Hälfte des Umsatzes in Nordamerika, Ostasien und Südamerika.

Für Thérèse Künzli, Leiterin Exportberatung bei der Schweizerischen Zentrale für Handelsförderung (OSEC), widerspiegeln diese Zahlenverhältnisse zwischen den Angestellten in der Produktion und den Angestellten in Verkauf und Support die Realität in der globalisierten Weltwirtschaft: «Die Qualität der Produkte gleicht sich immer mehr an. Heute werden die Güter mehr und mehr über das Drumherum verkauft, über den Service und den Support.» Die Fromm Holding trägt dem Rechnung: «Wenn ein Kunde anruft, sind wir in der Regel innerhalb von 24 Stunden bei ihm - weltweit», sagt Reinhard Fromm.

Heute agiert die Fromm Holding gezwungenermassen als Global Player mit einer hocheffizienten Organisationsform. Das war nicht immer so. Der erste Sitz der Firma lag im Zürcher Kreis 4, und als Reinhard Fromm 1961 in den väterlichen Betrieb einstieg, wurde das Personal für einfache Arbeiten nicht selten in der nahe gelegenen Langstrasse rekrutiert. Damals belieferte die Firma noch weit gehend Sägereien aus dem Raum Zürich. Die Wende zum internationalen Maschinenbauer kam erst mit der zweiten Generation: «Wir haben den Betrieb auf Vordermann gebracht», sagt Fromm. Und weil die Holz- und Stahlindustrie in der Schweiz laufend schrumpfte, konnte das Heil nur in einer konsequenten Exportpolitik liegen. Der Exportanteil nahm laufend zu und liegt heute bei über 90 Prozent. Um jährlich 10 Prozent steigt auch der Umsatz, weshalb Reinhard Fromm mittelfristig auch ein Initial Public Offering (IPO) nicht mehr ausschliesst.

«Wir bearbeiten selbst im Segment der Verpackungsmaschinen nur eine Nische, und diesen Weg wollen wir weiterverfolgen», umreisst Fromm seine Vorwärtsstrategie. Damit ist er einer Philosophie verpflichtet, welche die Schweiz zu den grössten Maschinenexporteuren der Welt gemacht hat, und die auch dazu geführt hat, dass die Maschinenindustrie für jeden zweiten Franken verantwortlich ist, den die Schweiz im Ausland verdient. So typisch auf diesem Hintergrund die Fromm Holding ist, so untypisch ist die Katadyn aus dem zürcherischen Wallisellen. Die Firma agiert nicht in einer traditionellen Domäne der helvetischen Exportindustrie und produziert für einen Markt mit vier Milliarden Kunden. So viele Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sind deshalb potenzielle Käufer der Katadyn-Trinkwasserreinigungsfilter.

Verglichen mit der Spezialmaschinenindustrie, wo sich Anbieter und Kunden in der Regel kennen, stellt das völlig andere Anforderungen ans internationale Marketing; Anforderungen, denen das Katadyn-Management namentlich zu Beginn der Neunzigerjahre nicht gewachsen war. Die Firma baute Arbeitsplätze ab und verlor Geld. Die Wende kam erst mit dem Einstieg eines erfahrenen Exportmanagers. Sein Name ist Adrian Schmassmann, und er hat in den drei Jahren, seit er nun Geschäftsführer der Katadayn ist, aus dem Sorgenkind einen hochprofitablen Musterknaben gemacht. Den vorläufigen Lohn für seine Bemühungen hat der frühere Saurer-Manager Anfang Jahr eingestrichen: Er hat den Betrieb via Management-Buyout (MBO) übernommen.

«Wer einen kranken Betrieb sanieren will, muss auch tief ins gesunde Fleisch schneiden», zitiert Schmassmann seinen früheren Chef Ernst Thomke, an dessen Rat er sich strikt gehalten hat. Zunächst bereinigte er die Produktpalette der Katadyn: Den Bereich der grossen Wasserdesinfektionsanlagen für den Gebrauch in kommunalen Trinkwasseraufbereitungen und Industrien, der bisher rund zwei Drittel des Umsatzes ausmachte, fusionierte er mit einem Konkurrenten. Seither produziert die Firma nur noch portable Filtersysteme sowie das Produkt Micropur für die Instantwasseraufbereitung.

«Die Bruttomarge bei diesen Produkten beträgt rund 70 Prozent», erklärt Schmassmann den deutlichen Schritt, und er ist überzeugt: «Wenn die Qualität stimmt, kann man gar nicht anders, als Geld zu verdienen.» Das Produkt war gut, woran es jedoch fehlte, war die geeignete Vertriebsorganisation. So kostete allein die amerikanische Katadyn jedes Jahr eine Million Dollar mehr, als sie einbrachte. Der Grund: Die drei Mitarbeiter kamen kaum über den heimatlichen Wüstenstaat hinaus; für den Rest des Kontinents mit den grossen Zentren fehlten die Ressourcen.

Radikal zog Schmassmann die Konsequenzen. Den Direktvertrieb stellte er völlig ein, die Auslandsniederlassungen wurden geschlossen, das Agentennetz aufgelöst. Stattdessen erarbeitete er eine Vorgehensweise, die exakt auf die Eigenheiten der jeweiligen Zielmärkte zugeschnitten war: In den gesättigten Märkten des OECD-Raumes setzte er auf den Outdoor- und Trecking-Bereich. Er suchte nach einem geeigneten Vertriebskanal und fand in der finnischen Suunto-Gruppe den idealen Partner. Die Finnen sind in der Outdoor-Branche weltweit ein Begriff und hatten ein starkes Interesse am Katadyn-Filter, denn er schloss eine Lücke in ihrer Produktpalette. In Asien hingegen, wo mehr als zwei Milliarden Menschen unter chronischer Trinkwasserknappheit leiden, zog Schmassmann ein Franchisingsystem auf. Und er ist nun daran, als dritte Sparte Produkte für das Original Equipment Manufactoring (OEM) zu entwickeln. Damit spricht er Firmenkunden an, welche die Katadyn-Filter in eigene Wasseraufbereitungsprodukte einbauen.

«Branchen-Know-how kann man sich immer aneignen», sagt Adrian Schmassmann, der bis zu seinem Eintritt bei der Katadyn kaum wusste, dass sich mit der Wasseraufbereitung Geld verdienen lässt. Im Exportgeschäft sei es viel wichtiger, die Gesetze des internationalen Handels zu kennen. Dann lassen sich auch in Vertrieb und Produktion die Weichen richtig stellen. So werden die Filtersysteme für den Fernen Osten nur zum Teil in Wallisellen produziert; die einfacheren Komponenten werden in Südkorea eingekauft und montiert. Verantwortlich dafür ist der General-Franchisenehmer der Katadyn in Seoul.

«Viele Schweizer KMU mit guten Produkten scheuen das Risiko eines Auslandengagements, weil sie glauben, es übersteige ihr Know-how und ihre Ressourcen», glaubt die OSEC-Frau Thérèse Künzli. Dass viele dieser Befürchtungen auch berechtigt sind, zeigt das Beispiel der alten Katadyn-Mannschaft. Anderseits ist erstaunlich, welche Erfolge Unternehmer erzielen, die das Exportgeschäft zur Kernkompetenz erklären. Didier Ray zum Beispiel hat zusammen mit einem Partner innerhalb weniger Jahre eine Firma aufgezogen, die heute bereits einen Viertel ihrer Produkte exportiert.

Ray vertreibt unter dem Namen Inovit Multimineralgetränke beziehungsweise die Konzentrate dazu. Entwickelt wurden die Konzentrate vom Apotheker Ray, produziert werden sie jedoch seit dem Firmenstart im Jahr 1994 von einem Aargauer Lohnfabrikanten für Pharmaprodukte. Ray selbst konzentrierte sich auf das Marketing. Mit Erfolg: Über Fitnessklubs und Saunen fasste Inovit schnell Fuss im Schweizer Markt, und Ray wagte bereits im zweiten Betriebsjahr den Sprung über die Grenze. Dass bei diesem forschen Auftreten Fehlschläge nicht ausbleiben konnten, liegt auf der Hand. Auch Didier Ray hat Lehrgeld bezahlt. In Österreich zum Beispiel hat er die Resultate seiner Marktrecherchen in Vorarlberg etwas voreilig auf das übrige Land extrapoliert und ist gescheitert.

Heute wird Inovit in Österreich mit Erfolg von einem Pharmagrossisten vertrieben. Der Flop hat Jungunternehmer Ray aber gezeigt, wie wichtig die richtige Wahl des Absatzkanals ist, und entsprechend gut geplant ist nun der Auftritt auf dem Riesenmarkt Deutschland: Anstatt zu versuchen, die reinen Getränkekonzentrate an Tausende von einzelnen Fitnesscentern zu vertreiben, entwickelte er mit einem Ingenieur zusammen ein neuartiges Mixgerät für Instantgetränke, einen so genannten Dispenser. Dieser spart dem Studiobetreiber Wartungszeit und Strom, weshalb Ray auch schon einige grosse Vertriebspartner aus dem Fitnessbereich gefunden hat. Einer davon ist zum Beispiel ein Vertreiber von EDV-Gesamtlösungen. Mit dem Inovit-Dispenser im Angebot kann er der Kundschaft nun auch den Getränkeausschank in die betriebliche Informationstechnologie integrieren.

So verdient Ray einerseits mit dem Dispenser und hat anderseits einen Fuss in den Studios. Wobei die Studios wiederum nur Türen öffnen sollen: Mittelfristig will er Inovit auch über den Fachhandel, langfristig sogar über Grossverteiler an die gesundheitsbewussten Deutschen verkaufen. Und weil Deutschland der europäische Leitmarkt ist, kann auch das nur ein Anfang sein. Die Holländer haben jedenfalls schon bewiesen, dass ihnen Inovit schmeckt: Inovit Holland hat seine Verkäufe im vergangenen Jahr um 50 Prozent gesteigert.

Einbrüche und Umsatzsprünge, wie sie die Inovit Pharma in den vergangenen Jahren erlebt hat, stehen für eingeführte und weltweit präsente Firmen wie die Fromm Holding oder die Katadyn nicht mehr zur Debatte. Dort geht es nicht darum, neue Märkte zu erobern, sondern das eroberte Terrain zu halten und es bei einer günstigen Gelegenheit mit neuen Niederlassungen oder Produkten zu arrondieren. Im Zeitalter der fallenden Handelsschranken bedeutet das aber nicht, dass die Herausforderung bei den Arrivierten kleiner wäre. Hans J. Pleitner, Wirtschaftsprofessor am Institut für gewerbliche Wirtschaft an der Universität Sankt Gallen, spricht denn auch davon, dass im wechselvollen Gang einer internationalen Expansion bei einem KMU-Chef immer neue unternehmerische Fähigkeiten gefragt seien. Je nach Internationalisierungsgrad sollte der KMU-Chef entweder «Pionier», «Organisator» oder «Allrounder» sein.

Auch Didier Ray wird sich mit dem Wachstum neuen Herausforderungen stellen müssen. Er ist zuversichtlich, dass es ihm gelingen wird. Nicht zuletzt, weil ihm das Export-Know-how gewissermassen im Blut liegt. Sein Grossvater heisst Willi Studer und hat mit Revox eine Weltmarke aufgebaut. Der Enkel erinnert sich noch heute: «Bei uns war schon am Mittagstisch von internationalen Geschäften die Rede.»

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