Über neue Kundschaft müsste ich mir als CEO einer Schweizer Privatbank angeblich keine grossen Sorgen machen. Schliesslich konnten wir jüngst im «World Wealth Report 2005» lesen, dass es 2004 weltweit 8,3 Millionen Dollarmillionäre gab und dass deren Vermögen bis ins Jahr 2009 um jährlich 6,5 Prozent weiterhin überdurchschnittlich wachsen wird. Was der Report allerdings auch zeigt: Betrachten wir unsere Schweizer Heimat, fällt das Wachstum an Millionären doch eher bescheiden aus. Vor diesem Hintergrund stellen sich für Banken mit starker helvetischer Verankerung besondere Herausforderungen, sowohl gegen aussen wie auch in innerbetrieblicher Sicht.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die am weitesten verbreitete Strategie für Privatbanken liegt im Wachstum des verwalteten Kundenvermögens. Die Ausdehnung der Geschäftsbasis und die dadurch neu erwirtschaftbaren Erträge erlauben es, sich im Umfeld von steigenden Kundenansprüchen und höheren Kosten zu behaupten. Unser Markt wächst zwar, allerdings nicht vor der Tür. Die neuen potenziellen Kundinnen und Kunden stammen aus dem internationalen Ausland; wenn es nach den Prognosen im «World Wealth Report» geht, dann zum Beispiel hauptsächlich aus Singapur, Südafrika oder Hongkong, wo es allein im vergangenen Jahr mehr als 18 Prozent neue Millionäre gab. Zu wissen, wo sich neue Märkte auftun, ist das eine. Das andere ist zu wissen, welche Bedürfnisse die Kunden haben. Nebst eigenen Beobachtungen ist auch in verschiedenen Studien nachzulesen, was der moderne und kompetente Kundenberater alles wissen und können soll. Die Erkenntnis aus beiden Quellen ist: Die Kundenanforderungen entwickeln sich immer mehr dahin, dass das Finanzinstitut fähig sein muss, die Vermögensverwaltung über mehrere Generationen hinweg sicherzustellen. Der Generationenwechsel wird also zur entscheidenden Frage im Wettbewerb um neue Kunden.

In den nächsten 20 Jahren finden gewaltige Vermögensübertragungen statt, die von der in die Jahre gekommenen Babyboomer-Generation getrieben werden. Gemäss einer Umfrage möchten vermögende Privatpersonen ihr Eigentum im Rahmen der Vermögensaufteilung zu zwei Dritteln vererben und zu einem Viertel für wohltätige Zwecke stiften. Sie befürchten jedoch, dass sie stattdessen über ein Drittel ihres Vermögens an den Fiskus abgeben müssen und weniger als geplant ihren Nachkommen vererben können.

Im Zusammenhang mit dem Generationenwechsel ergeben sich damit spezielle Anforderungen: Private Banker müssen sich auskennen in der umfassenden Vermögensplanung, den Trust-Angeboten, aber auch bei den philanthropischen Angeboten zwecks Vermögenserhaltung und gezielten Vermögenstransfers. Für Banken heisst das, dass sich das Wealth-Management zusehends zu einem Mehr-Generationen-Thema entwickelt, bei dem insbesondere der steueroptimierte Vermögensübergang im Zentrum des Interesses steht. Wer hier zur Spitze gehören will, muss über ein exzellentes Expertennetzwerk verfügen, auf das man zu tiefen Kosten fallweise zurückgreifen kann.

Die Anforderungen der Kunden werden sich darüber hinaus besonders auch gegenüber den Beratern verändern. Zunehmend wird von diesen erwartet, im Gespräch und in ihren Handlungen aktiv das sophistizierte Risikomanagement, eine dynamische Asset-Allocation und die objektive Beratung innerhalb einer offenen Produktearchitektur einzubeziehen. Die Kundenberaterinnen und Kundenberater sehen sich dadurch einer neuen Art von Privatkunden gegenüber, die zunehmend das Anforderungsprofil von professionellen institutionellen Investoren aufweisen.

Wie können wir Schweizer Privatbanken diese Marktentwicklungen antizipieren? Drei Trends sind zu erkennen. Der markanteste Trend ist eine voranschreitende Konsolidierung, die durch den Wunsch ausländischer Banken, einen Schweizer Vermögensverwalter in ihren Reihen zu haben, verstärkt wird. Grössenvorteile allein werden aber nicht ausreichen, um die steigenden Anforderungen zu befriedigen.

Die Spezialisierung auf Teile der Wertschöpfungskette ist ein weiterer Trend. Erste Ansätze gibt es bereits, doch bis heute wurden sie in letzter Konsequenz noch nicht umgesetzt. Sicherlich sind aber das Zusammengehen in den Bereichen «global custody» sowie Börsenhandel und -abwicklung prominente Beispiele für diesen Trend. Neben der Konsolidierung und dem Aufbrechen der Wertschöpfungskette versuchen insbesondere grosse Anbieter, Kunden durch ganze Spezialistenteams beraten zu lassen. Das hilft der Bank, das Know-how so umfassend, so effizient und so oft wie möglich zur Verfügung zu stellen. Als Nebeneffekt stärkt diese Vorgehensweise die Bindung des Kunden an die Bank und weniger an einzelne Personen.

Wie auch immer die Verantwortlichen der Banken die Entwicklungen lesen und versuchen vorwegzunehmen, müssen sie auf eines besonders achten: das regulatorische Umfeld. Denn steigende Anforderungen zwingen uns wie auch unsere Kunden zur umfassenden Compliance-Sicherstellung der Kundenbeziehung. Ich möchte vor diesem Hintergrund nur kurz an die Stichworte «Steueramnestien in Europa», «Qualified Intermediary» (US-amerikanische Kunden) oder «EU-Quellensteuer» usw. erinnern. Eine denkbare Strategie, auf den zunehmenden regulatorischen Druck zu reagieren, besteht darin, ein internationales Onshore-Netzwerk in den Zielmärkten aufzubauen.

Die von den Schweizer Grossbanken seit mehreren Jahren vehement verfolgten Onshore-Strategien in Nordamerika, Europa und Asien erfordern hohe Investitionen, weil das gewünschte Wachstum in nützlicher Zeit vornehmlich durch grössere Akquisitionen zu erzielen ist. Die bei diesem Vorgehen unvermeidbaren Durststrecken können in der Schweiz im Moment wohl lediglich die beiden Global Player der Vermögensverwaltung durchstehen.

Wenn man sich die Geschäftszahlen der Grossbanken ansieht, wird deutlich, dass diese durch die eingeschlagene Onshore-Strategie immer unabhängiger vom Heimmarkt Schweiz werden und einen Grossteil ihres Wachstums im Auslandgeschäft erzielen. Trotz dem Trend zur Konsolidierung bleibt aber, so bin ich überzeugt, genügend Platz für spezialisierte Institute, die mit einer Nischenstrategie erfolgreich sein können.

Als Konsequenz und Aufgabe für Schweizer Privatbanken lassen sich folgende Schlussfolgerungen zur Zukunft der Vermögensverwaltung im Allgemeinen und für auf die Schweiz orientierte Anbieter im Besonderen ziehen: Trotz allen Konsolidierungstrends ist Vermögensverwaltung ein persönliches Geschäft, in dem kompetente, agile und auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtete Nischenplayer exzellente Perspektiven in einem wachsenden Markt haben.

Der flächendeckende Ausbau internationaler Onshore-Präsenz ist für kleinere und mittelgrosse Vermögensverwalter kein systematischer Hebel zur Erzeugung von nachhaltigem Wachstum. Die Organisationsstrukturen müssen so entwickelt werden, dass Produkt- und Vertriebsprozesse perfekt aufeinander abgestimmt sind. Die Reduktion der Komplexität und administrativer Hürden sowie die Verbesserung der Produktivität müssen neben der Ertragssteigerung die vorrangigen Ziele sein. Der Wettbewerb um die Kunden kann nur gewonnen werden, wenn die Qualität von Mitarbeitern und Dienstleistungen ständig weiterentwickelt wird. Eine klare Fokussierung auf die eigenen Stärken, gepaart mit einer langfristig ausgerichteten Geschäftsplanung, ist für den Erfolg im Wettbewerb entscheidend.
Die Perspektiven für Schweizer Banken können also durchaus positiv bewertet werden. Es gilt aber, sich als Unternehmen immer wieder neu den Herausforderungen anzupassen und sich dem Kunden gegenüber ein Leben lang als Vertrauensstelle für Geldfragen zu empfehlen.

Peter E. Merian (55) ist seit 1994 CEO der Bank Sarasin & Cie. Vor seinem Eintritt in die Bank leitete er von 1981 bis 1987 die Börsen-Informations AG und die Basler Börse. Merian ist unter anderem Mitglied des Verwaltungsrates der National-Zeitung und Basler Nachrichten AG sowie der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft. Zudem engagiert er sich in vielen öffentlichen Institutionen, Stiftungen, Vereinen und Kommissionen (etwa als Präsident der Zulassungsstelle der SWX).