Kommunikativ hat Clariant Luft nach oben. Der breiten Öffentlichkeit wurde der Basler Spezialitätenchemie-Konzern bekannt, als sich Firmenpatriarch Hariolf Kottmann im Juni 2017 vom Schweizer Fernsehen filmen liess, wie er Fusionsverhandlungen mit dem potenziellen Partner Huntsman führte – notabene vor Bekanntgabe des Deals. Der Merger kam dann zwar nicht, doch Kottmann handelte sich eine Untersuchung der SIX wegen Verletzung der Ad-hoc-Publizität ein. Das Verfahren läuft noch, die Höchststrafe geht bis zu der Dekotierung und einer Busse von 10 Millionen Franken.

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Kürzlich folgte ein weiterer Tiefpunkt: Clariant informierte erst am 24. Juli über den sofortigen Rücktritt von CEO Ernesto Occhiello, versicherte aber gleichzeitig, dass die Verhandlungen zur Bildung des gemeinsamen Geschäftsbereiches High Performance Materials mit dem saudischen Grossaktionär Sabic weiterlaufen würden. Genau einen Tag später war dann alles anders: Bei der Präsentation der Halbjahreszahlen zeigte Kottmann nicht nur einen Halbjahresverlust von 101 Millionen Franken, sondern gab auch den Abbruch der Verhandlungen mit Sabic bekannt. Die Salami-Taktik im Schnellformat schmerzte die Aktionäre: Minus 1,2 Prozent am ersten Tag, happige minus 10,1 Prozent am zweiten. «What a mess», befand Helvea-Analyst Markus Mayer.

Der Chef bin ich

Doch was noch schlimmer wiegt: Auch die zuletzt verkündete Strategie ist ein Scherbenhaufen. Kottmann hatte sich die Saudis als Retter gegen die aktivistischen Investoren von White Tale geholt, die seinen Merger mit Huntsman zu Fall gebracht hatten, und das geplante Joint Venture war der zentrale Baustein der neuen Strategie.

Ernesto Occhiello

Musste nach nur elf Monaten abrupt als CEO gehen: Ernesto Occhiello.

Quelle: Alexander Sauer

Doch jetzt ist der Konzernlenker offenbar auch gegenüber dem nächsten Grossaktionär auf Konfrontationskurs gegangen. Erst musste der von Sabic entsandte Occhiello gehen, dann brach Kottmann die Verhandlungen ab, weil Sabic trotz des Rückgangs der Commodity-Preise offenbar nicht von hohen Preisvorstellungen abrücken wollte. Eine Beteiligung von 24,9 Prozent, so die Botschaft an Sabic, ist eben nicht die Mehrheit, und vier von zwölf Verwaltungsräten reichen auch nicht. Kottmann hatte mit den Saudis im Oktober eigens eine Vereinbarung unterzeichnet, die die Unabhängigkeit Clariants als börsenkotiertes Unternehmen unter Schweizer Corporate Governance bestätigt. Klare Ansage: Der Chef bin ich.

Kottmanns Strategie bleibt unklar

Damit nutzte Kottmann die Schwäche der Saudis aus. Die brutale Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi hat sie international geächtet, dazu wird Sabic gerade vom heimischen Ölriesen Aramco übernommen, der wiederum mit seinem Börsengang beschäftigt ist. Der Clariant-Aufstand im fernen Basel ist da aus der Perspektive Riads nicht gerade das Hauptproblem.

Yousef Abdullah Al-Benyan, chief executive officer of Saudi Basic Industries Corp. (SABIC), poses for a photograph following a Bloomberg Television interview in Davos, Switzerland, on Wednesday, Jan. 20, 2016. World leaders, influential executives, bankers and policy makers attend the 46th annual meeting of the World Economic Forum in Davos from Jan. 20 - 23. Photographer: Simon Dawson/Bloomberg *** Local Caption *** Yousef Abdullah Al-Benyan

Keine Gegenwehr: Sabic-Chef Yousef al-Benyan hat etwa 1,5 Milliarden verloren.

Quelle: Bloomberg

Sabic-Chef Yousef al-Benyan begegnete dem Affront auch nur mit der müden Ankündigung, man wolle den Anteil aufstocken, aber eine Übernahme komme nicht in Frage. Auch der heftige Verlust auf dem Paket – Sabic zahlte im Februar 2018 33 Franken pro Aktie, Ende August stand der Kurs bei 17 Franken, der Wert ist damit von etwa 3 auf 1,5 Milliarden Franken gefallen – liegt für die Saudis eher im Rundungsbereich. Aramco soll mit 2000 Milliarden Dollar bewertet werden.

Doch der Kursrückgang zeigt eben auch: Es bleibt unklar, wohin Kottmann die Firma führen will. Mit dem angekündigten Verkauf der Pigment-Sparte vollzieht er nur, was die White-Tale-Aktivisten gefordert hatten. Der Wert seines Aktienpakets halbierte sich bereits auf unter sieben Millionen Franken. Doch jetzt ist er ja wieder CEO. Dort gab es zuletzt mehr als fünf Millionen Franken – fast das Zehnfache des Präsidentenlohns.

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Dirk Schütz
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