Die eigenen Immunzellen gentechnisch verändern lassen, um den Krebs zu besiegen. Seit vergangener Woche ist eine Gentherapie gegen schwere Fälle von Leukämie und Lymphknotenkrebs in der Schweiz zugelassen. Das Inselspital Bern darf sie nun als erstes einsetzen.

Das Inselspital Bern ist das erste onkologische Zentrum, das die sogenannte CAR-T-Zelltherapie nach der Zulassung in der Schweiz anbieten darf. Dies teilte das Spital am Freitag mit. Die Therapie beruht darauf, körpereigene Immunzellen des Patienten zu entnehmen, gentechnisch zu manipulieren und zu vervielfachen, damit sie zurück im Körper Krebszellen aufspüren und eliminieren können.

CAR steht für Chimeric Antigen Receptor und ist eine Art Tastorgan, das den T-Zellen gentechnisch eingepflanzt wird, damit sie damit spezifisch Oberflächenstrukturen auf den Krebszellen erkennen können. Gleichzeitig ist der CAR ein Aktivierungsknopf: Werden die CAR-T-Zellen fündig, greifen sie die Krebszellen an und vervielfältigen sich. Allein eine solche T-Zelle kann so tausend Tumorzellen zerstören.

Erfolgreiche experimentelle Therapie

Die Therapie gilt als Durchbruch für die Behandlung schwerer Fälle von Leukämie. 2011 erhielt die an ALL (Akuter Lymphatischer Leukämie) lebensgefährlich erkrankte Emily Whitehead die experimentelle Therapie. Aufgrund der heftigen Nebenwirkungen lag das damals sechsjährige Mädchen über Wochen mit hohem Fieber im Koma, während sich in ihrem Körper die genmodifizierten T-Zellen vervielfachten und wie eine Armee von Auftragskillern die Blutkrebszellen attackierten. An ihrem siebten Geburtstag erwachte Emily aus dem Koma. Heute ist sie 13 Jahre alt und krebsfrei.

Auch wegen der schweren Nebenwirkungen ist die CAR-T-Zelltherapie allerdings nicht das erste Mittel der Wahl gegen Leukämie, sondern kommt bei Rückfällen von aggressivem Blut- oder Lymphknotenkrebs zum Einsatz, wenn andere Krebstherapien nicht zur Heilung führen.

Begrenzte Erfahrung

Aufgrund der begrenzten Erfahrung mit diesem ersten nun zugelassenen «lebenden Medikament», soll die Therapie nach und nach an einer begrenzten Anzahl Schweizer Krebszentren zum Einsatz kommen. Erfahrene Teams vor Ort müssen bei schweren Nebenwirkungen reagieren können. Dazu zählen Überreaktionen des Immunsystems, temporäre neurologische Ausfälle oder Infektionen, wie das Inselspital schrieb.

Die CAR-T-Zelltherapie des Pharmakonzerns Novartis ist unter dem Handelsnamen Kymriah seit dem 22. Oktober für die Behandlung von akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie bei Kindern und jungen Erwachsenen sowie bei Erwachsenen mit diffus grosszelligem B-Zell-Lymphom in der Schweiz zugelassen. Eine weitere, auf dem gleichen Prinzip beruhende Therapie von Gilead Sciences für verschiedene Leukämieformen ist in den USA zugelassen und steht in der EU vor der Zulassung.

Enorme Kosten

Angesichts der neuen Therapieoptionen stellt sich dem Gesundheitssystem allerdings auch die Kostenfrage: Die Kosten für die Behandlung mit Kymriah in der Schweiz liegen im sechsstelligen Bereich. Damit ein Medikament vergütet wird, muss es in die Spezialitätenliste aufgenommen werden. Die Verhandlungen dazu laufen derzeit zwischen Novartis und den zuständigen Behörden. Bis die Vergütung geklärt ist, entscheiden die Krankenversicherungen im Einzelfall.

(sda/gku/mlo)

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