Der von Analysten und Investoren ersehnte «grosse Wurf» für die Deutschen Bank ist nicht zu erwarten. Der neue Vorstandschef John Cryan hat in den ersten Wochen seiner Amtszeit gesehen, dass ihm beim Umbau des grössten deutschen Geldhauses die Hände gebunden sind. Denn radikale Sofortmassnahmen würden Milliarden kosten. Geld, das die Bank nicht hat - oder braucht, um die juristischen Altlasten zu bereinigen, was nach Analystenschätzungen weitere drei Milliarden Euro kosten dürfte.

Cryan werde daher an der «Salamitaktik» festhalten, wenn er dem Aufsichtsrat am Freitag und Samstag erstmals in neuer Rolle Rede und Antwort steht. Das geht aus Gesprächen von Reuters mit Beteiligten an der dreitägigen Klausursitzung des Aufsichtsrats hervor, zu der sich die 19 Mitglieder in einem Golfhotel hoch über dem Tegernsee treffen wollten. «Ich erwarte, dass Klartext geredet wird», hatte ein Aufsichtsrat vor der Abfahrt nach Bayern gesagt.

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Ein Teufelskreis

Vor einem Jahr war Cryan noch als Mitglied des Gremiums bei der traditionellen Tagung dabei, erst Anfang Juli hatte er Anshu Jain als Co-Vorstandschef abgelöst. Normalerweise nutzt man in seiner Lage die Gelegenheit, erst einmal gründlich aufzuräumen und alle Altlasten für einen Neuanfang auszukehren. Doch ein Ausverkauf der Eigenkapital fressenden Zinsderivate etwa könnte zu einem Milliardenverlust führen, der wiederum das kostbare Kapital dezimiert - ein Teufelskreis.

Hinzu kommt, dass viele Manager bei roten Zahlen Gefahr liefen, nachträglich ihre Boni zurückgeben zu müssen. Das kann und will Cryan sich nicht leisten - denn das sind die gleichen Leute, die er für den Umbau braucht. Einige davon drohen ohnehin ihre Pfründe zu verlieren. Cryan will den als «Group Executive Committee» bezeichneten erweiterten Vorstand abschaffen. Nur ein Teil seiner Mitglieder soll in den Vorstand aufsteigen.

Kein Weichei

Harte Einschnitte sind trotzdem zu erwarten. Darauf hatte Cryan die fast 100'000 Mitarbeiter starke Belegschaft schon an seinem ersten Arbeitstag eingestimmt. Doch anders als britische oder amerikanische Grossbanken wäre er schlecht beraten, einen grossen Stellenabbau zu verkünden, bevor die Gespräche mit den Beitriebsräten und Gewerkschaften begonnen haben. «Er kann die Deutsche Bank nicht neu erfinden, aber er wird sie optimieren», ist sich ein langjähriger Ex-Kollege des Briten sicher. «Er wird alle Register ziehen, um die Bilanz einzudampfen.»

Die Zeit drängt. Die Deutsche Bank ist eine der letzten grossen Investmentbanken, die sich zu Reformen durchgerungen hat. Cryan muss dabei den Spagat versuchen, so behutsam vorzugehen, dass es der Bank die Gewinne nicht zu stark verhagelt, und trotzdem den Umbau entschlossen voranzutreiben. An erster Stelle stehe ein beschleunigter Abbau der Positionen in der internen «Bad Bank», erfuhr Reuters. Die Hoffnung, durch den Verkauf der 20-Prozent-Beteiligung an der chinesischen Hua Xia Bank vier Milliarden Euro in die Kasse gespült zu bekommen, ist derweil durch den Absturz der Börsen in Asien wieder in die Ferne gerückt.

Regional statt global

Von den weltumspannenden Ambitionen der Deutschen Bank wird sich Cryan wohl verabschieden: Europa, die Vereinigten Staaten und Asien seien die Regionen, auf die man sich konzentrieren will, sagen Insider. Das Privatkundengeschäft in Italien steht also nicht zur Disposition, aber Töchter in Südamerika und in Afrika - sowie in Russland, wo die Deutsche Bank derzeit mit dem Verdacht kämpft, in einen milliardenschweren Geldwäsche-Skandal verwickelt zu sein. Bereits beschlossen ist laut einem Insider der Rückzug aus sechs Ländern, in denen die Deutsche Bank keine große Rolle spielt: Finnland, Dänemark, Norwegen, Malta, Peru und Neuseeland.

Ein Deutsche-Bank-Sprecher wollte sich nicht zum Verlauf der Beratungen äussern. Ergebnisse von Cryans Überprüfung der Strategie seien bis Ende Oktober zu erwarten.

(reuters/ccr)