Sie sind schneller als die schnellsten Rennpferde, ausdauernder als Maultiere und kräftiger als Ochsen. Entsprechend werden Kamele, die auf den Rennbahnen der arabischen Welt ihre Runden drehen, auch auf absolute Spitzenleistungen trainiert. Im Gegensatz zu Pferderennen sind bei Kamelrennen indes selbst leichtgewichtige Erwachsene als Jockeys verpönt.

Um alles aus den Tieren herauszuholen, dürfen Kamel-Jockeys nicht mehr als 18 bis 20 Kilo auf die Waage bringen. Da nur Kinder diese Anforderung erfüllen, werden Jahr für Jahr Hunderte von Kindersklaven aus Indien in die arabische Welt als Kameljockeys verkauft, die jüngsten sind drei, die ältesten sechs Jahre alt. Ohne elterliche Betreuung müssen sie täglich bei grösster Hitze trainieren, tödliche Unfälle sind keine Seltenheit.

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Mit Schweizer Hilfe will nun das Königreich Katar als erstes arabisches Land mit dieser menschenverachtenden Praxis brechen, die von internationalen Organisationen schon seit Jahren angeprangert wird. Bereits in der kommenden Rennsaison sollen nicht mehr Kinder, sondern ferngesteuerte Roboter die Rennkamele reiten, und zwar Robo-Jockeys, die im Lausanner Vorort Préveranges von der Technologiefirma K-Team entwickelt worden sind.

Innerhalb von drei Monaten haben die Roboterexperten einen Prototyp entwickelt, der sich bereits bewährt hat. Im April wurden die ersten Tests erfolgreich durchgeführt. «Wir haben unseren neuen Roboter mit verschiedenen Tieren getestet, alle haben ihn akzeptiert, sodass wir nun die erste Kleinserie von zwanzig Stück in Angriff nehmen können», erzählt Projektleiter Alexandre Colot.

Die Entwicklung dieser ferngesteuerten Jockeys gilt in der Fachwelt als einzigartiger Durchbruch. Denn damit wurde erstmals in der Geschichte der Roboter ein Gerät entwickelt, dessen Programmierung auf die Befindlichkeiten eines Tieres abgestimmt werden kann. Dies gelang mit der Hilfe eines belgischen Biologen, dessen Namen die Forscher vorerst unter dem Deckel halten.

Diese Geheimniskrämerei hat ihren Grund: Bei den Kamelrennen, bei denen übrigens fast ausschliesslich Dromedare eingesetzt werden, geht es nicht nur um sehr viel Prestige, sondern auch um viel Geld. Die Preisgelder gehen in die Millionen, und als Trostpreis wird etwa in den Golfstaaten auch mal ein 500er-Mercedes vergeben.

Da Kamelrennen von Tunesien bis an den Golf sehr populär sind, gehen die Lausanner Tüftler davon aus, dereinst Tausende von Robo-Jockeys produzieren zu können. Spätestens 2005 wollen sie mit der Serienproduktion beginnen. Es steht noch nicht fest, ob dies in der Schweiz oder in Asien geschehen soll.

Obwohl die Lausanner Forscher über ihre Auftraggeber nichts sagen dürfen, ist bekannt, dass der Emir von Katar selbst hinter dem Projekt steckt. Gemäss der Genfer Zeitung «Le Temps» hat die vom Emir kontrollierte Qatar Industrial Development Bank in Doha 25 Millionen Dollar in das Projekt investiert. Geld, das sich leicht wieder einnehmen lässt, sollten die ersten Rennen mit den Robo-Jockeys im Oktober dieses Jahres in der katarischen Hauptstadt Doha erfolgreich verlaufen. Um die Konkurrenz nicht aufzuwecken und die Traditionalisten unter den Kamelhaltern vorsichtig auf die Änderungen vorzubereiten, betreiben die Investoren eine zögerliche Informationspolitik und schweigen sich auch über den künftigen Preis des Robo-Jockeys aus. Frühestens Ende Juni sollen erste Bilder veröffentlicht werden. Voraussichtlich werden die Roboter mit Armen und Beinen versehen sein, um die wichtigsten Befehle an die Tiere weitergeben zu können. So werden die Rennmaschinen den Tieren sowohl die Sporen geben als auch im Falle eines Sieges mit der Reitpeitsche in der Luft herumwirbeln können. Und die Geräte werden exakt 14 Kilogramm schwer sein.

Das Westschweizer K-Team, das vor sechs Jahren von Absolventen der ETH Lausanne gegründet wurde, ist optimistisch, dass sich die Roboter auch in den anderen Ländern absetzen lassen. «Der Druck auf die arabischen Länder wird immer grösser, das Verbot für Kinder-Jockeys durchzusetzen. Die Alternative mit den Robo-Jockeys wird sich auch in den anderen Staaten durchsetzen», ist Projektleiter Colot überzeugt.

Entsprechend gross ist das Medieninteresse; fast täglich erhält K-Team Angebote von Fernsehstationen, die sich um die ersten Bilder der Robo-Jockeys reissen. «Interessanter für uns ist das wachsende Interesse in anderen Bereichen der Tierhaltung. Wir gehen davon aus, dass sich das Wissen aus der Entwicklung der ferngesteuerten Jockeys künftig auch in der Landwirtschaft anwenden lassen wird», so Colot. Erste Anfragen sind bereits eingetroffen.