Big SBB is watching you! Wer in der Bahnhofsapotheke Durchfalltabletten kauft, vor dem Dessous-Geschäft verweilt und sich zwei Dosen Bier kauft, soll registriert werden. Der bundeseigene Bahnbetrieb will an 57 seiner Bahnhöfe versteckte Überwachungskameras mit Gesichtserkennung installieren, wie der «K-Tipp» in seiner aktuellen Ausgabe aufdeckt.

Von der Konsumentenzeitschrift über die grosse Bespitzelungsaktion der SBB ins Bild gesetzt, reagiert der Eidgenössische Datenschützer Adrian Lobsiger (63) postwendend: Er verlangt von den Bundesbahnen ein Datenschutzkonzept. Denn Lobsiger sieht aufgrund der «Vielzahl der erhobenen Daten und des Risikos einer Re-Identifikation von Personen» ein «erhebliches Risiko für die Persönlichkeit der Passanten», wie er dem Magazin zum SBB-Lauschangriff auf die Kunden schreibt.

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Gläserne Passagierin

Ab September wollen die SBB die Leute an den Bahnhöfen nicht bloss filmen, wie das heute schon mit 700 Kameras geschieht, sondern eben ihr Kaufverhalten auswerten und dies mit den Daten des Swisspass verknüpfen. Alter, Geschlecht, Grösse, mitgeführtes Gepäck, Kinderwagen oder Velos – alles wird gespeichert. Wie lange sitzen zwei Studentinnen im Bahnhofscafé? Was trinken die 19-jährigen Frauen dort? Wie viel Geld haben sie zuvor am Kiosk ausgegeben? Wohin reisen sie danach mit wem? Die SBB werden es wissen, sofern ihnen die Politik nicht noch Einhalt gebietet.

Das Ziel der Überwachung laut Unterlagen der SBB, die dem K-Tipp vorliegen: Die «Abschöpfungsrate» pro Passagier erhöhen. Denn: Je höher der Umsatz der Geschäfte in den Bahnhöfen, desto höher fällt die Miete aus, die diese den SBB abliefern müssen.

Daten in den USA

Den Anfang soll der Bahnhof Schaffhausen machen. Vom Norden der Schweiz aus starten die Bahnen damit den grossen Lauschangriff auf die gesamte Schweiz. Geplant ist die Spionage-Aktion bis 2028, mit Option auf Verlängerung bis 2033. Und eben: Die Kameras sollen für die Reisenden unsichtbar angebracht werden. Damit nicht genug: Gelagert werden sollen die Daten in einer Cloud von Microsoft, also im Internetspeicher eines US-Konzerns.

Zur Verteidigung schreiben die Bundesbahnen unter der Leitung von Vincent Ducrot (60) dem «K-Tipp»: «Die SBB können mit den anonymisierten Zähldaten den Service für die Kunden verbessern», so die Pressestelle des Staatsbetriebs. Es seien keinerlei Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich. Und die Daten von den Ladenkassen würden nur allgemein genutzt. Das Einkaufsverhalten werde nicht mit den Daten der SBB-App und auch nicht mit jenen des Swisspass verknüpft.

Rösti soll SBB stoppen

Nur: Laut den Unterlagen, in die Blick teilweise Einblick hatte, sieht das anders aus. In den Ausschreibungsunterlagen zum Lauschangriff verlangen die SBB von den Kamerabetreibern explizit eine «eindeutige Identifikation der Person (Person-ID), während des gesamten Aufenthalts im Bahnhof».

Doch so einfach dürften die Bundesbahnen mit der Kunden-«Abschöpfung» nicht durchkommen. Schon fordert der erste Politiker, dass der zuständige Bundesrat Albert Rösti (55) die Bespitzelung verhindert. SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel (57) ruft seinen Parteifreund dazu auf, tätig zu werden: «Wir sind nicht Nordkorea! Es darf nicht sein, dass sich Menschen bei uns ständig verfolgt fühlen müssen. Hier hat Verkehrsminister Albert Rösti eine wichtige Aufgabe vor sich. Es gilt, diesen Überwachungsaktivismus der SBB zu stoppen!»

Dieser Artikel erschien zuerst im «Blick» unter dem Titel «SBB planen Spionage-Angriff auf Reisende».