Ende Oktober war es so weit: Der vor Jahren aufgegleiste Pakt der Grossbank Credit Suisse mit ihrem Grossaktionär aus Katar wurde endgültig besiegelt. Der Staatsfonds aus dem Wüstenland wechselte die Milliarden, die er der Bank in den hektischen Tagen der Finanzkrise vom Herbst 2008 als anrechenbares Eigenkapital gewährt hatte, in eine Pflichtwandelanleihe um. Für über vier Milliarden Franken zeichneten die Scheichs aus Katar Contingent Convertible Bonds, vereinfacht CoCos genannt. Diese CoCos sind eine von CS-Chef Brady Dougan und seinen Investment Bankern entwickelte Form zur Stärkung der Kapitaldecke. Sobald die Bank in die Krise gerät und das Eigenkapital unter eine gewisse Grenze sinkt, werden die Milliarden automatisch in Aktien umgewandelt.

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In solch einem Fall wären die Scheichs am Drücker: Die Umwandlung würde ihnen je nach Konstellation zwischen 10 und 22 Prozent der Stimmrechte bringen. Bereits heute sind die Katarer mit einem Anteil von 5,2 Prozent der wichtigste Machtfaktor im Aktionariat der Credit Suisse – zusammen mit dem aus Saudi-Arabien stammenden Olayan-Clan (siehe «Machtblock» rechts). Die CS versüsst ihrem Grossaktionär aus Katar den Deal mit Vorzugskonditionen. 9 bis 9,5 Prozent Zins bekommt der Staatsfonds aus Katar dafür, dass er seine Milliarden der Bank zur Verfügung stellt. Für Schweizer Verhältnisse ist das mehr als nur stattlich, sind die Zinsen hierzulande doch tief – das macht den Deal zu einem äusserst lukrativen Investment für die Katarer.

Finanzspritze in Krisenzeiten

Vor allem weil die Risiken für die Scheichs überschaubar sind. Gewandelt wird die Anleihe ja nur, wenn die Kapitaldecke unter eine gewisse Grenze sinkt. Die Kapitalstrategie der CS können sie aber mitbestimmen, haben sie doch im Verwaltungsrat Einsitz. Seit 2010 vertritt Jassim Bin Hamad J.J. Al Thani (31) als Verwaltungsrat die Interessen der Herrscherfamilie im obersten Gremium der CS. Der Deal ist der bisherige Höhepunkt einer stetig engeren Verflechtung der Grossbank mit ihrem Grossaktionär. Dabei verwischen sich schon mal die Grenzen der Corporate Governance, ist der Grossaktionär doch einerseits im Verwaltungsrat für die Aufsicht des Managements zuständig, spannt aber andererseits mit ebendiesem Management gerne auch auf operativer Ebene zusammen. Dabei setzt der Verwaltungsrat Al Thani auf die auch persönlich ausgezeichnete Beziehung zu CEO Brady Dougan und seinen Investment Bankern.

Die Grundlage für diese «special relationship» hat einer der engsten Vertrauten von Dougan gelegt: sein langjähriger Mitstreiter Eric Varvel, der heute als Co-Chef Investment Banking tätig ist. Varvel war von 2008 bis 2010 CEO der Region EMEA und damit auch für den Mittleren Osten zuständig. Im Herbst 2008, als die Banken reihum mit gigantischen Verlusten aufwarteten und die UBS gar vom Staat gerettet werden musste, suchte die CS einen anderen Weg. Private Investoren sollten der Bank mit frischem Geld über die Krise hinweghelfen. Bei der hektischen Suche nach neuen Investoren brachte Varvel den Staatsfonds aus Katar ins Spiel. Zur Familie Al Thani hatte er als Leiter der Region für die CS ausgezeichnete Geschäftsbeziehungen. Der Deal war Win-win: Die CS bekam schnell die dringend benötigten Milliarden, die Katarer für ihr Geld gute Zinsen und später einen Sitz im Verwaltungsrat der Bank.

Weiterer Meilenstein

Bis heute ist die Beziehung von Investment-Banking-Chef Varvel zu Katar eng. Seit 2010 ist er Verwaltungsratsmitglied der Börse von Katar. Damit beaufsichtigt er eine der wichtigsten finanziellen Institutionen im Lande jenes Mannes, der ihn seinerseits als CS-Verwaltungsrat kontrollieren muss. Doch auch sonst spannt die Herrscherfamilie gerne mit den Managern der Credit Suisse zusammen. Im Januar 2012 kauften die Katarer den CS-Tower im Londoner Finanzviertel Canary Wharf für über eine halbe Milliarde Dollar. Damit ist eines der markantesten Wahrzeichen der Credit Suisse in Händen der Scheichs. Das Grossgebäude im Zürcher Uetlihof verkaufte die CS an einen anderen Grossaktionär, den Staatsfonds von Norwegen. Das Management verkaufe das Tafelsilber an die Buddies aus dem Aktionariat, munkelten kritische Stimmen im Konzern.

Ende 2012 schlossen die CS und die Qatar Holding zudem ein Joint Venture namens Aventicum, das sich um strategische Investments im Asset Management kümmern soll. In der Pressemitteilung nannte die Qatar Holding dies «einen weiteren Meilenstein in der strategischen Partnerschaft zwischen Qatar Holding und Credit Suisse». Dougan seinerseits lobte die «Gelegenheit, uns mit einem hoch respektierten Partner zusammenzutun». Dass man zusammen Gas geben will, zeigte sich im Herbst. Gemeinsam finanzieren die Partner einen Hedge Fund mit Sitz in Genf, der sich um Aktienstrategien kümmern soll.

Dougans Stütze

Die enge Verflechtung von Dougan und seinen Mannen mit den Katarern ist ein bedeutender Faktor im Machtgefüge der CS, stärkt dies doch die Position von Dougan im Verwaltungsrat. Für VR-Präsident Urs Rohner macht es die Suche nach einem Nachfolger für den langjährigen operativen Chef nicht einfacher, kann er sich doch kaum über die Meinung seines Grossaktionärs hinwegsetzen. Dabei stützt Al Thani Dougan nicht nur aus persönlicher Sympathie, sondern soll auch dessen Strategie der Ausrichtung des Konzerns auf ein starkes Investment Banking befürworten. Geprägt vom boomenden Umfeld in Katar, teilt er die in der Schweiz vorherrschende Kritik am Investment Banking nicht.

Dabei gilt Verwaltungsrat Al Thani im Gremium als zurückhaltend. Den starken Mann aus der Wüste markiert er nicht, im Gegenteil: Sieht man die Scheichs in der Öffentlichkeit meist nur in ihrem traditionellen weissen Gewand, nimmt Jassim Bin Hamad J.J. Al Thani an den VR-Sitzungen der CS meist im Businessanzug teil. Von Dissonanzen mit anderen Vertretern ist nichts bekannt. Dennoch hat die Herrscherfamilie den Ruf, im entscheidenden Moment knallhart aufzutreten. Diese Erfahrung musste das zweite grosse Schweizer Unternehmen machen, bei dem die Katarer Grossaktionär sind: Glencore unter Ivan Glasenberg. 8,15 Prozent hält der Staatsfonds aus Katar am Rohstoffgiganten.

Als 2012 die Fusion von Glencore und Xstrata auf der Kippe stand, liessen die Katarer die Muskeln spielen. Ein Vertreter der Besitzerfamilie, Scheich Hamad Bin Jassim Bin Jaber Al Thani, der als Premier von Katar den Wüstenstaat als Hauptaktionär von Xstrata repräsentierte, war mit dem Angebot nicht zufrieden. Er lud Glasenberg zu einem geheimen Mitternachtsmeeting im Londoner Luxushotel Claridge’s und pushte seine Position unnachgiebig. Nach dreistündiger Diskussion erhöhte Glasenberg das Angebot schliesslich.

Auf Rohstoffen gebaut

Dieses Vorgehen ist typisch für die Haltung des Herrscherclans – solange das Business läuft, bleibt man im Hintergrund, im Moment strategischer Fragestellungen kennt man aber kein Pardon. Nebst der Rolle als Investor bei CS und Glencore ist Katar heute vor allem im hiesigen Hotelbusiness präsent. Rund eine Milliarde Franken haben sie in den Kauf und Umbau von Traditionshäusern wie dem Bürgenstock in Luzern, dem Hotel Schweizerhof in Bern oder dem Royal Savoy in Lausanne investiert. Gemanagt werden die Investments von Katara Hospitality, einer Untergesellschaft des Staatsfonds. Den zuständigen Schweizer Vertretern lassen die Katarer viele Freiheiten, wie Eingeweihte berichten.

Grundlage des Clanreichtums sind die riesigen Öl- und Gasvorkommen, die Anfang der vierziger Jahre entdeckt wurden. Dennoch blieb lange die Perlenfischerei Grundlage der Wirtschaft. Erst mit der Unabhängigkeit von 1971 begann der Reichtum der Dynastie, die von den Briten zu Zeiten ihres Protektorats eingesetzt worden war, zu sprudeln. Nur 1,9 Millionen Einwohner zählt der Wüstenstaat, wobei 80 Prozent ausländische Arbeitskräfte sind.

Die Herrscherfamilie Al Thani ist ein in viele Zweige aufgeteilter Clan, geprägt von einer Geschichte interner Machtkämpfe. Neuer Emir und Nummer eins im Staat ist der 33-jährige Tamim Bin Hamad Al Thani. Er hat im Juni seinen Vater Hamad Bin Khalifa Al Thani abgelöst, der freiwillig abgetreten ist. 1995, als dieser an die Macht gekommen war, war das noch anders, hatte er doch seinen Vater aus dem Amt geputscht.

Mit grosser Kelle

Der neue Emir ist auch Herrscher über den Staatsfonds Qatar Investment Authority und dessen Investmentgesellschaft Qatar Holding. Mit über 100 Milliarden Dollar Anlagegeldern gehört der Staatsfonds heute zu den mächtigsten Investoren der Welt. 110 Leute verwalten die Gelder. Wichtigster Mitstreiter für finanzielle Investments ist CS-Verwaltungsrat Jassim Bin Hamad J.J. Al Thani, der auch als Präsident der Qatar Islamic Bank agiert, der fünftgrössten islamischen Bank der Welt. Er hat in Katar studiert und die Royal Military Academy in Sandhurst, England, abgeschlossen. Eine eigene Private Bank, die QNB Banque Privée Suisse, betreiben die Katarer in Genf. Für die Hotelinvestments ist Hamad Abdulla Al-Mulla als CEO von Katara Hospitality zuständig.

Nicht nur in der Schweiz hat der Staatsfonds mit gigantischen und oft sehr prestigeträchtigen Deals auf sich aufmerksam gemacht, auch sonst rühren die Katarer mit der grossen Kelle an. So pumpten sie dieser Tage als Investor Hunderte Millionen Dollar in die Repositionierung des Smartphone-Pioniers Blackberry. Das Spektrum reicht von Technologie über Finanzen bis hin zu Luxusmarken. Im Banking hält der Clan gewichtige Pakete bei der englischen Barclays oder der Agricultural Bank of China. Bei den französischen Konzernen Vivendi und LMVH ist man investiert, ebenso in Prestigewarenhäusern wie Harrods in London oder Printemps in Paris.

Im Fussball sind die Scheichs als Sponsoren aktiv, etwa beim FC Barcelona oder gar als Besitzer von Paris St-Germain. Solches Engagement hat offenbar auch dem Weltfussballverband imponiert: 2022 darf Katar die WM austragen, obwohl das Land keine Tradition im Fussball hat. Sollten sich die Schweizer Fussballer dannzumal qualifizieren, dürften sich die Partner Credit Suisse und Katar gemeinsam freuen – die Grossbank ist Hauptsponsor der Schweizer Nationalmannschaft.

Erik Nolmans
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