Es war sein grosser Moment. Jahrelang hatte der Emir von Katar darauf hingearbeitet, die Fussball-Weltmeisterschaften 2022 in sein Reich am Persischen Golf zu holen. Im Dezember 2010 war es so weit. Der Traum von Scheich Hamad Bin Khalifa Al Thani ging in Erfüllung. Die Weltöffentlichkeit schaute auf den festlich geschmückten Saal in der Messe Zürich.

700 Journalisten berichteten über Al Thanis siegreiche Bewerbung. Selbstverständlich auch sein TV-Sender Al Jazeera. Der Scheich, ein gestandener Mann von 60 Jahren, war so gerührt, dass er die Tränen nicht zurückhalten konnte. Seine Ehefrau Mozha tröstete und zeigte der Welt ihr schönstes Lächeln. Fifa-Chef Sepp Blatter applaudierte.

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Katars WM-Triumph zeigt bis heute am eindrücklichsten, wie einflussreich das kleine Land dank seinem immensen Gasreichtum in den letzten Jahren geworden ist -als WM-Organisator, Besitzer diverser europäischer Spitzenklubs und vor allem als global agierender Investor. So gab die Qatar Investment Authority -einer der grössten Staatsfonds der Welt - vor wenigen Tagen bekannt, allein in diesem Jahr 30 Milliarden Dollar investieren zu wollen.

Geschäft, nichts als Geschäft

Gerade in der Schweiz geht die Familie Al Thani über diverse staatliche Investitionsgesellschaften besonders gern auf Einkaufstour. «Katar ist Business, nichts sonst», sagt ein Zürcher Wirtschaftsanwalt, der regelmässig mit Investoren vom Golf zu tun hat. «Ich bekomme fast täglich Anfragen von schwerreichen Kataris, die in der Schweiz investieren oder wenigstens eine Sommervilla für sich und ihre Familie kaufen wollen.»

In der heissen Jahreszeit flüchten jene, die es sich leisten können, aus der Hauptstadt Doha. Dort kann die Temperatur tagsüber auf über 50 Grad im Schatten steigen. Da sind die milden Gestade des Genfersees eine willkommene Abwechslung.

Bei Katars dominierender Familie stehen aber nicht schöne Anwesen hoch im Kurs, sondern Anteile an Schweizer Konzernen und Luxushotels. Anfang April gab die Qatar Investment Authority bekannt, den Anteil am Zuger Bergbauunternehmen Xstrata im Vorfeld der geplanten Fusion mit Glencore massiv zu erhöhen. 

In Credit Suisse und Genfer Bank investiert

Bereits 2008 investierte die Qatar Holding, ein Teil des Staatsfonds QIA, gut 6 Milliarden Franken in die Credit Suisse. Später stockten die Kataris ihr Engagement sogar noch auf, indem sie einen grossen Teil der 2011 aufgelegten CS-Zwangswandelanleihen (CoCos) zeichneten.

Seit 2010 macht Katar seinen Einfluss im Verwaltungsrat der Grossbank geltend. Mit Jassim Bin Hamad J.J. Al Thani sitzt ein Mitglied der Herrscherfamilie im Aufsichtsgremium. Seit letztem Januar gehört auch der CS-Sitz im Londoner Bankenviertel Canary Wharf den Kataris.

Auf dem Schweizer Finanzplatz ist Katar nicht nur über seine Beteiligung an der Credit Suisse präsent, sondern auch direkt über die Schweizer Filiale der staatlichen Qatar National Bank in Genf. Die QNB Banque Privée erhielt ihre Banklizenz von der Finanzmarktaufsicht Finma vor drei Jahren. Die Privatbank führt unter dem Namen QNB Real Estate auch eine eigene Immobilientochter.

Schweizer Immobilien im Fokus

Neben dem Finanzsektor investieren die Al Thanis Katars Reichtum in Schweizer Immobilien, insbesondere in Hotels. Das grösste Projekt entsteht derzeit auf dem Bürgenstock in Nidwalden. Gemäss Projektleiter Bruno Schöpfer, früher Konzernchef bei Mövenpick, steckt Emir Al Thani gegen 500 Millionen Franken in die Rundum-Erneuerung des einst glamourösen Resorts. Unter anderem soll dort das mit 10000 Quadratmetern grösste Spa Europas entstehen.

Zurzeit tobt am Vierwaldstättersee jedoch eine politische Kontroverse um das Bürgenstock-Projekt, weil sich gemäss «Zentralschweiz am Sonntag» die öffentliche Hand auf Wunsch der Kataris mit 50 Millionen am Projekt beteiligen soll. Bestätigt ist weiter, dass den Kataris der wiedereröffnete Berner «Schweizerhof» und das Lausanner «Royal Savoy» gehören. Auch das «Radisson Blu» am Flughafen Zürich gehört Kataris. Schliesslich wird dem Emir ein Interesse am Umbauprojekt des Zürcher Hotels Atlantis nachgesagt.

Selbst an Geschäftsliegenschaften, insbesondere an Detailhandelsimmobilien, sollen die Kataris interessiert sein. «Die Fonds interessieren nur Top-Lagen», sagt ein Kenner der Materie. An der Zürcher Bahnhofstrasse oder der Genfer Rue du Rhône seien Kaufgelegenheiten aber «selten». Deshalb fokussierten sich die Staatsfonds vorerst noch mehr auf London, Paris oder deutsche Grossstädte.

Flüssiggas statt Perlenfischer

Die Schweiz ist für Staatsfonds generell eine der ersten Adressen. Gemäss Angaben des Sovereign Wealth Fund Institute haben solche Anleger seit 2005 insgesamt 25 Milliarden Dollar in die Schweiz gepumpt. Das Land Schweiz ist damit der weltweit fünftgrösste Empfänger staatskapitalistischer Vermögen. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen, solange die Scheichs am Persischen Golf noch Öl und Gas im Überfluss aus dem Wüstenboden fördern.

Katar ist nur gerade so gross wie die Kantone Bern und Wallis zusammen. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist mit knapp 110000 Dollar aber fast doppelt so hoch wie in der Schweiz.

Bis 1971 dominierten Perlenfischer die Wirtschaft. Jetzt sind es Öl und Gas. 910 Trillionen Kubikfuss Erdgas schlummern allein im North Field, dem grössten Gasfeld der Welt, das sich Katar mit dem Iran teilt. Das Feld enthält 14 Prozent aller bekannten Vorkommen, was Katar zum Land mit den drittgrössten Reserven macht. Der grösste Teil des Gases wird in riesigen Anlagen verflüssigt und mit Schiffstankern in alle Welt verfrachtet.

«Alles ein gigantischer Topf»

Die Milliarden- Exporte speisen die Staatskasse, die Konten der Staatsfonds und die Privatschatullen der Al Thanis. «Der ganze Staat ist so etwas wie ein gigantisches Family Office», sagt ein Kenner der Verhältnisse. Ob der Emir, seine Frau, die Qatar Investment Authority oder ihre Untergesellschaften investierten, letztlich laufe alles auf dasselbe hinaus. «Es ist alles ein gigantischer Topf.»

Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate mit Dubai und Abu Dhabi sind die einzigen arabischen Staaten, die während des arabischen Frühlings weder Strassenproteste noch zivilen Ungehorsam erlebten. Doch hinter der fast perfekten Fassade rumort es, auch in Doha. Vielen missfällt der proamerikanische und Israel-freundliche Kurs der Al Thanis.

Seit 2003 befindet sich in Katar die grösste US-Luftwaffenbasis ausserhalb der Vereinigten Staaten. Und obwohl Doha mit Israel keine diplomatischen Beziehungen pflegt, traf der Emir mehrmals mit israelischen Ministern zusammen und bot Israels Ex-Aussenministerin Tzipi Livni die Gelegenheit zu Konferenzvorträgen in Doha. Übel nehmen es viele Araber Katar schliesslich, dass Al Thani ganz offen die Rebellen in Syrien unterstützt.

Lokaler Widerstand

Die weltweiten Einkaufstouren der Al Thanis stossen auf lokalen Widerstand. «Die arabischen Staatsfonds sollten besser in der Heimat investieren», kritisiert Nasser Saidi, Chefökonom des Dubaier Finanzzentrums DIFC. Diversifikation sei zwar wichtig, «aber nur langfristige Investitionen in Handel, Logistik und Infrastruktur können Arbeitsplätze abseits der Energieindustrie schaffen und die Abhängigkeit vom Öl und vom Gas lindern».

Die Herrscher kümmert das wenig. Sie kaufen, was auf dem Markt ist -das Londoner Warenhaus Harrods, die britische Supermarktkette Sainsburys, den deutschen Bauriesen Hochtief oder die kanadische Hotelgruppe Fairmont. Erst letzte Woche erhöhten die Kataris ihren Anteil am US-Schmuckhaus Tiffany. Wie schon beim Investment in Porsche soll Mozha die treibende Kraft dafür gewesen sein.

Fifa-Boss Sepp Blatter hat wohl recht, wenn er in Katar den Markt der Zukunft sieht. Nicht nur im Fussball.

Marcel Speiser Handelszeitung
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