Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat am Wochenende den europäischen Vorschlag bekräftigt, dass die EU zu einer Senkung der Autozölle auf Null bereit ist. «Wir als Europäer bieten den USA an, die Zölle auf Industrieprodukte abzuschaffen und amerikanischen Waren den Zugang nach Europa zu erleichtern», sagte Altmaier der «Welt am Sonntag». «Damit wäre auch der Vorwurf ausgeräumt, dass amerikanische Autozölle niedriger als europäische seien.» Der Vorschlag biete Milliarden-Vorteile für beide Seiten.

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Nullzölle auf Autos tönen vor dem Hintergrund weltweit zunehmender Handelsstreitigkeiten utopisch. Doch was ist dran an Altmaiers Vorschlag? Fünf Fragen und Antworten.

1. Was schlägt die EU genau vor?

Der Vorschlag lautet, die Industriezölle auf beiden Seiten des Atlantiks auf Null zu senken. Explizit nannte der Wirtschaftsminister des wichtigsten EU-Landes auch Autos: «Ja – und zwar auf Null. Im Rahmen eines Industriezollabkommens», so Altmaier auf die entsprechende Frage der «Welt am Sonntag».

Zusätzlich sei die EU bereit, amerikanischen Exporteuren den Erfolg in Europa zu erleichtern. Sie sollten ihre Erzeugnisse dereinst vielfach nicht mehr nach europäischem Recht zertifizieren müssen, kündigte Altmaier an.

Eine weitere Forderung von Donald Trump lehnt Altmaier dagegen ab: nämlich den Markt für die US-Landwirtschaft zu öffnen. Das habe nichts damit zu tun.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström vertritt die gleiche Position wie Altmaier, was die Aussage aus Deutschland zu einem ernstgemeinten Angebot macht.

2. Was ist der Hintergrund?

Die Amerikaner fühlen sich im Welthandel von ihren Handelspartnern über den Tisch gezogen. Neben China steht auch die EU im Visier von US-Präsident Donald Trump. Ein wichtiger Streitpunkt sind die Auto-Exporte, denn die EU verlangt höhere Einfuhrzölle für US-Autos (10 Prozent) als die USA für Autos aus Europa (2,5 Prozent).

Das US-Handelsministerium hat deshalb einen Prüfbericht über die Bedrohung der nationalen Sicherheit durch Auto-Importe erstellt. Details daraus sind nicht bekannt, aber Trump hat den Entscheid über die mögliche Einführung von Zöllen von bis zu 25 Prozent vorerst auf November verschoben. Die US-Autoindustrie stellt sich gegen Strafzölle, welche die Autopreise nach oben treiben und Hunderttausende Stellen in den USA kosten dürften. Die Branche befürchtet, dass die Massnahme die Investitionen in den USA abwürgen werde.

Beide Seiten suchen deshalb nach einem Ausweg – und Altmaiers Vorstoss ist ein solcher Lösungsansatz.

Der Automarkt in Europa bricht ein – das sind die 5 Hauptgründe

Der Verkauf von Autos schwächelt in (fast) ganz Europa – und auch der Schweizer Markt sei gesättigt, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Mehr dazu lesen Sie hier.

3. Wer würde profitieren?

Der grösste Nutzniesser von Nullzöllen wäre wahrscheinlich die deutsche Autoindustrie. Deutsche Autos haben in den USA einen guten Ruf und erfreuen sich grosser Nachfrage. Die deutsche Autoindustrie habe «enorm in den amerikanischen Markt investiert», so Altmaier. «Die meisten Autos, die von den USA exportiert werden, sind von deutschen Herstellern gebaut.»

Profitieren würden auch amerikanische Arbeiter, die in den US-Werken der deutschen Autohersteller angestellt sind. Für sie bedeuten drohenden Strafzölle gegen europäische Autobauer Unsicherheiten. Denn wie die Massnahme genau ausgestaltet würde, ist zur Zeit offen.

Dass hingegen amerikanische Autos in Europa plötzlich zum Kassenschlager werden, ist unwahrscheinlich. Der Automarkt ist zur Zeit tatsächlich eine «Einbahnstrasse», wie es Trump darstellt. Doch das liegt nicht in erster Linie am Preis, sondern an den unterschiedlichen Vorlieben der Kunden in den beiden Märkten.

4. Was sind die Reaktionen?

Die deutsche Autoindustrie begrüsst Altmaiers Vorstoss. «Sollten die Zölle auf beiden Seiten des Atlantiks auf Null gesetzt werden, sehen wir darin vor allem Chancen», so Bernhard Mattes, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA).

Lob kommt auch von der deutschen FDP: «Ich begrüsse diesen Vorstoss ausdrücklich», so Fraktionsvize Michael Theurer zur «Welt». «Wenn die EU und die USA gegenseitig auf Autozölle verzichten, ist das ein positives Signal.» Doch den Worten müssten Taten folgen.

Von der SPD dagegen wird Altmaiers Vorstoss als falsches Signal an die USA gesehen. Trump werde sich nicht auf das Angebot einlassen, sondern mehr fordern. «Trump versteht nur eine harte Sprache der EU, Altmaier aber knickt ein», so der stellvertretende Vorsitzende des EU-Ausschusses im Bundestag, Markus Töns, gegenüber der «Rheinischen Post».

In den USA hat das Angebot tatsächlich keine grossen Wellen geworfen. Zwar zeigt der EU-Vorschlag, dass Europa zu einem Entgegenkommen im Handelsstreit bereit ist. Doch für Trump dürften die Nullzölle auf Industriegüter nicht seiner Vorstellung eines fairen Handels entsprechen, weil damit bei den Autos vor allem den deutschen und europäischen Herstellern geholfen würde.

5. Wie stehen die Chancen für Altmaiers Vorschlag?

Nicht besonders gut. In den Zollverhandlungen sind die Autozölle für die Amerikaner nicht das primäre Ziel. Den Beamten in Washington ist klar, dass amerikanische Autos in Europa einen schweren Stand haben – Zölle hin oder her. Aus EU-Verhandlungskreisen hiess es, die Amerikaner hätten kein Interesse an einer Senkung der Zölle auf Null, berichtete die Nachrichtenagentur dpa. Die Regierung befürchte, dass dann erst recht europäische Autos auf den US-Markt kommen würden.

Trump will vor allem auch den amerikanischen Bauern helfen, die vom Handelsstreit mit China schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden. Doch der Agrarbereich war schon in den Verhandlungen zum gescheiterten Freihandelsabkommen TTIP ein ewiger Streitpunkt. Die Auto- und Industriezölle sind für Trump dagegen ein Nebenschauplatz an dem sich die vermeintliche Unfairness des transatlantischen Handels illustrieren lässt.

Das macht den EU-Vorschlag zum taktischen Schachzug zur Änderung des Narrativs – ohne reelle Chance auf eine baldige Umsetzung.