Draussen schnurrt einer dieser idyllischen Bäche vorüber, die während Jahrzehnten die Textilindustrie des Zürcher Oberlandes angetrieben haben. Drinnen wird Hightech der feinsten Art zelebriert. Die Acutronic im Techcenter Bubikon, etwas abseits des Dorfes gelegen, entwickelt und fertigt Produkte, die auf den ersten Blick nicht leicht zu verstehen sind. Die Sprache ist englisch, das Business international. «Excellence in Motion Simulation» heisst der Titel eines Prospekts, in dem die Acutronic-Testgeräte vorgestellt werden. Mit den Bewegungssimulatoren können Navigationssysteme für die Luft-, Schiff- und Raumfahrt getestet werden. Die Geräte imitieren die Bewegungen von Schiffen, Flugzeugen oder Raketen, die auch bei heftigsten Stürmen oder vernebelter Sicht sicher ins Ziel navigiert werden müssen.

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«Mit unseren Simulatoren werden die Navigationsinstrumente kalibriert», sagt Marketingleiter Beat F. Brunner. «Im Labor schaffen wir dazu eine virtuelle Umwelt.» Abnehmer der Simulatoren sind alle grossen Hersteller von Navigationssystemen wie die amerikanische Firma Honeywell, Litef in Deutschland oder Sagem in Frankreich. Aber auch Regierungsstellen sind regelmässig Kunden der Firma. So lieferte die amerikanische Tochter der Acutronic im letzten Jahr der US-Armee einen Drei-Achsen-Bewegungssimulator mit Temperaturkammer, der alle möglichen Flugszenarien von Raketensystemen abdeckt. Aber auch die Navigationssysteme des Euro-Fighter-Programms werden auf Acutronic-Simulatoren getestet.

Acutronic ist ein typisches Schweizer KMU: klein, agil und Marktführer in einer technologischen Nische, die den Eintritt von Konkurrenten praktisch unmöglich macht. Das Unternehmen wurde 1973 gegründet. Geschäftszweck waren erst nur die Einfuhr und der Verkauf derartiger Simulatoren aus den USA. Die Fabrikation eigener Maschinen in Olten kam erst später dazu. Ende der achtziger Jahre expandierte die Firma in die USA nach Pittsburgh, Pennsylvania. 1996 wurde die in Bedrängnis geratene Firma von Acutronic-Chef Thomas W. Jung mit Hilfe seiner Familie übernommen. Der Umsatz betrug damals sechs Millionen Franken. Heute und damit zehn Jahre später hat er sich auf 30 Millionen Franken verfünffacht – mit einem Auslandabsatz von 100 Prozent der hiesigen Produktion. Doch damit sind Jung und seine Mannschaft bei weitem nicht zufrieden. Im letzten Jahr hat die Firma «lediglich» sechs Prozent zugelegt. «Das ist zu wenig», sagt der Firmenchef, «wir wollen jedes Jahr zweistellig wachsen.» Sein Ziel ist es, den Umsatz in der nächsten Dekade auf 50 bis 100 Millionen Franken zu steigern.

Das ambitiöse Programm tönt glaubwürdig. Acutronic ist nicht nur organisch schnell gewachsen. Sie hat ihre Marktführerschaft auch durch Übernahmen gefestigt. Diese sind gar Teil ihrer Wachstumsstrategie. 2005 erwarb Acutronic die amerikanische Carco Electronics. Dieser Coup war doppelt bedeutsam. Sie schaltete ihren schärfsten Konkurrenten aus und festigte ihre Präsenz und Marktstellung in den Vereinigten Staaten, dem internationalen Zentrum der Luft- und Raumfahrt. «Unser Marktanteil beträgt weltweit 50 bis 60 Prozent», sagt Brunner. Das Unternehmen will aber auch in neue Märkte expandieren, nach Indien und China, sowie in weitere Branchen wie die Autoindustrie. «Wir haben eine neue Testfamilie für die Autoindustrie entwickelt», sagt Brunner. Die elektronischen Stabilitätsprogramme (ESP) in den Autos funktionieren nach demselben Prinzip wie die Navigationshilfen. «Unsere Systeme», so Brunner, «machen die Abnahmeprüfung fürs ESP in den Werkhallen der Autozulieferer.»

Für die Zukunft hat sich Jung die planmässige Entwicklung der Firma zum Ziel gesetzt und als Erstes sich selbst zurückgenommen. «Ich will kein Karl Schweri (Denner) werden, ein alter Patron, der nicht loslassen kann», sagt er. Deshalb habe er seine Nachfolge schon mit 40 Jahren geregelt und eine starke Geschäftsleitung eingesetzt. Jung sieht aber auch Herausforderungen auf die Firma zukommen, die ihr alles abfordern werden. «Wir dürfen», sagt er, «die Marktentwicklungen nicht verschlafen.» Die Navigationshilfen würden immer günstiger und immer breiter angewendet, also müssten auch die Preise der Testgeräte herunterkommen. Acutronic will diesen Marktbedürfnissen entsprechen, mehr Katalogprodukte anbieten und weniger kundenspezifische Geräte herstellen. Gerade die Autoindustrie erwarte solche Katalogprodukte, die sie ab Stange kaufen könne.

Provokativ sagt Jung auch, dass die Swissness-Welle vorbei sei: «Keiner kauft ein Produkt nur darum, weil ‹Swiss made› draufsteht.» Und Acutronic sei immer die teuerste Anbieterin auf dem Markt, also müsse sie den Einkäufern von Airbus oder Boeing einen Grund geben, damit diese ihre Geräte kauften. Dies könne nur über eine hervorragende Qualität und innovative Produkte geschehen. Acutronic werde über die Innovationsschiene Wachstum generieren. «Deshalb», so Jung, «haben wir uns ein Netzwerk von technischen Universitäten und Fachhochschulen geschaffen, mit denen wir eng zusammenarbeiten.»


Acutronic Group

Firmenname: Acutronic Group
Hauptsitz: Bubikon ZH
Umsatz: 30 Millionen Franken
Mitarbeiter: 100, davon 45 in der Schweiz
Produktionsstandort: Schweiz
Exporte: 100 Prozent
Produkte: Bewegungssimulatoren