Gemäss Obligationenrecht erfolgt die Wahl der Revisionsstelle durch die Generalversammlung. In der Realität wurde bisher jedoch in vielen Fällen die Selektion des Prüfers dem Management überlassen. Verwaltungsrat und Generalversammlung haben den Vorschlag des Managements meistens nur noch formell verabschiedet. Der daraus entstehende, latente Interessenkonflikt, indem der Geprüfte seinen Prüfer selber wählt, wurde im Zuge der Anwendung einer strikteren Corporate Governance beseitigt, wodurch der Verwaltungsrat bzw. das Audit Committee diese Aufgabe neu nicht nur formell, sondern auch materiell wahrnimmt. Damit ist sichergestellt, dass die Wahl der Revisionsstelle und des Konzernprüfers von neutraler Seite erfolgt. Selbstredend spielt auch in diesem Fall das Management (im besonderen CEO und CFO) eine wichtige Rolle im Findungsprozess, seine Leitung aber verbleibt im Verwaltungsrat bzw. im Audit Committee.

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Welches sind nun die Gründe, die ein Unternehmen dazu bewegen, eine Revisionsstelle zu wählen? Den «Normalfall» stellt die Gründung einer Gesellschaft dar. Im Rahmen der Organbestellung muss auch eine Revisionsstelle bestimmt werden. Wo bereits eine Revisionsstelle etabliert ist, geht es demgegenüber aus den weiter unten ausgeführten, möglichen Gründen um die Findung eines neuen, möglichst geeigneten Prüfers. So erfordern etwa die wachsende Regulierungsdichte und die zunehmende Komplexität in der Rechnungslegung die Wahl eines geeigneten Wirtschaftsprüfers. Die Einführung wie auch die kontinuierliche Beachtung von internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS oder US-GAAP) ist äusserst komplex geworden. Die neuen IFRS, gültig ab 2005, beinhalten beispielsweise 480 Änderungen und umfassen 2400 Seiten. Auch kleinere Unternehmen und Familienkonzerne, welche die schweizerische Norm FER anwenden, werden nur mit einem Prüfer zusammenarbeiten wollen, der dieses System aufgrund seiner Erfahrung praxisorientiert zu interpretieren weiss.

Internationale Ausrichtung

Bei multinationalen Konzernen muss auch die Prüfung international ausgerichtet sein. Diese ist nur durch global tätige Prüfungsgesellschaften mit einem weltweiten Netz, die hohe Anforderungen an Kompetenz und Projektmanagement stellt, professionell durchzuführen. Ein Unternehmen mit zahlreichen Auslandstöchtern will primär mit einem zentralen Ansprechpartner zusammenarbeiten, der nicht nur in der Schweiz über eigene Ressourcen verfügt, sondern auch direkt und verbindlich auf ausländische Ressourcen zurückgreifen kann. Ein einheitlicher Audit-Approach und die Verwendung der selben Prüfungsinstrumente sind unabdingbare Voraussetzung für die Durchführung einer weltweiten Prüfung. Auch alle übrigen relevanten Aspekte wie Teaming, Timing, Honorare, Prüfungsumfang und Berichterstattungsprozedere müssen zentral gesteuert werden. Dies bedingt seitens der Wirtschaftsprüfungsfirma hohe Investitionen in die Ausbildung der Mitarbeitenden und in die Infrastruktur. Ist eine Revisionsstelle bereits seit Jahrzehnten Organ der Gesellschaft, wächst allenfalls das Bedürfnis, im Sinne einer konstruktiven «Luftveränderung» einen Wechsel ins Auge zu fassen. Auch bei Änderung der Eigentümerschaft wird gelegentlich ein Wechsel der Revisionsstelle vorgenommen.

Dass auch Honorarüberlegungen zu Wechsel der Revisionsstelle geführt haben, soll hier nicht unerwähnt bleiben. So genannte «Beauty Contests», die einzig und allein auf Kostenoptimierung gezielt haben, dürften aber der Vergangenheit angehören. Die Situation hat sich aufgrund der Rahmenbedingungen und der regulatorischen Entwicklung, national und international, insofern verändert, als von der Prüfung insgesamt und vom Prüfungsumfang mehr erwartet wird, und somit auch die Honorare nicht mehr ohne Grund nach unten verhandelbar sein werden.

Im verschärften regulatorischen Umfeld hat ein weiterer Aspekt an Bedeutung gewonnen: Die Erbringung von Nicht-Revisionsdienstleistungen durch die Prüfungsgesellschaft. Obwohl in der Branche seit langem weit reichende Unabhängigkeitsrichtlinien bestehen, wurden diese nun durch weitere Vorschriften wie das Sarbanes-Oxley-Gesetz in den USA und die 8. EU-Richtlinie zur Abschlussprüfung weiter konkretisiert. Dies hat dazu geführt, dass in den USA einzelne Dienstleistungen, darunter IT-Implementierungen, Bewertungen und Internal Audit Outsourcing, durch die Revisionsstelle explizit nicht mehr erbracht werden dürfen. Zudem müssen auch zulässige Spezialaufträge an die Revisionsstelle etwa die Steuerberatung durch das Audit Committee bewilligt werden.

Um dieses Prozedere oder auch nur scheinbare Unabhängigkeitskonflikte von vornherein zu vermeiden, haben verschiedene Unternehmen eine Trennlinie zwischen Audit und Non-Audit Services gezogen: Sie beauftragen eine von der statutarischen Revisionsstelle getrennte Prüfungs- und Beratungsgesellschaft als «Preferred Supplier of Advisory Services» mit der Erbringung von Spezialdienstleistungen. Dieser Trend ist bei grossen multinationalen Unternehmen auch in der Schweiz zu beobachten.

Ausschreibung

Hat das Unternehmen entschieden, einen Wechsel der Revisionsstelle ins Auge zu fassen, wird in aller Regel ein «Request for Proposal» ausgeschrieben. Im gesamten Prozess sollte jedoch allen Beteiligten klar sein, dass die Wahl der Revisionsstelle nicht mit der Selektion eines Lieferanten verwechselt werden darf: Als Organ der Gesellschaft haftet die Revisionsstelle mit dem Verwaltungsrat solidarisch. Das bedeutet nicht, dass die Wirtschaftsprüfer nicht auch gefordert und daran gemessen werden sollen, ihre Dienstleistung effizient und kostenoptimal zu erbringen. Doch es verlangt Verständnis dafür, dass für das Unternehmen ein Kettenglied auf oberster Ebene bestimmt wird, das seine Verantwortung nicht nur aus Auftrag, sondern aufgrund der gesetzlich ihm übertragenen Bestimmungen wahrnehmen muss und wird.

Der mit einer solchen Ausschreibung verbundene Aufwand ist sowohl für das Unternehmen wie für die Prüfungsgesellschaften nicht ganz unerheblich. Zum Ausschreibungs-Prozess selbst gibt es heute «Best Practice»-Beispiele, die in allen Ausschreibungen von grösseren Revisionsmandaten mehr oder weniger detailliert zur Anwendung kommen, darunter Interviews, Site Visits, schriftliche Offerte und mündliche Präsentation.

Zu den Entscheidungskriterien bei der Beurteilung von Revisionsstelle und Konzernprüfer gehören die folgenden:

- Qualifikation des Prüfungsteams

- Vorgesehenes Kommunikationsprozedere mit VR und Management

- Berichterstattungskonzept

- Zugriff auf Spezialisten

- Angemessenenheit des Honorars

- Audit-Methodik und Audit-Technologie

- Globale Organisation und länderübergreifendes Durchsetzungsvermögen

- Branchenerfahrung des Prüfungsteams

- Sozialkompetenz /«Chemie»

Die aufgezeigten Trends haben bereits einiges in der Beziehung zwischen Wirtschaftsprüfer und Unternehmen beeinflusst. Prüfungsfirmen und ihre Kunden sollten ein gemeinsames Interesse haben, kritische Fragen offen anzugehen. Dies stärkt das gegenseitige Vertrauen wie auch das Vertrauen des Finanzmarktes in die finanzielle Berichterstattung.

Conrad Löffel, Partner, Ernst & Young, Zürich.