BILANZ: Herr Rudolf, Sie importieren die westliche Idee einer Kunstmesse nach China. Warum glauben Sie an Erfolg?

Lorenzo Rudolf: Das Durchschnittsalter an der Vernissage der «ShContemporary» war dreissig. Es waren Leute, die oft im Westen studiert und westliche Kunst gesehen haben und nun zu Geld gekommen sind. Durch sie wird ein Markt entstehen, der auch international eine wichtige Rolle spielen wird. Neben einer starken Upper Class entsteht jetzt auch eine Mittelschicht, die für uns ein riesiges Potenzial darstellt. Ausserdem haben asiatische Galerien den Wunsch, über eine eigene Plattform zu verfügen. Sie wollen nicht mehr nur alibimässig an westlichen Messen präsent sein.

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Wer kam an die Messe?

Es gibt eine grosse Anzahl von Hongkong-Chinesen, die an die Messe gekommen sind. Aber wir kennen auch die Sammler aus Festlandchina. Dank unserem künstlerischen Berater Zou Tiehai und meinem Partner Pierre Huber haben wir Zugang. Die Sammlung von Guan Yi etwa kann sich mit derjenigen der Rubells in Miami messen. Er kauft übrigens immer mehr westliche Kunst. Auch bei Hongkong-Chinesen stellen wir eine Öffnung gegenüber westlicher Kunst fest. Es geht uns ja auch darum, den Markt zu erweitern. Wir wollen den Sammlern die Chance bieten, Neues zu entdecken. Auch Museen entwickeln ihre Sammlungen.

Gegenwartskunst passt nicht gerade zu einem zensurwilligen autoritären Regime.

Natürlich gab es in dieser Beziehung auch Probleme. Doch sie haben sich letztlich als überwindbar herausgestellt. Manchmal muss man Kompromisse eingehen, ohne das Hauptziel aus den Augen zu verlieren.

Viele wichtige Galerien aus dem Westen nahmen nicht teil. Weshalb?

Es gehört zur Mentalität beispielsweise von grossen amerikanischen Galerien, dass sie zunächst abwarten und schauen. Das war an der «Art» in Basel und auch in Miami so. Selbstverständlich gab es Galerien, die wir gerne dabeigehabt hätten und die nicht kamen. Andererseits wollen wir auch nicht auf Galerienbrands setzen, sondern auf Inhalte mit starkem asiatischem Bezug fokussieren.

Verwirklichen Sie in Shanghai, was die «Art Basel» verpasst hat?

Kurz bevor ich die «Art Basel» verliess, hatte ich meinem damaligen Assistenten, Sam Keller, China ans Herz gelegt. Ich sagte ihm, das müsse der logische nächste Schritt sein. Warum die «Art Basel» den Schritt nach China nicht gemacht hat, müssen Sie die Leute dort selber fragen. Natürlich ist klar: So eine Messe aufzubauen, ist operativ schwierig. Ohne unseren Partner, BolognaFiere, der bereits in China tätig ist, wäre es praktisch unmöglich gewesen. Ausserdem können Sie eine Kunstmesse nicht einfach eins zu eins auf Shanghai übertragen. Wir mussten das Konzept völlig neu erfinden.

Worin besteht denn der Unterschied?

Entscheidend ist, dass die Messe einen echten Dialog mit der asiatischen Kunstszene unterhält. Welcher Sammler will in Shanghai schon dasselbe sehen wie in Miami oder Basel?