Am 10. Mai hat der Bundesrat bei der Europäischen Kommission für Verkehrsfragen eine Beschwerde wegen allfälliger Diskriminierung eingereicht. Er möchte
erreichen, dass Deutschland seine seit 17. April geltenden einseitigen Massnahmen
gegen die Anflüge auf den Flughafen Zürich Kloten zurücknehmen muss. Deutschland beschneidet die Anflugrouten nach Kloten beträchtlich. Und ab dem 10. Juli werden die Nordanflüge weiter eingeschränkt. Die Swiss müsste Flugzeuge nach Basel umleiten.

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Von seinem Vorstoss in Brüssel verspricht sich der Bundesrat viel. «Wären wir chancenlos, würden wir nicht antreten», sagt Moritz Leuenberger, Verkehrsminister. Die rechtlichen Mittel sind nicht ausgeschöpft – noch sind nicht einmal alle Rechtsgrundlagen, welche die Schweiz hätte, übernommen (siehe Box «Deutschland hätte es schwer» auf Seite 22). Erschwerend kommt hinzu, dass die Mühlen in Brüssel langsam mahlen. «Mehrere Monate» dauere das Verfahren, lässt sich ein EU-Sprecher zitieren.

Wenn es denn nur irgendwann in Gang käme. Denn ob sich am Ende das Brüsseler «Joint Committee under the EU-Swiss Agreement of the Air Transport» unter der Leitung von Michel Ayral überhaupt für die Beantwortung der Klage zuständig
erklären wird, ist offen. Kommissionsmitglieder und EU-Beamte wollen sich auf keinen Fall festlegen. Sie verstummen, darauf angesprochen, umgehend. Für ihre Zurückhaltung gibt es mehrere Gründe. Als ersten führt ein Kommissionsmitglied rechtliche Aspekte an: Man wolle die eigene Position nicht mit unbedachten öffentlichen Aussagen verschlechtern, falls es zu
einem juristischen Streit kommen sollte.

Einen viel pikanteren Grund nennen Spitzenbeamte nur hinter vorgehaltener Hand: Er ist in Frankreich zu suchen. Dort träumt die Regierung von einem dritten, neuen Flughafen für den Grossraum Paris. Zur Entlastung von Roissy und Charles de Gaulle soll im Norden des Landes, 200 bis 300 Kilometer von der Kapitale entfernt, ein weiterer Gross-Airport entstehen. Der derzeitige Verkehrsminister, Jean-Claude Gayssot, hat jedoch das Projekt, für das Lille in der Poleposition gewesen wäre, kürzlich sistiert.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. In Paris rechnet Flughafensprecher Jacques Reder allerdings nicht damit, dass das Vorhaben innerhalb der nächsten zehn Jahre verwirklicht wird. Das hat er unlängst an einem Treffen der Kommunikationsverantwortlichen der europäischen Flughafenbetreiber gesagt.

Dennoch hat dieses Projekt die Brüsseler EU-Kommission bisher belastet. Grund: Die Anflüge zum neuen französischen Flughafen würden teilweise über belgischem Territorium stattfinden. Hätte die Kommission zum Streit zwischen der Schweiz und Deutschland Stellung bezogen, so hätte sie ein Präjudiz für Frankreich–Belgien geschaffen.

Ähnliches gilt überdies für den bereits gebauten Flughafen in Frankfurt an der Oder. Der ostdeutsche Airport beschert den polnischen Nachbarn Lärm, den diese nicht hören wollen. Auch dieser Fall ist in der Kommission in Brüssel bereits ein Thema gewesen. Im Vergleich zum Schweizer Casus ist jedoch zu erwähnen, dass der Frankfurter Flughafen um einiges kleiner ist als jener in Kloten und um einiges weiter von der polnischen Grenze entfernt liegt als Zürich vom süddeutschen Raum.