Die wildesten Designs dominierten die 1970er Jahre, die Modebranche kannte mit ihren Entwürfen und Ideen keine Grenzen. 1971 begann denn auch die Geschichte der Steinzifferblätter: Vater Haas gründete ein kleines Unternehmen, untergebracht in einem der unscheinbaren, für die Region typischen Fabriklein in Pieterlen, unmittelbar neben Biel. Die in der Nachbarschaft liegende Firma Rado brachte damals ihre Diastar mit Zifferblättern aus Tigerauge auf den Markt – gefertigt in den Haas’schen Ateliers. Ein Grosserfolg, zu Zehntausenden wurden diese Uhren gebaut.

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Steinzifferblätter fanden auch im Bereich der Luxusuhren gerne Verwendung. Exklusive Kreationen, hergestellt aus allen erdenklichen Steinen aus aller Welt. Doch auch am Hause Haas ging die grosse Uhrenkrise in den 1970er und 80er Jahren nicht spurlos vorbei. Die Bestellungen stagnierten, der Branche ging es miserabel. 1987 übernahm «der Junior» den Betrieb. Der gelernte Feinmechaniker glaubte an das Potenzial der Firma. Dank viel Einsatz und treuen Kunden mit ganz grossen Namen wie Piaget, Cartier und anderen blieb die Firma am Leben.

Haas bekannt wie ein bunter Hund

Heute sind es noble Firmen, die auf Haas’ Kundenliste stehen, die mit der branchenüblichen Diskretion behandelt wird. Uhrenfreunde erkennen aber rasch, wer auf die Steinkreationen aus Pieterlen setzt, denn die Handschrift von Haas ist unverkennbar. Auf den ersten Blick erstaunt, wie archaisch es bei den Etappen der Steinbearbeitung zugeht. Aus den rohen Steinblöcken werden mit altertümlich anmutenden Maschinen mit feinen Diamantscheiben in stundenlanger Arbeit zuerst möglichst feine Scheiben gesägt. «Beim Bearbeiten der Steine ist Geschwindigkeit ein sehr relativer Begriff. Wenn man etwas zu schnell machen will, besteht das Risiko, dass das Material zerbricht oder zerbröselt. Das ist kein Metier für hektische Menschen», sagt Patron Haas. Für Zifferblätter können nur ganz dünne Scheiben verwendet werden. Deshalb müssen sie nach dem Rohschnitt auf die richtige Höhe gebracht werden. Die grob in Form gebrachten Rohlinge werden dazu mindestens zu dritt auf Messingscheiben geklebt und dann, Schicht nach unten, in einen exzentrisch drehenden und wabbelnden Behälter gelegt, in dem eine eher unansehnliche Sauce aus Wasser und abrasivem Material schwimmt. Durch stunden-, teils gar tagelanges Wabbeln werden die Steine langsam dünner. «Die Steine brauchen Jahrmillionen für die Entstehung, da darf man ihnen bei der Bearbeitung ruhig ein wenig Zeit lassen», erklärt Haas.

Nach der Säge kommt die Säure

Diese Rohlinge sehen völlig unspektakulär aus. Erst in der oberen Etage des Produktionsbetriebs wird ihnen mit verschiedenen Methoden Leben eingehaucht. Sie liegen in Lösungmitteln oder Säuren, zum Teil sehr lange. «Bei gewissen Steinen müssen wir sicher sein, dass es keinerlei Einschlüsse mehr hat, da sie sonst bei der Weiterbearbeitung zerbrechen könnten. Wenn wir den Rohling aus dem Bad nehmen und das Lösungsmittel verdampft, sehen wir anhand von andersfarbigen Stellen sofort die Problemzonen», so Haas. Ganz speziell muss beispielsweise Meteoritengestein verarbeitet sein. Meteorit sieht aus wie ein Metallplättchen – erst durch die Behandlung mit Säure werden gewisse Teile wegerodiert und er erhält sein einzigartiges Aussehen.

Bohren heikler als beim Zahnarzt

Wohl der heikelste Teil ist das Bohren. Je nach Uhr müssen mehrere Löcher für Zeigerachsen oder Fenster für Datum oder Zusatzanzeigen gebohrt werden. Die Steinzifferblätter kommen meist bei exklusiven Uhren zum Einsatz, und dort überbietet sich die Branche zurzeit mit Komplikationen und somit mit der Anzahl Löcher. Das Verfahren hat Haas in jahrzehntelanger Arbeit verfeinert. Die resultierenden Ausschnitte sind so präzis, dass sogar komplexe Einlegearbeiten mit verschiedenen Steinarten möglich sind. Stolz zeigt Haas ein Zifferblatt mit kleinsten eingelegten Drachen aus Jade – es wurde im Auftrag einer berühmten Marke für einen Sammler aus dem asiatischen Raum angefertigt.Noch eine Etage weiter oben folgt die Endmontage. Der Stein wird auf einen dünnen Träger aus Messing geklebt, an dem die Zifferblattfüsse stecken. Diese sorgen für den sicheren Sitz in der Uhr. Danach folgt das Anbringen von Indexen und weiteren Elementen aus Metallen oder Edelsteinen. Auch diese Arbeiten sind je nach Zifferblatt sehr aufwendig.

Steine kennen kein Alter

Im Rohlingslager von Haas liegen viele Steine, die er vor Jahren gekauft hat. «Dieses Stück versteinerter Meeresboden gefällt mir so gut, dass ich es nicht zerschneiden mag», sagt Haas und erklärt: «Da kämpft der Steinesammler in mir teils heftig gegen die kommerziellen Gegebenheiten.» Wieder andere Steine warten einfach auf den richtigen Moment. Wenn man sein Lager sieht, wird rasch klar, dass Haas die Arbeit so schnell nicht ausgehen wird. Die anhaltende Nachfrage nach besonders exklusiven Uhren ist in seinem Sinn. Mittlerweile kann Haas es sich leisten, bei einem Kunden nein zu sagen, wenn ihn dessen Projekt nicht überzeugt. Sie stehen auch so Schlange.