Die beiden Männer am weiss gedeckten Tisch des Restaurants Accademia an der Zürcher Rotwandstrasse waren guter Stimmung. Kein Wunder: Als sich Rainer E. Gut, Verwaltungsrats-präsident des Nahrungsmittelmultis Nestlé, mit Oswald Grübel, Co-CEO der Credit Suisse Group, Ende Juni dieses Jahres zum Essen im italienischen Nobelrestaurant traf, gab es Anlass zur Freude.

Grübel, seit Herbst 2002 zusammen mit dem Amerikaner John Mack (siehe «Die Mack-Attacke» auf Seite 100) an der CS-Spitze, leitete den Turnaround des schlingernden Bankgiganten erstaunlich schnell in die Wege. An der Halbjahreskonferenz der CS Group im August 2003 konnte gar die Rückkehr in die Gewinnzone verkündet werden. Und dies, nachdem im Vorjahr noch ein Jahresverlust von über drei Milliarden Franken hatte verbucht werden müssen.

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Gut dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein. Schliesslich war er der CS Group bis im Frühling 2000 als Präsident vorgestanden. Dreissig Jahre lang hatte er die Bank geprägt, als Konzernchef und Chairman.

Das Lebenswerk des Rainer E. Gut drohe zu zerfallen, schrieben die Medien im Herbst 2002 nach einem turbulenten Sommer im ehemaligen Reich des Rainer E., als sein Nachfolger Lukas Mühlemann Führungs- und Finanzprobleme zu gewärtigen hatte.

Die Kritik zielte nicht nur auf Mühlemann – auch Förderer Gut wurde ins Visier genommen. Denn schliesslich war der Bankkonzern, der da an allen Ecken und Enden kriselte, in seiner Struktur von Gut geschaffen worden. So war es Gut, der die CS 1997 mit den Winterthur-Versicherungen verschmolz und auf Allfinanz setzte. Die grossen Anlageverluste der «Winterthur» waren einer der Hauptgründe fürs schlechte Jahresergebnis 2002.

Zur Person
Banker mit Leib und Seele


Rainer E. Gut wurde am 24. September 1932 in Baar geboren. Der heutige Verwaltungsratspräsident des Schweizer Nahrungsmittelkonzerns Nestlé hat den Grossteil seiner Karriere im Banking verbracht. Rund dreissig Jahre lang stand er der Grossbank Credit Suisse vor, nach 1977 als operativer Chef und ab 1983 als Präsident des Verwaltungsrats. Im Frühling 2000 trat er als Präsident der CS Group zurück und wechselte ins Präsidium von Nestlé.

Gut ist ein Mensch, der polarisiert. Von jeher schon. Er ist der Prototyp und der wichtigste Exponent jener kleinen Gruppe von Wirtschaftsführern, welche die Schweizer Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg von einer vornehmlich nationalen Ausrichtung in die Globalisierung führten. Geboren 1932, gehört er zu dem Kreis von Managern, die hier zu Lande über Jahrzehnte die Wirtschaft dominierten: Fritz Gerber, langjähriger Präsident von Roche und «Zürich», Helmut Maucher, langjähriger Chef von Nestlé. Und eben Gut. Durch gegenseitige Einsitznahme in den Verwaltungsräten war diese Managergarde auch eng untereinander vernetzt. Im Frühling 2000 ersetzte Gut Maucher auf dem Präsidentensessel von Nestlé.

Gut hatte schon früh eine internationale Optik des Geschäfts. Er war beruflich lange in New York, für die Bankgesellschaft, das US-Investment-Haus Lazard Frères und dann für eine Tochtergesellschaft der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA). Dies prägte sein Weltbild stark. Es bestimmte sein Handeln, wo immer er tätig wurde. Bei der CS sorgte er durch den schrittweisen Ausbau der Beteiligung an der US-Investment-Bank First Boston dafür, dass die CS der erste europäische Bankkonzern wurde, der eine massgebliche Stellung im US-Investment-Banking erreichte. Die Übernahme von First Boston sollte ihm in der Folge allerdings einige finanzielle Sorgen bereiten. Als sich die Schweizer Wirtschaft 1997 und 1998 wegen der Holocaust-Thematik mit massiven Angriffen aus den USA konfrontiert sah, war Gut einer der Ersten, welche die Bedrohung erkannten – und handelten.

Bei der Swissair, wo er seit 1974 im Verwaltungsrat und später im Ausschuss war, trieb er das wohl ehrgeizigs-te grenzüberschreitende Fusionsprojekt der Airline-Geschichte voran: Alcazar. Es sah den Zusammenschluss von Swissair, der holländischen KLM, der skandinavischen SAS und der österreichischen AUA vor, scheiterte allerdings. Neben seiner Einbindung in die Schweizer Wirtschaft war es dann auch dieser Airline-Background, der ihn zum Kandidaten für den Steuerungsausschuss der neu zu gründenden Swiss machte, als die Swissair Ende 2001 nach Missmanagement und Grounding am Boden lag. Dass Gut oft aus dem Hintergrund zu agieren pflegt, hat zu seinem Mythos beigetragen.

Sein Machtinstinkt, die Einflussmöglichkeiten durch den Einsitz in den Schweizer Grosskonzernen (von denen er auch rege Gebrauch machte) und sein enges Beziehungsnetz: All das sorgt auch für Abhängigkeiten und Kritik. Auf seinem Weg durch die Schweizer Wirtschaft hat sich der Banker zudem viele Feinde geschaffen. Schon im Jahr 1999 schrieb das «Magazin» des «Tages-Anzeigers», es liesse sich «ein Buch füllen mit den Artikeln aus der Finanzpresse über die Machtkämpfe an der Zürcher Bahnhofstrasse unter Beteiligung des Rainer E. Gut»: Welche Konkurrenten er über den Tisch gezogen, wessen Karriere er beschleunigt und welche er beendet habe.

In der Schweizer Bankenwelt fand in den letzten Jahren ein einschneidender Konzentrationsprozess statt. Gut trieb diesen Prozess voran. Er kreuzte dabei die Klingen mit fast allen anderen wichtigen Exponenten der Schweizer Wirtschaft. Mit dem inzwischen arg unter die Räder gekommenen BZ-Banker Martin Ebner etwa, den er bei der Bank-Leu-Übernahme übertrumpfte und mit dem er es dann bei der Übernahme der «Winterthur» nochmals zu tun bekam. Mit Ex-SBG-Präsident Nikolaus Senn, der ihn 1996 bei der Übernahmeattacke auf die Bankgesellschaft ins Leere laufen liess. Oder mit dem ehemaligen EBK-Direktor und heutigen EBK-Präsidenten Kurt Hauri, der Guts ambitiöses CS-Holding-Projekt von 1989 torpedierte.

Der Bankier kann charmant und freundlich sein, aber auch eiskalt. Er schenkt Vertrauen und lässt Freiräume, doch wenn er Illoyalität spürt, reagiert er knallhart. Im Laufe der Zeit verstiess er Weggefährten, andere fielen ab oder traten zurück. Nicht jeder der ehemaligen Mitarbeiter würde sich so einmütig zum Essen mit Gut an einen Tisch setzen wie Oswald Grübel, den Gut auch schon seit rund dreissig Jahren kennt und dessen Karriere als Trader und später als Chef des CS-Private-Banking er stets förderte.

Mit dem ehemaligen SKA-Topmann und Ziehsohn Joe Ackermann etwa, heute Chef der Deutschen Bank, überwarf sich Gut 1996 nachhaltig. Doch die enge gegenseitige Verbandelung in der Wirtschaftswelt führt dazu, dass man sich meist doch wieder trifft – gewollt oder ungewollt. Heute etwa entscheidet Ackermann als Chef eines der Swiss-Investoren und als Aufsichtsratsmitglied der deutschen Lufthansa mit über die Zukunft der schweizerischen Fluggesellschaft.