Seit dem 24. Juni darf sich UBS-Chef Marcel Ospel Dr. Marcel Ospel nennen. Als zweiter Schweizer nach Paul Sacher wurde er zum Ehrendoktor der Universität Rochester ernannt. Eine hohe Auszeichnung für ihn, der bisher mit Preisen nicht gerade überschüttet worden ist. Für den Erfolg der Einheitsmarke UBS und sein «Alinghi»-Engagement erhielt er den Marketing-Preis, 1998 war Ospel Banker of the Year. Aber ansonsten reichte es nur «hie und da für ein paar Trostpreise, zum Beispiel bei einem Skirennen», erinnert er sich.

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Und jetzt also der Ehrendoktor. Dabei sah seine Schulkarriere nicht unbedingt nach akademischen Ehren aus. Als ihn sein Vater vor das Ultimatum entweder Bankenlehre oder Wirtschaftsgymnasium stellte, zog der 15-jährige Marcel Ospel den Einstieg in eine lebhafte Börsenbank der ihn langweilenden Schule vor. Besonders der Französischunterricht war seine Sache nicht. Seine Lieblingsfächer Physik, Mathematik und Geschichte zeigten schon früh eine Begabung für Zahlen. Nach Lehrjahren in Basel, Genf und London hat Marcel Ospel in Basel eine HWV-Ausbildung absolviert, «um mir ein breiteres Wissen zu verschaffen». Heute ist der UBS-Chef ein überzeugter Verfechter von Aus- und Weiterbildung «auf allen Stufen und für alle Altersklassen», sei es in den UBS-eigenen Ausbildungsstätten in Wolfsberg, London, Stamford, Singapur und Hongkong oder in externen Instituten wie dem Institut für Finanzmanagement der Universität Bern, das zusammen mit der renommierten Simon Graduate School of Business Administration der University of Rochester einen berufsbegleitenden MBA-Abschluss anbietet. Deren Vorschlag, ihn zum Ehrendoktor zu küren, kam für den Bankier «wie aus heiterem Himmel». Als man sich bei seinem Umfeld höflich erkundigte, ob er die Auszeichnung annehmen würde, wollte er «vorerst wissen, wofür».

Die Begründung aus der Laudatio: «Ausgezeichnet wird die strategische Leistung im Rahmen der globalen Positionierung der UBS von der Akquisitionsphase der neunziger Jahre in England und den USA über die Integration der beiden Finanzinstitute Schweizerische Bankgesellschaft und Schweizerischer Bankverein zur heutigen UBS bis zur konsequenten Umsetzung der globalen Marke UBS, wie sie heute zu sehen ist», heisst es da. Und weiter: «Die gegenwärtige exzellente Positionierung der UBS ist massgeblich auf seine [Ospels] Führungskompetenzen zurück- zuführen sowie auf seine herausragende Fähigkeit, strategische Ziele zu definieren und diese konsequent zu verfolgen. So hat er die UBS an die Weltspitze der Investment- und Vermögensverwaltungs-Banken geführt.» Innert dieser 15 Jahre hat sich die Zahl der UBS-Mitarbeitenden – auch fusionsbedingt – von 20 000 auf 68 000 erhöht. «Und wir hatten damals ein paar hunderttausend Kunden. Inzwischen sind es rund sechs Millionen», sagt Ospel. Dann erinnert er sich schmunzelnd an den Zusammenschluss «mit den 1100 O’Connor-Turnschuhleuten, die hoch motiviert, sehr mobil und kultiviert, aber Welten entfernt von den Mitarbeitenden der ehemaligen SBV waren».

Diese Welten zusammenzubringen, war und ist Chefsache. Deswegen verzichtet Ospel nicht auf seine häufigen weltweiten Geschäftsreisen, modernste Kommunikationstechnologie hin oder her:

«Die Mitarbeitenden und die Kunden wollen den Präsidenten zu Recht sehen.» Angesprochen auf die Gefahr, als oberster Boss abzuheben, sagt er: «Ich habe kein elitäres Naturell.» Zu seinen besten Freunden zählen ein Malermeister und ein Beamter. «Die würden schnell die rote Flagge zeigen und mich auf den Boden zurückholen.»

Als Spätakademiker hat er jetzt zumindest auf dem Papier einen grösseren Abstand zu seinen Freunden. Freut ihn die Auszeichnung dennoch? «Bestimmt», antwortet Ospel zögernd, «aber ich frage mich auch, was dies auslöst.» Schliesslich sei er nicht der einzige Verantwortliche für die ausgezeichneten Leistungen seiner Bank. «Aber es gibt halt keinen kollektiven Ehrendoktortitel», rechtfertigt er die Situation. Denn «die Vorstellung, dass ich einfach in einem Zimmer sitze und denke, das und das machen wir, ist auf jeden Fall falsch», kommentiert der UBS-Chef eine ab und zu geäusserte Meinung. Die strategische Planung werde in Teams diskutiert und umgesetzt. Viel Energie und Zeit verwendet Ospel darauf, «sich immer wieder Rechenschaft zu geben, dass unsere Kurssetzung die bestmögliche ist».
Zufrieden ist Marcel Ospel mit den UBS-Mitarbeitenden in der Schweiz, deren Qualität sich seit den Rückschlägen in den neunziger Jahren spürbar verbessert habe. Sein Motto: Nur die Besten sind gut genug. «Denn A-Leute ziehen A-Leute an, B-Leute bringen C-Leute ins Unternehmen.» Diversity heisst für ihn nicht Frau oder Mann, Schwarz oder Weiss, sondern ausgesprochen verschiedene Köpfe und Charaktere, die ihre spezifischen Kenntnisse, Erfahrungen und Meinungen einbringen. Um die Besten unter ihnen zu befördern, gebe es bei der UBS ein 360-Grad-Beurteilungssystem. Dort werden nicht nur die Vorgesetzten befragt, sondern auch das ganze Umfeld, «um die Risiken eines Fehlentscheids zu mindern». Ospels Devise lautet: «Man darf die intellektuelle Redlichkeit nicht auf dem Altar der Harmonie opfern.»

Auffallend ist, dass der Doktorensponsor, die University of Rochester, über ihre Graduate School of Business Administration mit der UBS zusammenarbeitet. Ist der Titel also nur gekauft? «Das ist hier ganz bestimmt nicht der Fall», versichert Marcel Ospel. Den Doktortitel, der ihm einmal von einer grossen amerikanischen Universität für einen sechsstelligen Betrag angeboten worden sei, habe er dankend abgelehnt. Jetzt kommt er aber trotzdem noch zu einem Talar: Die Vorstellung, den Preis in einem solchen Gewand entgegenzunehmen, hat für den Basler durchaus etwas Fasnächtliches. Gross heraushängen wird er seinen neuen Titel jedoch nicht: «Wenn die Feier vorbei ist, wird alles wieder beim Alten sein», sagt er. Und als seine Sekretärin sich erkundigte, ob sie neue Visitenkärtchen drucken lassen soll, befand Marcel Ospel: «Vielleicht zwei, drei für ganz spezielle Gelegenheiten.»