Onlineshopping, Preiskrieg, Einkaufstourismus: Die Gewitterzellen des Schweizer Detailhandels umschifft Mark Ineichen, CEO und Präsident der Otto’s-Gruppe, mit unkonventionellen Methoden. Als besonders hilfreich erweisen sich dabei die bisher weitgehend unbeachteten 17 Filialen von Radikal Liquidationen. Ineichen betreibt die Ladenkette schon seit elf Jahren als wachstumsstarkes Anhängsel der 100 Otto’s-Läden.

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Der Sohn des 2012 verstorbenen Unternehmensgründers und FDP-Politikers Otto Ineichen führt die Gruppe seit 15 Jahren höchst erfolgreich. In dieser Zeit verdreifachte er den Umsatz auf rund 700 Millionen Franken. Genaue Zahlen teilt Ineichen seit einigen Jahren nicht mehr mit der Öffentlichkeit. Er profitiert davon, dass ihn die grossen Konkurrenten Aldi, Lidl und Denner unterschätzen. Der «Bilanz» gewährt er erstmals einen grosszügigen Einblick ins Familienunternehmen.

Grösste Restpostenhändler Europas

Jeder Schweizer kennt Otto’s – der grösste Restpostenhändler Europas. Das Standardsortiment reicht von der Sportsocke über das Schraubenzieherset bis hin zur Bodenplatte. Otto’s ist auch Autohändler, Sportartikel-Discounter und Besitzer der Outdoor-Kleidermarke Sherpa. «Die verrückteste Ladenkette der Schweiz», nennt sich das Unternehmen selber. Die Läden bestehen aus einem wunderbar chaotischen Allerlei aus Markenware, die es aus unterschiedlichsten Gründen nicht in besser eingerichtete Läden geschafft hat. Für Otto’s arbeiten heute rund 2000 Angestellte. Inklusive Radikal-Läden betreibt die Gruppe 120 Verkaufsstellen.

Jedes zweite Produkt kaufen Ineichens Leute direkt im Ausland ein. Bei den Parfüms beträgt der Anteil der Parallelimporte sogar 90 Prozent. Kein anderer Schweizer Händler beherrscht dieses Geschäft so gut. Ineichen perfektionierte den Grauimport schon vor Jahren, als er noch halblegal war. Nicht immer kommt er damit problemlos durch. Regelmässig kappen Hersteller die Verbindung zum Zwischenhändler, schicken Anwälte nach Sursee an den Hauptsitz oder werfen ihm vor, mit gefälschter Ware zu handeln. «Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel», stöhnt er.

Billiger gehts nicht mehr

Im Gegensatz zu Otto’s muss sich Radikal noch den Platz im Bewusstsein der Schweizer Konsumenten erarbeiten. Billiger gehts nicht mehr. Hier ist Endstation für Markenteigwaren, No-Name-Shampoos und Qualitäts-Waschmittel. Wer hier einkauft, dem ist sogar Denner zu teuer. Das Konzept, das Ineichen im Jahr 2005 lancierte ist eine bislang verkannte Discounter-Perle. Eine höchst erfolgreiche: «Radikal geht ab wie eine Rakete», schwärmt Ineichen. Die Ladenkette wachse jährlich zweistellig.

Den Grundstein dazu legte er 2004 mit der Übernahme dere Firma Netto Netto, die sich erfolglos als Discounter versucht hatte. Von den zwölf Standorten wandelte er die guten in Radikal-Läden um und schloss die schlechten. Er brachte alles unter, was bei Otto’s keinen Platz mehr fand.

Die Schnäppchenjäger hatten nur darauf gewartet. Sie stürmten die Läden, die Ineichen mit einem giftgrünen Prozentsymbol versah. Das Verhältnis zwischen Otto’s- und Radikal-Läden sei heute ideal. Man brauche den Verbund. Den grössten Unterschied zwischen den beiden Ladenketten machen die Kunden aus: «Radikal ist sicher stark auf die Ausländer fokussiert.» Was andere Discounter niemals laut aussprechen würden, sagt er ganz ohne Scham. Bei Otto’s seien 85 Prozent der Kunden Schweizer.

Das weitere Wachstum der Otto’s-Gruppe will er vorsichtig angehen: Bis Ende Jahr sollen drei weitere Sportartikel-Chalets eröffnen – im Winter mit Skis, im Sommer mit Bikes. Die Anzahl Radikal-Filialen könnten mittelfristig auf 30 steigen. 10 davon will er in der Westschweiz aufmachen.

 

Wie Mark Ineichen die Angriffe der Markenhersteller pariert und den Bund austrickst, lesen Sie in der neuen «Bilanz», ab Freitag am Kiosk oder mit Abo jeweils bequem im Briefkasten.